Hi Ulrich!

Vielen Dank für den Hinweis auf die Fernsehsendung Robinson & Co über Tütü, die ich heute im MDR gesehen habe. Ich muss sagen, dass diese Frau großartig ist und durchaus ein Vorbild sein kann. Ich glaube es würde auch sehr gut zu ihr passen, wenn sie IMMER barfuss wäre, was sie aber nicht ist. Sie war auch mit verschiedenen Schuhen zu sehen, was möglicherweise an niedrigen Temperaturen lag. Sie wirkte ja auch recht warm gekleidet. Im Sommer geht sie vermutlich stets barfuss. Auch das sie sich offensichtlich ohne Schuhe an die Straße stellt um zu trampen finde ich prima.

Ich habe sie ebenfalls schon zwei- oder dreimal im Fernsehen gesehen und bin ihr einmal sogar wirklich begegnet, und zwar auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin im Jahre 2003. Sie ist eine sehr beeindrukkende und aufgeschlossene Frau, mit der man über vieles reden kann. Ihr Hauptanliegen ist es, ohne Geld zu leben.

Ihr Leben wäre allerdings doch nichts für mich. Immer ohne Geld, auf Geschenke anderer angewiesen zu sein, in Wäldern und auf Wiesen nach Früchten und Kräutern zu suchen, um sich zu ernähren, selbst Wolle zu spinnen, um für sich Kleidung herzustellen... Woher nahm sie eigentlich die Wolle? Hat sie Schafe?

Was man gerade um diese Jahreszeit auf den Wiesen und Feldern und in den Wäldern findet, ist oft schmackhaft. Heute habe ich binnen einer halben Stunde auf einer Wiese eine große Tüte voller frischer Walnüsse zusammengeklaubt, die mir in den nächsten Tagen gut schmekken werden. Im Oktober werde ich Eßkastanien sammeln (dafür brauche ich freilich einen ganzen Tag). Wer sich mit Pilzen auskennt, kann auch diese sammeln. Das Büro, in dem ich arbeite, ist ziemlich ländlich gelegen, und es liegt jede Menge Fallobst herum, das ich verschmähe, aber wenn ich so lebte wie tütü, würde ich auch dieses aufklauben. Ob tütü Schafe besitzt, weiß ich nicht, aber es ist durchaus möglich. Daß sie in der heutigen Zeit aus freien Stükken radikal ohne Geld lebt, finde ich bewundernswert und vorbildlich. Da ist es wirklich ein Jammer, daß sie nicht auch radikalen Schhverzicht übt, denn anders als die meisten von uns braucht sie keine gesellschaftlichen Rücksichten zu nehmen. Von der Gier nach Geld befreit, hat sie sehr viele andere Freiheiten gefunden, um die man sie durchaus beneiden kann.

Nein, das wäre nichts für mich! Auf einen gewissen Luxus, wie leckeres Essen, möchte ich nicht verzichten. Mir ist auch nicht klar geworden, in was für einem Haus sie da wohnt. Gehört es ihr? Oder wird sie dort nur geduldet? Ihr Freund in Mecklenburg-Vorpommern bekam sein Grundstück geschenkt! Wo finde ich jemanden der Grundstücke verschenkt??

Wenn Du Dich für einen radikal alternativen Lebensstil entscheiden kannst (ich kann es nicht), findest Du vielleicht auch jemanden, der Dir ein Grundstück schenkt. Wenn Dir freilich auf einen gewissen Luxus, wie lekkeres Essen, nicht verzichten kannst, wirst Du schwerlich solche Gönner finden. Ich möchte auch nicht auf lekkeres Essen verzichten und hole mir meine Nahrung üblicherweise nicht auf der Wiese (die Walnüsse und Eßkastanien sind insoweit eine Ausnahme), sondern im Supermarkt. Ich hielte es wohl auch nicht aus, mich allermeist von Nüssen, Fallobst und Kräutern zu ernähren.

Kann man überhaupt wirklich ganz ohne Geld auskommen? Was ist wenn sie mal krank wird? Ist sie krankenversichert oder hofft sie das im Krankheitsfall das Sozialamt zahlt? Oder legt sie vielleicht gar keinen Wert auf ein langes Leben??

Sie ist nicht krankenversichert und nimmt für sich selbst niemals Geld, sondern nur Sachspenden und Dienstleistungen entgegen. Brot würde sie aus deiner Hand entgegennehmen, Geld aber nur, um es jemand anderem zu schenken.

Eine Zeit lang könnte so ein Aussteigerleben sicher sehr schön sein, doch auf Dauer hätte ich da größte Bedenken. Was geschieht wenn sie von ihrem Freund ein Kind bekäme? Spätestens wenn es in die Schule müsste wären die Probleme vorprogrammiert. Selbstgemachte Kleidung würde das Kind zum Außenseiter werden lassen, fehlende Schuhe wahrscheinlich ebenfalls, es würde von den Mitschülern gehänselt und ausgeschlossen werden. Außerdem muss für Schulmaterial gesorgt werden, ohne Geld ginge das nicht. Der Weg zum Sozialamt wäre unvermeidlich. Es wäre aber auch nicht einzusehen, warum die Allgemeinheit dann aufkommen müsste für Leute die glauben nicht Arbeiten zu müssen, weil sie kein Geld brauchen.

Darnach, was geschähe, wenn sie ein Kind bekäme, habe ich sie nicht gefragt, als ich ihr begegenet bin. Sie hat mir aber gesagt, daß sie ihr ganzes Leben ohne Geld auskommen und so lange wie möglich für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen will. So jemand belastet die öffentlichen Kassen sicherlich weitaus weniger als die vielen Bettler in unseren Städten, die oft nicht auf ein Stück Brot, sondern auf Geld für Schnaps aus sind (und auch nicht barfuß gehen).

Um ihre Freizeit ist Tütü zu beneiden. Aber ist es wirklich freie Zeit, wenn sie stundenlang nach Kräutern sucht, um sich zu ernähren?

Nüsse oder Kastanien aufzuklauben, ist eine sehr meditative Tätigkeit, bei der die Zeit sehr schnell vergeht. Tütü hat mir gesagt, daß sie noch nie Hunger gelitten hat. Wenn sie draußen nichts finden konnte, wurde sie auch schon mal eingeladen, und außerdem trampt sie öfters und kommt daher viel herum. Zudem ist sie ja inzwischen für ihren Lebensstil berühmt, und auch das dürfte ihre Überlebenschancen erhöhen.

Sie sollte vielleicht auch Kräuter die sie findet oder Produkte aus ihrem Garten verkaufen, um wenigstens ein Minimum an Geld zu verdienen. Dann wären alle Probleme lösbar und ihr einfaches Leben tatsächlich beneidenswert.

Sie ist nicht zu ihrem Lebensstil gezwungen worden, sondern hat sich ihn selbst ausgesucht,und der Clou besteht ja gerade darin, daß sie völlig ohne Geld leben will. Sie macht auch keinen problembeladenen, sondern einen sehr fröhlichen Eindruck.

Barfuß Walnüsse essend,
Markus U.