Barfuß genießen in vollen Zügen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 02.11.2004, 16:56 (vor 7270 Tagen)

Samstag, 30.10.2004. Um 8.26 Uhr sollte mein Zug fahren. Mein Ziel: Köln. Ich wollte an einem Barfußtreffen teilnehmen, organisiert von Georg. Da Georg kein schwieriges Gelände versprochen hatte und der Wetterbericht übers Wochenende keine "richtig" winterlichen Temperaturen versprochen hatte, entschloß ich mich, die Schuhe gar nicht erst mitzunehmen, auch wenn ich nicht zu den Leuten gehören, die sich ärgern, wenn sie die Schuhe mitnehmen und sie nicht benutzen brauchen. Eine Jacke nahm ich aber mit (ich brauchte sie zwar die ganze Zeit nicht, aber wozu soll ich mich ärgern), denn bei Temperaturen um 8°C und Wind kann es durchaus mühsam werden. Also barfuß mit dem Fahrrad zum Bahnhof bei 8°C und wolkigem, jedoch trocknem Wetter. Keine außergewöhnlichen Reaktionen am Bahnhof, vielleicht kennt man mich schon und weiß, daß ich ein hoffnungsloser Fall bin. Im Schnellzug nach Basel nur wenige Blicke. Am Bahnhof SBB wartete bereits der ICE am selben Bahnsteig gegenüber. Ein Gepäckfritze blickte etwas erstaunt, als ich aus einem Zug sprang, den Bahnsteig überquerte und im anderen wieder verschwand. Und zufällig fand ich auch gleich einen Sitzplatz. Kaum Reaktionen der Passagiere.

Dann setzte sich der Zug in Bewegung, um nach kurzer Fahrt am Badischen Bahnhof abermals zu halten. Hier stiegen etliche Leute zu, Deutsche. Diese schauten schon erstaunter. Ich glaubte zu hören, wie einer sagte: "Der fährt sicher zum Frankfurter Flughafen und fliegt nach Australien, da ist Sommer!" Wieder fuhr der Zug an, dann Paßkontrolle! Es wurden aber alle kontrolliert, nicht nur verdächtige Leute wie Barfüßer und wie "Südländer" aussehende Personen. Keine Reaktion auf meine nackten Füße. Auch der Schaffner sagte nichts, ich besaß ja eine gültige Fahrkarte.

Meine Reise im ICE war bereits in Karlsruhe zu Ende. Ich wollte nämlich nicht die schnelle Tunnelstrecke, sondern die wesentlich schönere Rheinstrecke benutzen. Da ich in Karlsruhe etwa 20 Minuten auf den Anschluß warten mußte, hielt ich mich nicht nur auf dem Bahnsteig auf, sondern betrat auch den Bahnhofsvorplatz. Gemäß Forum soll ja Karlsruhe eine Stadt sein, wo Barfußlaufen nicht unüblich ist, sogar im Winter. Den Eindruck hatte ich aber gar nicht. Obwohl die Sonne schien und die Temperatur über 10°C war, gab es etliche Bemerkungen, z.B. "der Sommer ist vorbei", "dem hat man die Schuhe geklaut", "der ist mit dem falschen Zug gefahren". Aber über derartige Bemerkungen kann ich nur schmunzeln. Am meisten verdrehten ein paar Schwarze die Augen. Kamen die etwa aus dem "Busch", wo nur schwarze barfuß laufen (müssen), während das Schuhe tragen ein "Privileg" der Weißen sei. Total verkehrte Welt!

