GROSSE GLOTZAUGEN! (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 08.11.2004, 13:57 (vor 7264 Tagen)

Köln war sicher EIN Höhepunkt in diesem Jahr, zumindest was meine "Barfußkarriere" anbelangt. Aber sollte es auch der krönende Abschluß sein? Ich hätte es in der Hand gehabt, indem ich für den Rest des Jahres nur noch Schuhe tragen würde. Aber ich wollte nicht, was jedoch weder gegen Köln gerichtet ist, noch gegen die netten Leute, die ich dort kennen gelernt habe.

Am letzten Samstag (6.11.2004) sollte es noch trocken bleiben, jedoch auch nicht gerade sonnig. Man kann ja nicht immer ins Tessin reisen. Aber gegen 8.30 Uhr schwang ich mich bei 8°C aufs Fahrrad, mit blauer Jacke ziemlich winterlich gekleidet, Schuhe und Handschuhe und Mütze ließ ich jedoch gleich zu Hause. Ziel war der Kurort Baden, etwa 40 Kilometer von Zofingen entfernt. Auf der Hinfahrt über Suhr, Lenzburg und Mellingen gab es kaum komische Blicke. Vermutlich lag es daran, daß Autofahrer, die etwa einen Radfahrer mit dunkler Jacke sehen, nicht ungedingt einen Barfüßer vermuten (und um diese Jahreszeit gar nicht damit rechnen). Meine Füße waren lediglich an den Fersen etwas kalt geworden. Ich radelte noch über die Limmat-Hochbrücke, bog dann aber rechts ab und kettete mein Velo an eine Straßenlampe.

Von nun ab wurden die Blicke ab komischer, was mehrere Gründe hatte. Einmal bin ich zu Fuß langsamer als auch dem Velo, die "anderen" hatten mehr Zeit, mich zu beobachten. Zum anderen kam ich durch Gebiete, wo mehr Leute zu Fuß sind. Und sicher tat die Tatsache, daß ich während der Wanderung die Jacke im Rucksack hatte und nun im kurzärmeligen T-Shirt herumlief (damit ich am Abend auf dem Rad wieder was wärmeres zum Anziehen hatte) ein übriges dazu bei: Im T-Shirt fällt man unter bewintermantelten, behandschuhten und bemützten/behüteten Leuten schon auf. Dann wird man näher betrachtet, der Blick fällt schließlich auf die nicht vorhandenen Schuhe und dann: GROSSE GLOTZAUGEN.

Über eine Wendeltreppe ging ich hinunter zur Limmat, überquerte die gedeckte Holzbrücke (derartige Brücken überschreite ich am liebsten barfuß), ging zum Hauptbahnhof, unterquerte die Gleise. Durch Quartierstraßen erreichte ich wieder die Limmat, die ich auf einem Fußgängersteg überquerte. Ich folgte einem Schotterweg, der trotz alledem recht gut begehbar war, überquerte die Limmat bei nächsten Steg (nahe einer neuen Bogenbrücke für den Autoverkehr) und folgte dem Industriekulturpfad wieder Richtung Stadt. Im Kurpark, wo eine Büste des Badearztes Albert Minnich zu sehen war, fiel meine Barfüßigkeit überhaupt nicht auf, trotz der vielen Leute. Die glaubten wohl, daß ich dieses auf "Befehl" eines Nachfolgers von Badedokter Minnich ausübte. Ich folgte der Uferpromenade und gelangte zum Stauwehr, von wo ab ein mit trocknem Laub bedeckter Wanderweg (nicht kinderwagenkonform) bis zur nächsten Limmatbrücke, die ich überquerte. Auch ein Vater mit der kleinen Tochter war unterwegs. Fröhlich hüpfte die Kleine über den Steg und ahnte nichts böses. Erst in der Mitte wurde sie den Gegenverkehr gewahr und: GROSSE GLOTZAUGEN. Eine Weile Schweigen, dann ein Wort: "Bluttfues!" Das Mädchen blieb lange regungslos auf der Brücke stehen, bis ich hinter Büschen verschwunden war.

Nun hatte ich das Kloster Wettingen erreicht, aber nicht nur ich, sondern auch ein ganzer Omnibus voll Besucher. Während ich das Klostergelände durchstreifte, rechnete ich schon damit, daß die Leute in lautstarkes Gelächter ausbrechen würden (in der Gruppe fühlt man sich bekanntlich stark, übrigens auch als Gruppe von Barfüßern). Aber nichts geschah. Vielleicht ein paar überraschte Blicke, mehr nicht. Ich folgte dem Weg zum Wettinger Bahnhof, folgte überquerte auf dem Fußgängersteg der Eisenbahnbrücke wieder die Limmat und schritt dann in Richtung Badener Innenstadt. Ich kam am "Kindermuseum" vorbei, viele Eltern mit Kindern gingen dorthin. Wenn die Kinder mich sahen, gab es GROSSE GLOTZAUGEN. Ein paar lästernde Bemerkungen gab es von Jugendlichen in der Straßenunterführung.

