Barfuß durch Köln - mein erstes Barfußtreffen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 02.11.2004, 13:43 (vor 7270 Tagen)

Sonntag, 31.10.2004. Das erste Mal in meinem Leben wollte ich an einer geführten Barfußwanderung teilnehmen. Bisher war ich meistens alleine barfuß unterwegs oder höchstens zu zweit. Und jetzt, an diesem bewölktem, jedoch trockenem und für die Jahreszeit gar nicht einmal kaltem Tag wollte ich doch einmal sehen, daß hinter den Personen, die ich bisher nur in "elektronischer Form" kannte, sondern "richtige" Menschen aus Fleisch und Blut. Ich streifte noch einmal über den Antiquitätenmarkt direkt an der Straßenbahnhaltestelle "Neumarkt" im Kölner Stadtzentrum. Auf dem Markt sah ich tatsächlich einen Herrn, der lediglich Sandalen an den unbesockten Füßen trug. War es etwa ein Teilnehmer, der sich hier auf dem Markt noch nicht traute sich der Schuhe zu entledigen? Sollte ich ihn darauf ansprechen? Oder war es Zufall? Da ich selber "ganz" barfuß war und ich meine Barfüßigkeit ziemlich weit gegen oben verlängert hatte und im Gegensatz zu den meisten Marktbesuchern auch sonst nicht "übermäßig winterlich" gekleidet war (eine Jacke hatte ich im Gegensatz zu Schuhen im Gepäck, ich war also ein "unechter Nichtjackenträger"), hätte er sicher irgendwie reagiert. Aber nichts geschah. Als ich die Tramlinie 7 Richtung Zündorf bestieg, sah ich mich nach anderen Barfüßern um. Aber alle anderen Fahrgäste waren fett beschuht.

An der Haltestelle "Westhoven, Kölner Straße" verließ ich als einziger die Straßenbahn. Ich marschierte in die Richtung, wo ich den Treffpunkt an der ehemaligen belgischen Kaserne vermutete. War ich richtig? Warteten die anderen schon? Ein Auto mit Siegburger Kennzeichen, war das ein Teilnehmer? Die Fahrertür stand offen, unter der Tür ragten Schuhe hervor. Als der Fahrer mich sah, verzog er sein Gesicht und verschloß die Tür. Also doch keiner! Ein paar Meter weiter sah ich wieder ein paar abgestellte Autos, Leute standen davor. Ein Blick gegen unten: Ja, da war ich richtig. Und auch sie registrierten mich, und wußten gleich, wer ich war, obwohl sie mich noch nie gesehen haben. Vermutlich nach dem "Ausschlußverfahren"; die anderen Teilnehmer kannten sich gegenseitig, also kann der unbekannte Barfüßer nur ich sein. Vor den Autos warteten bereits Barfußjan, Ralf (BN), Elisabeth und Michael (BN). Neben einigen Autos, die hier am Parkplatz vorbeifuhren hielt auch einer mit Mülheimer Kennzeichen an, es war Andy (MH). Er war übrigens der einzige Teilnehmer, der die "Fußbekleidung" wechselte. Nein! Er entledigte sich nicht etwa seiner Schuhe, sondern nur seiner "Glockenbändiger". Ich kenne mich mit der Nomenklatur derartiger Dinge nicht aus, man möge mich verbessern. Von nun ab war konnte sich keine Schlange, keine Eidechse, kein Frosch beschweren, daß die "bösen Menschen" lautlos ihr Revier unsicher machen (normalerweise werden die kleinen Tiere ja durch knarrendes Leder gewarnt). Nur schade, daß der Klang der Glöckchen nicht mit dem wunderschönen Klang der Kölner Domglocken mithalten können. Andy, Du nimmst mir diesen Vergleich sicher nicht übel.