Ein Intercity brachte mich über Heidelberg, Mannheim, Mainz und Bonn nach Köln, wo ich kurz vor 15 Uhr ankam. Kurz vor Bonn war die Sonne durchgebrochen, während es zwischen Bruchsal und Andernach mehr nach Regen aussah. Am Kölner Hauptbahnhof war die Reaktion der auf den Bahnsteigen und in der Bahnhofshalle anwesenden Personen noch heftiger als in Karlsruhe. Die werden sich noch wundern. Ich besorgte mir eine Tageskarte 1b und schritt die Treppe hinunter zur U-Bahn. Ich fuhr zum Neumarkt, kam wieder an die Oberfläche und benutzte die Tramlinie 7 nach Zündorf. Ein schönes Waldstück in der Nähe der Haltestelle, von der die sonntägliche Barfußwanderung starten sollte, brachte schon Vorfreude auf. Sollte ich dort etwa auch zum Übernachten im Schlafsack dorthin fahren. Würde sich doch anbieten. Als ich die Bahn in Zündorf verließ, lästerten ein paar Jugendliche über meine "falsche" Aufmachung, das übliche.

Ich fuhr zurück mit der 7, diesmal über das Stadtzentrum hinaus. Da ich auf dem Stadtplan gerade auf dieser Tramlinie einige Grünflächen gesehen hatte, die sich als theoretisch als Schlafplatz eignen könnten, benutzte ich diese. An der Haltestelle "Universitätsstraße" sah ich eine linkerseits Grünfläche mit See, könnte sich eignen. An der Haltestelle "Melaten" sollte rechterseits eine Grünfläche sein. War da tatsächlich hinter einer Mauer und schmiedeeisernen Toren, jedoch war dieses ein Ort, an den früher oder später jeder einer hinkommt (und zwar mit einer Zeremonie, bei der selbst die härtesten Barfüßer nur mit geschlossenen Schuhen und sogar Socken beiwohnen). Und solchen Ort wollte ich nicht barfuß aufsuchen, um dort zu übernachten. Bei der Haltestelle "Stüttgenhof" war wieder ein Waldstück. Ich fuhr noch mit derselben Bahn bis "Haus Vorst", dann mit der nächsten Bahn zurück. Weshalb? Die nächste Station befand sich bereits auf dem Stadtgebiet von Frechen, bis dorthin reichte meine Fahrkarte nicht. Zwar stört es mich nicht, mit schwarzen Fußsohlen Bahn zu fahren, aber ich wollte nicht als Schwarzfahrer in die Geschichte der Kölner Verkehrsbetriebe eingehen.

An der Universitätsstraße verließ ich das Tram, um das Grüngebiet eigenfüßig zu erschließen. Angenehm war es, auf dem kühlen Gras zu gehen, auch der Berg war angenehm. Jawohl, ein idealer Schlafplatz. Auf dem anderen Seeufer war ein weiterer Berg. Obwohl die Wege eigentlich für Autos gesperrt sind, fuhr dort tatsächlich ein Auto. Und ausgerechnet mit Leuten, die am wenigsten Verständnis dafür haben, wenn andere dort Auto fahren, Polizisten! Ein schlechtes Vorbild! Da sie weit entfernt waren, konnten sie meine Barfüßigkeit nicht sehen, solange ich die Füße nicht allzu hoch hob. Da hier einige Jogger in kurzen Hosen rumrannten, würde ich mit der übrigen Kleidung auch nicht auffallen. Meine Theorie erwies sich als richtig. Ich ging zurück zu einer Tramhaltestelle und fuhr noch kreuz und quer durch die Stadt, ich wollte die Tageskarte ausnutzen. Einmal wurde ich von zwei älteren Frauen angesprochen, sie hätten noch nie einen Menschen in der Straßenbahn ohne Schuhe gesehen, und jetzt ausgerechnet Ende Oktober. Ich sagte ihnen, daß ich am Tag danach eine organisierte Barfußwanderung mitmachen würde, und dazu würde ich schon üben. Insgesamt sahen sie das ganze aber positiv.

Es würde zu weit führen, wenn ich hier alle Linien aufzählen würde, nur eines noch: Per Zufall gelangte ich auch zum Trammuseum Thielenbruch http://www.kvb-koeln.de/german/unternehmen/museum/#top. Sicher ein Ort, den man auch ideal barfuß aufsuchen könnte. Aber nicht jetzt, das Museum hatte geschlossen. Gegen 20 Uhr war ich wieder in der Kölner Innenstadt, ein barfüßiger Stadtbummel stand bevor.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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