Zürich im Spätsommer (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 20.09.2004, 12:30 (vor 7313 Tagen)

Samstag, 18.9.2004, ca. 7 Uhr. Was benötigt man, wenn man vorhat, das Wochenende im Raum Zürich zu verbringen? Gewiß! Ein Vehikel, um dorthin zu kommen, z. B. ein Fahrrad. Eine Möglichkeit, die Nacht zu verbringen, z.B. einen Schlafsack. Und Badekleidung, wenn man was vom noch nicht allzu kalten Wasser des Zürichsees ausnutzen zu wollen und gleichzeitig keine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Und da es morgens 7°C und neblig war, benötigte ich sogar ein T-Shirt, das mehr als nur symbolischen Charakter aufwies. Und nur im T-Shirt radelte ich auch los. Halt! Das wäre unanständig! Da ich das aber nicht bin, trug ich selbstverständlich auch eine Hose dabei. Und Schuhe? Nein! So kalt war es auch wieder nicht, mein Fahrrad ist barfußtauglich. Barfüßiges Radeln ist weder unanständig, noch ordnungswidrig und schon gar keine Straftat. Auf meiner Fahrt über Lenzburg, Bremgarten und Dietikon spürte ich, daß überall an meinem Körper Tautropfen ausmohrten, auch beschlug meine Brille im nässenden Nebel. Einige Autofahrer starrten mich an und überlegten wohl, ob sie wirklich das sahen, was sie zu sehen glaubten oder ob der Nebel etwas falsches vortäuschte. Im sehenswerten Städtchen Bremgarten unterhielten sich zwei ältere Frauen, eine sagte nur : "Nein!" Als ich mich die Steigung gegen Mutschellen hocharbeitete und mich ein Triebzug der parallel verlaufenden Bremgarten-Dietikon-Bahn überholte, schauten auch etliche Fahrgäste aus dem Fenster "nach unten".

Kaum hatte ich die Ausläufer von Zürich erreicht, kam die Sonne durch und es wurde Zeit für ein leichteres T-Shirt. Je näher ich mich dem Stadtzentrum näherte, desto weniger winterlich wurde die Kleidung der Leute. Pudelmützen und Handschuhe wurden seltener, Jogger trugen kurze statt lange Sporthosen, Jacken wurden nicht mehr zugeknöpft, sondern offen getragen, speziell bei jungen Damen, damit ja jeder sehen kann, was für einen Nabelring sie sich leisten können. Oder die Jacken wurden um die Hüften gebunden. Durch Tragen von Flipflops oder "normalen" Sandalen gönnten viele dieser Frauen ihren Zehen Luft und Licht, allerdings meistens eingeschränkt durch weite Hosen. Aber auch einige Männer trauten sich in Sandalen ohne Socken auf die Straße, meistens in Kombination mit kurzen Hosen. Und Leute ohne Schuhe? Fehlanzeige! Ich war der einzige Barfüßer, der mit dem Velo am Hauptbahnhof vorbeiradelte, am Pestalozziplatz an einem historischen Tram vorbeischob, durch die Bahnhofstraße zum Bürkliplatz schob, durch die Seefeldstraße zum Bahnhof Tiefenbrunnen, zum gleichnamigen Freibad am Zürichsee.