Über eine recht steile Straße und einen kurzen Schotterweg schritt ich zur Burgruine. Als ein Mann meine nackten Füße erblickte, fragte er: "Fehlt da nicht etwas?" Diese Frage konnte ich guten Gewissens verneinen! Von der Ruine führte eine Treppe direkt in die Altstadt. Ich machte aber noch einen Abstecher zum Bahnhof Oberstadt, der zum nächsten Fahrplanwechsel seine Funktion einbüßen wird. Noch ein kurzes Stück durch den Wald, dann wieder am Kindermuseum vorbei, ging ich wieder in die Altstadt, zur reformierten Kirche, zum Hauptbahnhof, zum Stadtturm, zur katholischen Kirche. Es gab wohl kaum eine Altstadtgasse, keine Treppe, die ich nicht unter meinen nackten Füßen zu spüren bekam. Und es gab wohl kaum einen Ort, wo man nicht folgendes beobachten konnte: GROSSE GLOTZAUGEN! Speziell die Kinder von bekopftuchten Müttern waren darin Meister.

Bevor ich mich zurück zum Velo begab, "entdeckte" ich am Fuße der katholischen Kirche einen Kinderspielplatz. und was für einen! Recht groß und abwechslungsreich. Aus einem Brunnen fließt Wasser, daß man mit einer "Wasserspirale" nach oben kurbeln kann. Ideal für Kinder, die gerne barfuß laufen. Mit dem Wasser kann man die Füße kühlen. Viele der Spielgeräte "nötigen" einen regelrecht, sich der Schuhe zu entledigen. So zum Beispiel eine Art Treppe aus rohen Holzstämmen. Anders als bei den meisten Kinderspielplätzen wurde hier auch mit verschwenderisch mit Schotter umgegangen. Ein idealer Platz, um sich dort barfuß aufzuhalten. Für die Kinder UND für die Erwachsenen, die sie begleiten. Aber kein Kind und keine Eltern waren dort barfuß anzutreffen, alle fett beschuht, warum bloß? Als ich dort barfuß längs ging, hatte ich die Hoffnung schon längst begraben, daß jemand meinem Beispiel folgen würde. Stattdessen nur GROSSE GLOTZAUGEN.

Es war dunkel geworden, als ich mich aufs Velo schwang. Ich mußte wieder die Jacke überziehen. Meine Füße waren angenehm warm geworden vom Wandern. Und sie bleiben es auch, bis ich zu Hause war, obwohl ich im Raum Mellingen noch eine Glühbirne auswechseln mußte, was wegen meiner klammen Hände etwas länger dauerte als üblich. Warum fror ich weniger an den Füßen als an den Händen? Ich habe dafür nur eine Erklärung: Bei der Wanderung bin ich ausschließlich auf den Füßen gelaufen. Wäre ich auf den Händen gelaufen, dann hätte ich hinterher warme Hände gehabt, dafür kalte Füße. Stimmt meine Theorie?

In der folgenden Nacht konnte ich ausgezeichnet schlafen (zu Hause im Bett, nicht draußen im Schlafsack). Und was sah ich im Traum? Na klar! GROSSE GLOTZAUGEN!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

GROSSE GLOTZAUGEN!

Andi35 @, Stammposter, Monday, 08.11.2004, 15:30 (vor 7264 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael!

Danke Dir für Deinen schönen und teilweise lustigen Bericht mit den GROSSEN GLOTZAUGEN! ;-D
Dass Du bei dieser Witterung noch solche lange Fahrten und Märsche machst, finde ich echt erstaunlich! Aber noch mehr wundert es mich, dass Du es mit kurzer Hose oder zumindest noch mit kurzärmligem Hemd oder T-Shirt machst!
Dass diese Jugendgruppe lästern musste, war ja wohl mal wieder klar! :-/ Keine Kommentare, nur GROSSE GLOTZAUGEN! :-) Aber Die mussten natürlich wieder etwas sagen, diese Sch...egal-Generation!
Was diesen Kinderspielplatz angeht, kann ich nur sagen: bei dem Wetter und dieser Jahreszeit (die Meisten kleiden sich eben nach dem Kalender), ist es kein Wunder, dass man dort keine Barfüßer mehr sieht! Aber es ist ja nun auch wirklich kalt!
Deine etwas lustige Theorie von dem Laufen auf den Händen, anstatt den Füßen, halte ich auch für sehr wahrscheinlich! Daran muss es wohl gelegen haben!

Einen lieben Gruß nach Zofingen von Andi!

GROSSE GLOTZAUGEN!

FrankX, Stammposter, Tuesday, 09.11.2004, 09:40 (vor 7263 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Ich sieht so aus als ob es Dir in Baden gefallen hat. Das ist auch der Grund warum ich hier lebe. Nur auf die GLOTZAUGEN kann ich verzichten, darum laufe ich im bis zum Frühling in der Stadt nicht mehr barfuss herum :( Gestern bin ich kurz runter zum Briefkasten, da der Briefträger ein Paket zustellte. Leider habe ich nicht auf seine Reaktion geachtet. In der Wohung bin ich immer barfuss, warum soll ich mir extra Schuhe anziehen?

Ich hoffe ich habe mal Gelegenheit die Wälder um Baden zu erkunden. Da gibt's nicht so viele GLOTZAUGEN.

Schade, dass ich Dich am Samstag nicht gesehen habe. Ich war nur kurz in der Stadt.

Gruss,

FrankX

RSS-Feed dieser Diskussion