Trüber Sonntagmorgen in Köln (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 03.11.2004, 06:55 (vor 7269 Tagen)

Sonntag, 31.10.2004. Die "längste Nacht des Jahres" war vorüber. Es war gerade so hell, daß ich die Uhrzeit ablesen konnte, 7.10 Uhr! Nein ich war nicht in meinem Bett in Zofingen, sondern in einem etwa 18 Jahre alten Schlafsack, dem man die häufige Benutzung allmählich auch ansieht. Unter mir eine Plastikfolie, die mich vor Nässe schützte, und über mir der Himmel von Köln. Das dichte Blätterdach des Waldes in der Nähe vom Stüttgenhof hatte verhindert, daß ich fror. Neben mir der riesige Rucksack, der das nötigste enthielt, damit ich weder verhungere, noch verdurste oder gar eingesperrt werde. Eigentlich fehlte nur eins, was "vernünftige" Leute außerhalb von Freibad, Badewanne und Bett immer tragen: Schuhe! Aber was soll's. Ich war wegen eines Barfußtreffens nach Köln gekommen. Und für mich sollte das Barfußtreffen nicht am Treffpunkt beginnen und wieder enden, sondern quasi von Haustür zu Haustür. Ganz analog einer früheren Werbung der Bahn konnte ich es so formulieren: "Barfußtreffen ist barfuß von Anfang an!"

Während ich mich anzog, verließ gerade eine Straßenbahn, die hier nicht auf oder neben einer Straße fährt, sondern die Gleise einer Güterbahn mitbenutzt (und das bereits zu Zeiten, als man vom "Karlsruher Modell" noch nichts wußte), die nahe Haltestelle. Ich brauchte also nicht hetzen bis zur nächsten Bahn. Langsam ging ich durch den Nebel Richtung Haltestelle, und zwar auf nassem, sehr kaltem Gras. Morgens, wenn man direkt dem Schlafsack entsteigt, sind die ersten barfüßigen Schritte immer die mühsamsten. Als ich die Haltestelle erreichte, mußte ich feststellen, daß das nächste Tram erst in 50 Minuten fahren würde. Am frühen Morgen sind die öffentlichen Verkehrsmittel im Kölner Randbezirk noch nicht sehr öffentlich.

Ich entschloß mich, auf "Schusters nicht vorhandenen Rappen" durch den Wald zu gehen. Eine Frau mit 2 Hunden kam mir entgegen. Einer der Hunde schnüffelte an meinen Füßen, die Frau rief: "Pfui!" Ich nehme einmal an, daß sie damit nicht meine Barfüßigkeit meinte, sondern nur ihren Köter berufen wollte. Der Asphalt des Weges war rauh, aber parallel dazu konnte ich manchmal Waldboden, manchmal Gras benutzen. Aber bald war der Wald zu Ende. Es folgten Quartierstraßen des Kölner Stadtteils Lindenthal. Eine alte Frau starrte mich an und sagte nur: "Unglaublich!" Ich suchte eine Haltestelle, fand die "Brahmsstraße", mußte aber feststellen, daß auch hier erst in 20 Minuten eine Verbindung bestand. Also barfuß weiter zur nächsten Haltestelle "Dürener Straße/Gürtel". Während ich mir am Automaten eine Tageskarte besorgte, wurde ich von einer ca. 50-jährigen Frau mit aufgedunsenem Gesicht nur so angestarrt.

Die nächste Bahn war meine! Es war die Linie 13, die sogenannte "Gürtellinie", weil viele Stationen die den Zusatz "Gürtel" tragen. Teilweise ist sie als Hochbahn konzipiert, so daß man einen Ausblick auf die neblige Stadt hatte. Den Rhein konnte man kaum erkennen, als die Bahn Richtung Mülheim fuhr. Viele Fahrgäste gab es nicht, und die meisten glaubten wohl, sie wären im falschen Film gelandet, als sie mich sahen. Aber was soll's! Ich tu denen doch nichts! Nach einigen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichte ich den Hauptbahnhof. Vor dem Dom starrten mich etliche Leute an. Speziell japanische Touristen trauten ihren Augen kaum. Auch Kinder, die meist recht winterlich vermummt waren, verdrehten ihre Augen. Andauernd hörte ich aus einem Kindermund: "Der ist ja barfuß, darf der das?" Ja ich darf das! Und von diesem Recht mache ich rücksichtslos Gebrauch, man gönnt sich ja sonst nichts. Ich ging noch ein paar Runden durch die Straßen und konnte es kaum abwarten, mit der Linie 7 zum Barfußtreffen zu fahren.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

RSS-Feed dieser Diskussion