Eine zweite Nacht in Köln (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 03.11.2004, 08:03 (vor 7269 Tagen)

Sonntag, 31.10.2004. Mein erstes Barfußtreffen war vorbei. Ich stand (immer noch barfuß) an der Haltestelle des Reststückes der "Kleinbahn Zündorf-Siegburg", die hier von der Straßenbahn bedient wird. Meine Füße hatten zwar nicht unter der Barfußwanderung gelitten, aber ich spürte die Riemen des Rucksacks an den Schultern. Da ich eine Tageskarte hatte, entschloß ich mich, weitere Erkundungen auf "eisernem Weg" anzustellen. Man merkte, daß die Uhren auf Winterzeit umgestellt waren, so dunkel war es schon. Ich hatte auch den Eindruck, daß die Kleidung der Leute noch winterlicher war als noch am Abend zuvor. Vermutlich war es auch etwas kälter, weil sich die Sonne zwar am Samstag, nicht aber am Sonntag blicken ließ. Entsprechend waren auch die Reaktionen einzelner Fahrgäste. An einer Haltestelle stieg eine Mutter mit zwei Kindern ein und sagte: "Setzt euch dort hin!" Die Kinder setzten sich mir gegenüber. Als sie mich aber sahen, erhoben sie sich sofort von ihren Sitzen, worauf die Mutter, die bisher nur meinen Hinterkopf sehen konnte, fragte: "Was ist los?" worauf das Mädchen sagte: "Nein, nicht da, sieh nur!" Während beide Kinder auf mich deuteten, schaute mich auch die Mutter näher an, verdrehte die Augen und sagte: "Der tut doch nichts, der läuft nur barfuß. Das macht ihr im Sommer doch auch!" Dabei blieb es.

In Deutz mußte ich von der unterirdischen auf die ebenerdige Haltestelle umsteigen. Ein paar Jugendliche warten auf dem Bahnsteig gegenüber. Als sie mich sahen, fingen sie an zu lästern mit den Worten: "Der Mann ist bettelarm, der kann sich nicht mal Schuhe kaufen!" "Und Socken!", sagte ein anderer. "Und eine Jacke!" "Und eine Hose" (dabei hatte ich in Wirklichkeit eine an, ich bin doch ein anständiger Mensch). Einer warf eine 10-Cent-Münze über die Gleise, gerade bevor meine Bahn kam. Und diese fuhr ab, mit mir, und der Münze. Von Gesetz wegen müßte ich dieses bei der nächsten Steuererklärung als "Einkommen" deklarieren müssen. Das werde ich aber nicht tun, soooooooooooooo anständig bin ich auch wiederum nicht!

Rudolfplatz, ca. 23 Uhr: Ich verließ den unterirdischen Bahnsteig. Ich hatte genug vom Bahnfahren. Ein letztes Umsteigen in "meine" Linie, die 7 in Richtung Frechen. Ich war müde. Es war ziemlich kalt geworden. Der Himmel war klar, der Mond schien (mir wäre lieber, die Sonne hätte tagsüber geschienen). Die ebenerdige Haltestelle machte keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Irgendwie passen das dortige historische Stadttor und die Treffpunkte für die meist jugendlichen Bevölkerungsschichten zusammen wie die Faust aufs Auge. Vor einem Stand standen die Jugendlichen Schlange. Daß es auch hier von Lästerern nur so wimmelte, überrascht wohl nicht. Und sicher überrascht auch nicht, das man hier mit allem möglichem auf dem Boden rechnen mußte. Und tatsächlich: Die Glasscherben, die sich im Laufe der Jahrzehnte zwischen den Fugen der der historischen Pflastersteine angereichert haben und die keine Kehrmaschine mitnimmt, sondern nur noch tiefer in den Boden drückt, funkelten prächtig im Licht des Mondes und noch mehr der künstlichen Beleuchtung. Aber durch mittiges Auftreten gelang es mir, ohne Verletzungen die barfüßige Wartezeit auf das Tram zu überstehen. Nicht nur Jugendliche waren dort, auch besoffene ältere Leute, auch Frauen mit aufgedunsenen Gesichtern. Alle laberten irgendein wirres Zeug. Ich war froh, als endlich die Bahn kam. Ich fuhr zum Stüttgenhof, an dieser einsamen Haltestelle stieg ich aus, und mit mir ein weiterer Mann, den ich für Polen oder Tschechen hielt. Ich überschritt ich die Bahngleise, ging über nasses Gras neben dem steinigen Weg zur nächsten Abzweigung, bog ab in den Wald und breitete meinen Schlafsack in der Nähe eines Holzstapels aus wie die Nacht zuvor. Das trockene Laub fühlte sich angenehm unter den nackten Füßen an, jedoch lagen einige Äste herum. Die Nacht aber war kälter als die zuvor, trotzdem schlief ich ruhiger. Die wenigen Straßenbahnen, die noch vorbeifuhren waren ein brauchbarer Ersatz für ein Wiegenlied - ein Wiegenlied für Köln!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

RSS-Feed dieser Diskussion