Barfuß im Swiss Miniatur in Melide (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 04.10.2004, 13:33 (vor 7299 Tagen)

Am vergangenen Wochenende (2.-10.-3.10. 2004) hatte ich mal wieder das Tessin unsicher gemacht. Nach überstandener Polizeikontrolle (ich berichtete) öffnete pünktlich um 9 Uhr der Park "Swiss Miniatur" http://www.swissminiatur.ch/ie/index.asp in Melide. Ein junges Paar aus dem Kanton Bern wartete bereits an der Kasse, dann kam ich dran. Die Kassiererin schien meine Barfüßigkeit nicht zu bemerken. Auch vom übrigen Personal sprach mich keiner darauf an. Kann man auch erwarten. Denn für 12 Franken Eintritt ist es sicher nicht zu viel verlangt, sich mit einer gewissen "Freiheit" auf dem Gelände zu bewegen. Ein einziger Grund gegen barfuß könnte derjenige sein, daß nicht überall angenehm begehbare Platten verlegt sind, sondern recht rauher Asphalt. Die Gefahr, daß ein weniger geübter dann den Weg verläßt und die Grasflächen betritt oder die Füße im Wasser kühlt, ist vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn das Verlassen der Wege ist verboten. Berechtigt, denn man könnte sonst den Gebäudemodellen und den fahrenden Eisenbahnen zu nahe kommen und diese beschädigen oder sich daran verletzen. Da ich der einzige Barfüßer war und mich ordentlich verhielt, andererseits auch keine Nachahmer fand (dabei trugen 2 Mädchen nur Flipflops, sie hätten sie ohne Schwierigkeiten ausziehen können), gab es keinen Ärger. Die meisten Besucher interessierte meine Barfüßigkeit überhaupt nicht, gelegentlich ein erstaunter Kinderblick, dann vielleicht mal eine Bemerkung wie "das ist gesund" vernahm ich kaum etwas. Ich verstand übrigens das meiste, da die meisten Besucher nicht italienisch, sondern schweizerdeutsch oder "richtiges" deutsch sprachen.

Spricht sonst etwas dafür, diesen Park barfuß zu betreten? Gewiß! Swiss Miniatur stellt, wie der Name schon sagt, bedeutende Bauwerke der Schweiz im Kleinmaßstab dar. Da die Schweiz ein Eisenbahnland ist, dürfen Eisenbahnen auch nicht fehlen, sie sorgen für Bewegung. Aber auch Schiffsmodelle fahren in den Wasserläufen, Autos auf der Autobahn, Helikopter geraten ins Rotieren. Und da die Schweiz bekanntlich ein Land ist, in dem das Barfußlaufen "nicht unüblich" ist, sollte es in der "kleinen Schweiz" sicher ähnlich sein. Stimmt das? Unter den Gästen war ich der einzige ohne Schuhe, in Sandalen ohne Socken kamen einige, häufig in Familien einheitlich, egal ob Vater, Mutter, Sohn oder Tochter, häufig kombiniert mit Jeans und Wollpullover. Mit zunehmendem Sonnenstand wurde die Kleidung leichter. Wie aber sieht es mit den Menschenfiguren aus, die zwischen den Gebäuden stehen? Daß vor der "Freiburger Kathedrale", aus der Orgelmusik ertönte, Pfarrer und Kirchenbesucher beschuht waren, überrascht nicht (ein barfüßiges "Krokodil" saß vor dem Portal und schien andächtig dem Georgel zuzuhören anstatt, erst beim genaueren Hinsehen erkannte man, daß es sich um kein Modell handelte, sondern um eine lebendige Eidechse, die sich ausgerechnet vor der Kirche sonnte). Auch neben Bobbahnen erwartet man wohl keine barfüßigen Figuren. Barfüßer auf irgendeinem "Bauernhof"? Fehlanzeige! Barfüßer vor irgendeinem Schloß? Fehlanzeige! Barfüßer auf einem "Bahnhof"? Fehlanzeige. Dann die "Hauptstraße von Appenzell". Kühe mit Glocken, beschuhte Leute in Trachten, aber keine Barfüßer. Dann das "Zofinger Rathaus" http://www.swissminiatur.ch/ie/model.asp?ID=7. Nicht einmal dort ein barfüßiger Radfahrer, traurig, traurig traurig! Stattdessen erstaunlich viele Frauenfiguren mit Miniröcken (oder Hot Pants?) und leichter Oberbekleidung, Männerfiguren dagegen "ordentlich" mit langen Hosen und langärmeliger Oberbekleidung. Offensichtlich die Kleidung, als es modern war, im VW Käfer zu reisen (ein Güterzug transportierte ausschließlich VW Käfer mit kleiner Heckscheibe, das waren noch Zeiten!). Bis heute hat sich daran nicht allzu viel geändert, Frauen dürfen sich in Sachen Kleidung ungestraft mehr Freizügigkeit erlauben, Andi klagt ja nicht selten über diesen traurigen Zustand. Und die Modellschweiz macht das noch vor!
Ein Lichtblick aber auch hier. Das ERSTE Gebäude der Anlage stellt das "Altdorfer Turm" dar, davor ein Vater und sein Sohn. Der Sohn läuft barfuß, der Vater trägt wenigstens kurze Hosen. Sie unterscheiden sich von den übrigen Figuren dadurch, daß sie einmal größer sind und zum anderen befinden sie sich nicht auf dem Boden, sondern auf dem Denkmalsockel. Wer kennt sie nicht, die beiden Urschweizer, Wilhelm Tell und sein Sohn Walter! Danke Willi! Danke Walter! Ihr habt die Ehre der Schweiz gerettet! Bereits vor mehr als 800 Jahren habt Ihr erkannt, was Sache ist! Oder soll man die Angelegenheit, daß Ihr auf dem Sockel steht, so interpretieren, daß Ihr Euch nicht auf dem Boden der Tatsachen befindet?

Trotz alledem kann ich den Besuch im Swiss Miniatur nur empfehlen. Speziell für Kinder gibt es dort auch allerhand Spielmöglichkeiten. Und welches Kind mag das nicht? Und am besten barfuß!

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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