Dann kam auch Georg angefahren, aber nicht allein, er brachte auch noch weitere Leute mit: Ute, sowie Eva mit ihrem Mann und Sohn. Der kleine Thilo genoß das Privileg, immer getragen oder im Kinderwagen gefahren zu werden. Privileg? Die Temperatur war leider nicht so hoch, daß man kleine Kinder barfuß im Kinderwagen mitnehmen kann. Da Thilo aber vernünftige Eltern hat, blieb ihm das Schicksal von Tragen steifer Lederschuhe erspart. Dann aber ging die Wanderung los. Über feuchte Graswege begaben wir uns Richtung Rhein. Wir erreichten ihn in der Autobahnbrücke, die Porz mit Rodenkirchen verbindet. Gerade hier war bis vor etwa 30 Jahren auch die Grenze der Stadt Köln mit der damals selbstständigen Stadt Porz bzw. der Gemeinde Rodenkirchen (erst durch diese Eingemeindung wurde Köln zur "richtigen" Großstadt). Und gerade hier trafen wir auch den letzten noch fehlenden Teilnehmer der Wanderung, Rainer (DO). Er stand im Rheinwasser und wartete auch uns.

Weiter wanderten wir über die Poller Wiesen, unter der Südbrücke (Eisenbahn) hindurch in Richtung bis zum Hafenbecken. Auf diesem Stück stellte sich heraus, daß Georgs Theorie, daß es bei Wanderungen verkehrt sei, daß die schnellen Teilnehmer anhalten und dann auf die langsameren warten, in diesem Fall nicht zutraf. Georg hatte nämlich die Rechnung ohne den Kinderwagen gemacht. Zumindest kam es so, daß Rainer und ich immer gerade aus gingen und die anderen zurück blieben. Oder lag es daran, daß Rainer und ich die einzigen Teilnehmer waren, die nicht durch lange Hosen in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren? Wie dem auch sei: Wir warteten irgendwann und verhinderten dadurch, daß sich die barfüßige Gruppe zwischen der Severinsbrücke und der Oberkasseler Brücke verteilte.

Der Weg über die Wiesen war angenehm begehbar. Man sah zwar einige erstaunte Blicke von Wanderern und Radfahrern, aber keine bösen Kommentare. Je kultivierter es wurde, desto mehr erstaunte Gesichter gab es. Ein erster "Höhepunkt des Erstaunens" war, als wir nach Überqueren der Drehbrücke und Unterqueren der Severinsbrücke am Gelände mit dem Herbstvolksfest vorbeigingen. Von hier, am Fuße der Deutzer Brücke, hatten wir auch einen herrlichen Blick auf die Kölner Altstadt mit dem gotischen Dom, der im zweiten Weltkrieg im Gegensatz romanischen Kirchen, die ihn wie einen Kranz umgeben und unter denen die Kirche "Groß St. Martin" besonders gut zu sehen war, nicht zerstört wurde. Weniger barfußfreundlich war das Stück zwischen der Deutzer Brücke und der Hohenzollernbrücke (heute sechsspurige Eisenbahnbrücke mit Fußgänger- und Radfahrersteg, vor der Zerstörung durch deutsche Truppen gegen Ende des 2. Weltkrieges auch eine Straßen und Straßenbahnbrücke), da hier die mehr Glasscherben lagen als sonst wo und außerdem die Schausteller hier ihre Wagen abgestellt hatten. Trotzdem hatte man auch hier einen herrlichen Überblick auf den Rhein mit den Schiffen und der gegenüber liegenden Altstadt. Wie mag es wohl zu der Zeit ausgesehen haben, als noch die Rheinuferbahn, die heute als Tramlinie 16 zwischen Bad Godesberg und Niehl verkehrt, dort noch ihren Endpunkt hatte? Und wie mag sich der Boden damals unter den nackten Füßen angefühlt haben? Ich werde es nie herausbekommen!

