Barfuß bei der "Römerbrücke" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 27.09.2004, 09:31 (vor 7307 Tagen)

Es war Samstag, der 25.9.2004. Ich war mit der Bahn bis Locarno gefahren und am Flußufer Richtung Intragna gewandert. Und alles "selbstverständlich" barfuß, die Schuhe hatte ich gleich zu Hause in Zofingen gelassen. Ich verließ das Flußufer und begab mich nach Intragna, das wie eine Festungsstadt über der Landschaft thront, wozu der über 60 m hohe Campanile einen erheblichen Teil beiträgt. Vor einem Bahnübergang mußte ich warten, ein moderner Zug der schweizerischen FART fuhr relativ leise und langsam vorbei, der Bahnhof war nahe. Der Triebwagenführer registrierte meine Barfüßigkeit nicht, wohl aber einige Fahrgäste. Kaum waren die Schranken wieder hoch, so daß ich passieren konnte, da gingen sie wieder runter, weil ein vorsintflutlicher Gegenzug der italienischen Schwesterbahn SSIF laut quietschend um die Kurve fuhr und ratternd die filigrane Eisenbahnbrücke über den Isorno-Fluß überquerte. Diesmal schaute der Triebwagenführer seltsam auf meine Füße. Liegt es daran, daß Barfüßer einem Italiener ungewöhnlicher vorkommen als einem Schweizer? Die Gassen Intragnas bestehen aus Kopfsteinpflaster, vielfach ist aber in der Mitte eine Platte eingelassen, so daß man schmerzlos vorankommt. Weniger schmerzfrei war jedoch der Weg hinab zur "Ponte Romano". Er war steinig, und obendrein waren auch noch Maronis auf den Weg gefallen. Während man die frisch gefallene Maronis noch schmerzfrei mit dem Fuß zur Seite kicken konnte, um sich eine Trittfläche zu verschaffen, waren die Stacheln der alten "Igel", die von fett beschuhten Zeitgenossen auf dem Boden festgetreten waren, weniger angenehm. Etwa fünfmal mußte ich einen Stachel ziehen. Einige Wanderer schauten etwas erstaunt, aber alle grüßten (auf Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch). Ein Deutscher meinte: "Barfuß, das ist aber schwierig. Da braucht man Hornhaut". Dafür wurde ich aber entschädigt, als ich mich auf den Felsen unterhalb der Brücke aufhalten konnte. Dann aber mußte ich wieder zurück nach Intragna, wieder ging ich durch die Gassen des Städtchens, machte auch einen Umweg. Wegen einer Baustelle war die Benutzung einer Treppe etwas umständlich. Eine junge Frau trug zwei Körbe mit Weintrauben, wegen der beengten Verhältnisse mußte sie hier die Körbe einzeln tragen. Sie lächelte freundlich, als ich mich die Treppe hinuntertastete. Als ich beim Restaurant neben der Kirche vorbeikam, schauten einige Gäste etwas erstaunt. Ich ging am Bahnhof vorbei und wieder hinunter ans Flußufer, wo eine Sandfläche war. Drei Kinder sprangen immer von einem großen Stein in den Sand, ein Mädchen war barfuß, ein weiteres Mädchen und eine Junge trugen Schuhe. Alle waren mit langärmeligem Pullover und langen Jeans deutlich winterlicher angezogen als ich. Ich hielt sie für Geschwister, weil sie so einträchtig miteinander spielten. Das war aber nur bedingt der Fall. Etwas davon entfernt saß ein beschuhtes Elternpaar, an einer anderen Stelle ein barfüßiger Vater. Wer zu wem gehörte, dürfte wohl klar sein. Während die Schuhträger hochdeutsch sprachen, sprachen die Barfüßer schweizerdeutsch, soll das die Tatsache wiederspiegeln, daß in der Schweiz das Barfußlaufen weniger unüblich ist als in Deutschland. Ich verstehe zwar schweizerdeutsch, bin aber nicht in der Lage, die einzelnen Dialekte zu erkennen. Also kann ich nicht sagen, ob sie aus den "Barfußhochburgen" Appenzell, Innerschweiz oder Emmental stammen oder eher aus anderen Regionen. Die Deutschen verließen zuerst den Platz, später zog der Schweizer Vater seine Schuhe an, versorgte die Spielsachen seiner Tochter in einer Tasche, und unaufgefordert auch Schuhe und Strümpfe des Töchterleins. Dann gingen auch sie weiter, während ich in eine andere Richtung gehen mußte. Die Tochter fragte noch: "Papi, wieso ziehst du eigentlich Schuhe an, der Mann läuft doch auch barfuß!"

Der Uferweg war anfangs gar nicht schön, dann konnte ich aber auf den Sportplatz von Golino ausweichen. Dort, wo der Sportplatz zu Ende war und ich wieder auf den Weg mußte, unterhielten sich gerade zwei Ehepaare mit Hunden - auf Schweizerdetusch. Eine Frau sagte: "Das ist aber mühsam, haben Sie denn keine Schuhe?" "Doch", antwortete ich; "und zwar dort wo sie hingehören, zu Hause!" Die Frau schüttelt mitleidig den Kopf. Der Weg führte an einem Campingplatz vorbei. Ein kleiner Junge lief dort barfuß, die Eltern zogen es vor, sockenlos in Sandalen herumzulaufen, die Frau ansonsten dick vermummt, der Mann nur in T-Shirt und kurzen Hosen. Der Weg wurde immer besser barfuß begehbar. Am Zusammenfluß von Melazzo und Maggia machte ich eine Pause. Die Sonne verschwand hinter den Bäumen, es wurde rasch kühler, ich mußte ein T-Shirt überziehen. Ich hatte noch eine Strecke durch Gras und Sand vor mir. Hier überholten mich Jogger bzw. kamen mir entgegen, allesamt beschuht. Das Gras kam mir irgendwie kalt vor, aber nicht unangenehm. Dann war auch dieses Stück vorbei, die Straße hatte mich wieder. Ich betrachtete meine Füße: Die wenigen Maronistacheln haben keinerlei Schaden angerichtet, ansonsten waren sie dank des Sandes leicht angestaubt, aber die Fußsohlen waren nicht schwarz.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

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