Hier änderte sich schlagartig das Bild, ich war nicht mehr der einzige Barfüßer. Da dieses Bad seit 15.9.2004 Winterpause hat und somit auch für Leute mit schmalem Geldbeutel zugänglich ist (ich sage absichtlich jetzt nicht: "z.B. Leute wie mich"!), gibt es hier nun einen "Mischbetrieb" aus Badegästen und Leuten, die nur mal eben hier Pause machen oder nur durchgehen. Entsprechend ist auch der Beschuhungsgrad der Leute von "null" bis "fett" in allen möglichen Zwischenstufen vorhanden. Entsprechend variabel ist auch das Verhalten. Einige Leute ziehen sogar Schuhe an, wenn sie lediglich vom Liegeplatz zum Wasser gehen, manche schwimmen sogar mit Schuhen. Dabei ist die Wiese wirklich einwandfrei barfuß begehbar! Auch das Verhalten beim Gang zum Kiosk ist unterschiedlich von den Badegästen. Einige bleiben einfach barfuß in Badekleidung (fast alle Männer und Kinder), andere zogen irgendetwas an. Sogar die Leute, die nur ein Kleidungsstück anzogen, waren in unterschiedliche Kategorien einzuordnen: Einige zogen lediglich Sandalen an (speziell ältere Frauen), andere lediglich ein T-Shirt (speziell Frauen im Alter 30-50), andere lediglich eine lange Hose (speziell junge Frauen). Jedem das Seine! Ich zählte zu keiner dieser Gruppe, da ich Verpflegung mitgenommen habe und daher nicht anstehen brauchte. Von den Nicht-Badegästen zogen einige Leute auch die Schuhe aus, auch dann, wenn sie nur eine halbe Stunde auf dem Gelände waren. Das traf für fas alle Kinder zu, auch dann, wenn sie fett beschuht waren und auch sonst wie nicht allzu sommerlich angezogen. Die Kombination barfuß - lange Hose - dicke Jacke sieht bei Temperaturen um 22°C wirklich nicht "normal" aus auf einem Freibadgelände. Auch viele Frauen, die in leicht ausziehbaren Schuhen gekommen waren, zogen Schuhe und - soweit überhaupt vorhanden - Socken bei kurzem Aufenthalt aus. Die Männer, die sich bei kurzem Aufenthalt ihrer Schuhe entledigten, waren lediglich solche, die Flipflops trugen. Alle, die mit schwerer ausziehbaren Schuhen gekommen waren, waren zu faul, sie auszuziehen, unabhängig davon, ob sie Socken trugen oder nicht. Die Leute, die kamen oder gingen, trugen in der Regel Schuhe, mit einer Ausnahme: Eine junge Frau radelte barfuß über das Gelände, ihre Schuhe (spitze "Narrenschuhe" mit hohem Absatz, hinten offen) hatte sie über die Lenkerholme gestülpt. Waren die Haltegriffe kaputt und das Metall zu kalt, so daß ihre Schuhe als Not-Haltegriffe herhalten mußten? Oder waren die Schuhe "nur" zu unbequem zum Velofahren?

Gegen 19.30 Uhr verließ ich die Badi, mir stand ein Altstadtbummel bevor. Am Sonntag war ich bereits um 9 Uhr wieder dort (kein Wunder, ich hatte ja keinen langen Anmarschweg). Aber es bezog sich, so daß ich mich entschloß, nach Hause zu fahren. Noch vor Erreichen der Quaibrücke fielen einige Tropfen. Bei der Gelegenheit möchte ich mitteilen, daß ich hier noch Barfüßerin außerhalb von Parks usw. sah. Auch sie war mit dem Fahrrad unterwegs, trug aber keine Schuhe am Lenker, sondern? Konnte ich nicht sehen, Taschen hatte sie nicht dabei. Sie war in Begleitung von 2 weiteren Leuten, die jedoch Schuhe trugen. Alle fuhren derart schnell, daß ich Mühe hatte, sie zu überholen, ohne andere Leute zu gefährden. Bei der Bellevue trennten sich unsere Wege, ich radelte parallel zur Limmat, wo mich einige Leute schief ansahen, mogelte mich durch das "Tramdurrenand" am Central und fuhr dann über Höngg, Weiningen, Wettingen, Baden, Mellingen und Lenzburg nach Hause. Der Regen hörte nach Zürich wieder auf, wurde im Raum Dättwil und Suhr jedoch wieder stärker. In der Nähe der zukünftigen S-Bahnhaltestelle Mellingen-Heitersberg zeigte mir ein Autofahrer einen Vogel, und vor Mellingen schlotterten Kinder vor Kälte als sie mich sahen. Dabei war es immerhin noch 16°C. In Suhr erwischte mich noch ein Arbeitskollege, wie ich erst heute erfuhr (er saß im Auto). Er bemängelte nicht etwa meine Barfüßigkeit, jedoch wunderte er sich, was ich hinten auf dem Gepäckträger trug. Es war mein Schlafsack!

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

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