Hinter der Hohenzollernbrücke kamen wir am Messegelände vorbei in den Rheinpark. Obwohl wir auch hier die einzigen Nacktfüßler weit und breit waren, fielen wir hier weniger auf. Vielleicht liegt es daran, daß hier wohl zumindest im Sommer etliche Leute barfuß laufen, weil sie es "dürfen". Ich genoß es, ausgerechnet auf dem Trassee der Parkbahn zu wandern. Kein ganz ungefährliches Unterfangen, denn die Parkbahn verkehrte tatsächlich noch. Es kam tatsächlich ein, wenn auch schwach besetzter Zug, so daß ich das Gleis räumen mußte. So blieb uns nichts anderes übrig, als an einem unbeschrankten Bahnübergang die Durchfahrt des Zuges abzuwarten, so wie die Straßenverkehrsordnung es verlangt. Ob uns einige der Fahrgäste glaubten, daß die Leute, die bei diesem Wetter bloßfüßig durch den Park gingen, beschrÄnkt waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumindest brachten wir mehr als einen Kopf zum Schütteln. Wir verließen den Park über eine geschwungene Fußgängerbrücke, die ein Hafenbecken überquert, gingen dann unter der Mülheimer Brücke hindurch zu zwei "handtuchartigen" Häusern, die den Krieg überstanden haben. Dann hieß es Abschied nehmen von Vater Rhein. Über angenehm barfuß zu begehendes Kopfsteinpflaster spazierten wir durch die Mülheimer Altstadt. Wenn man heute dort durchgeht, dann glaubt man nicht, daß Mülheim vor gut 100 Jahren zu Köln eingemeindet wurde, sondern zu Konstantinopel. Speziell die Keupstraße verdient den Namen "Klein-Istanbul". Ich hatte den Eindruck, als ob die Türken komischer dreinschauen beim Anblick barfüßiger Menschen, aber sie sprechen einen nicht direkt an. Dagegen konnte man im saubersten Kölsch (oder sprachen sie Mülheimer Dialekt?) einige Bemerkungen älterer Ureinwohner hören, etwa: "ohne Schööh anne Föös" (für eine korrekte Rechtschreibung übernehme ich als geborener Norddeutscher und Wahlschweizer keine Garantie).

Wir erreichten den Mülheimer Bahnhof, von wo sich Rainer von uns trennte, er benutzte den Zug Richtung Dortmund, während wir nach Deutz mußten. Am Deutzer Bahnhof trennte sich auch Ute von uns, der Rest mußte noch zu den Autos zurück. Obwohl ich eigentlich nicht zu den Autos mußte, ging auch ich noch weiter mit. Zunächst gingen wir zu Fuß vom Deutzer Bahnhof zur Straßenbahnhaltestelle "Deutzer Freiheit". Da es schon später wurde, wurden die erstaunten Blicke immer mehr. Zunächst waren da zwei aufgedonnerte junge "Damen", die mit ihren fetten Stiefeln mehr schlecht als recht auf dem Weg zurechtkamen. Sie lästerten über uns, und wir lästerten über die. Das Thema "Waffenscheinpflicht für derartige Schuhe" wurde angerissen. Interessant zu beobachten war auch, wie das Tram der Linie 7 über die Deutzer Brücke kam, dann nach einer scharfen Rechtskurve in die Haltestelle einfuhr. Während die Bahn an uns vorbeifuhren, blickten die Fahrgäste an den Fenstern wie auf Kommando nach unten. Seit dem Zeitpunkt, wo es Straßenbahnen gibt, taten wohl nie derart viele Menschen die gleichzeitig gleiche Kopfbewegung! Und diese "Spinner" wagten es auch noch, in diesem Zustand das Tram zu benutzen. So was tut man doch nicht! Bei der Gelegenheit möchte ich nicht verschweigen, daß Andy bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sein "Geläut" abgestellt hat. Nun gab die Straßenbahn den (Klingel)ton an. Nach etwa 15minütiger Fahrt verließen wir das Tram und gingen zum Parkplatz. Nun hieß es Abschied nehmen voneinander. Ein jeder bestieg das Auto, mit dem er gekommen war, und ich ging zurück zur Straßenbahn.

Ein Barfußtreffen ging zu Ende. Dafür kann ich Georg nur danken für die Organisation und für die interessanten Erklärungen über die Stadt Köln. Aber auch die anderen Teilnehmer waren ein Beweis dafür, daß sich hinter den Forumsteilnehmern in Wirklichkeit keine Bits und Bytes verbergen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die MINDESTENS eines gemeinsam haben: Die Freude am Barfußlaufen. Es war mein erstes Barfußtreffen, aber hoffentlich nicht mein letztes. Die Anreise aus der Schweiz hat sich sicher gelohnt. Ein Barfußtreffen ging zu Ende, aber nicht mein barfüßiger Aufenthalt in Köln.

Schöne Grüße bei jetzt trübem Wetter

Michael aus Zofingen


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