Barfußbummel durch Bern (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 06.09.2004, 16:59 (vor 7327 Tagen)

Es war Samstag, der 4.9.2004, ca. 19.30 Uhr. Den Tag hatte ich am Badestrand der Aare beim Campingplatz Eichholz in Wabern bei Bern verbracht. Nun hatte ich mir noch vorgenommen, die äußerst sehenswerte Hauptstadt der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu erkundigen. Ich war schon häufiger in Bern, meist mit dem Velo, aber bisher immer mit Schuhen. Wenn man mich vor 2 Jahren gefragt hätte, warum ich immer Schuhe angehabt hätte, hätte ich sicher gesagt: "Barfuß in der Stadt? So was tut man nicht!" Heute sage ich: "Gute Idee, warum bin ich nicht eher drauf gekommen?" Wenn man ehrlich ist, so kann ich sagen: Ich MUSSTE auch barfuß in die Stadt, ich hatte die Schuhe nämlich in Zofingen vergessen (das war allerdings freiwillig).

Ich radelte den steilen Weg ins Ortszentrum von Wabern und folgte dem Trassee der Tramlinie 9 Richtung Hauptbahnhof. Die Menschenmassen, die sich auf den Traminseln aufhielten, schienen nicht mitzubekommen, daß ich keine Schuhe trug und auch ansonsten nicht gerade überreichlich vermummt war. Ich radelte über die Kirchenfeldbrücke, dann abwärts, wo ich am Marzilibad das Velo abstellte. Von dort ging ich Richtung Bundeshaus. In den Anlagen lästerten einige Halbstarke (Drögeler?) über meine Aufmachung. In der Unterführung des Hauptbahnhofs fiel ich dagegen weniger auf. Bei der Heiligengeistkirche http://www.picswiss.ch/Bern/BE-01-16.html, vor der ein "Penner" lag, kam ich wieder an Tageslicht (halt! Lampenlicht, es war ja schon dunkel). Es war wirklich angenehm, barfuß durch die Laubengänge der Altstadt zu spazieren, irgendwie fühlte sich das grünliche Gestein graphitartig an. Was mir auffiel: Anders als in anderen Schweizer Großstädten wurden die Fußsohlen sogar schwarz. Soweit ich mich erinnere, wurde die Berner Altstadt nach dem verheerenden Stadtbrand einheitlich in holzarmer Bauweise neu errichtet. Stammt die "Fußschwärze" etwa noch aus der Zeit des Brandes? Oder aus der Zeit, als noch dampfbetriebene Trams durch die Stadt bimmelten? Ist doch egal! Vor der Nydeggbrücke http://www.picswiss.ch/Bern/BE-01-07.html ging ich über weniger angenehmes Kopfsteinpflaster zum Aareufer. Dort begegneten mir die einzigen "echten" Barfüßer in der Stadt, es sah so aus, als hätten sie in der Aare gebadet, sie trugen nämlich nur Badehosen. Vorbei am Kraftwerk, stieg ich wieder nach oben, wobei ich die Fricktreppe benutzte. Diese gedeckte Holztreppe ist wirklich angenehm zu bebarfüßeln. Auf dem Münsterbalkon verweilte ich einige Zeit, hier mußte ich aufpassen, da hier Leute nicht sonderlich sorgfältig mit Flaschen umgingen. Gerade diese Leute betrachteten mich skeptisch. Weiter ging es zum Bärengraben, aber kein Bär war zu sehen. Also zurück zum Bahnhof. Als ich den Käfigturm http://www.picswiss.ch/Bern/BE-01-15.html unterquerte, lästerte ein Jugendlicher und hielt mir irgendeinen Zettel vors Gesicht. Noch mal durch den Bahnhof, dann zur Kirchenfeldbrücke, einmal rüber, wieder zurück, dann zum Bundeshaus, wo beim Brunnen ein Swing-Konzert stattfand. Hier waren einige Leute barfuß, jedoch mit Schuhen in Reichweite. Gegen 23 Uhr begab ich mich auf den Weg zum Velo, es ging ziemlich steil nach unten. Etwa 20 Meter vor mir gingen zwei Männer den gleichen Weg und unterhielten sich lautstark, aber nicht über mich. Ihnen schien gar nicht aufzufallen, daß ich barfuß war. Wirklich? Plötzlich drehte sich einer um und sagte: "Vorsicht! Hier liegen Scherben!" Und wirklich. Ich hatte sie zwar selber auch gesehen, aber ich bedankte mich trotzdem. Ist das typisch bernisch?

Mir hat der barfüßige Stadtbummel derart gut gefallen, daß ich ihn am Sonntag wiederholen "mußte". Also machte ich mir vom Schlafplatz im "Jordiland" auf und war gegen 7.30 Uhr in der Stadt. Mein Velo stellte ich diesmal am Bundesplatz ab. Die Strecken, die ich zurücklegte, waren ähnlich, jedoch ging ich nicht am Kraftwerk vorbei, sondern versuchte, beim Bärengraben (schon wieder keine Teddys), den Wanderweg Richtung Kirchenfeldbrücke zu benutzen. Bereits das Kopfsteinpflaster war wenig angenehm, aber der dann folgende Schotter war der Gipfel! Das muß ich wirklich nicht haben. Also entschloß ich mich, direkt den Hang hochzuklettern, dort war ein Trampelpfad, der zu einer Pumpstation(?) führt, von dort geht eine Treppe zur Straße. Weiter zum Münsterbalkon, wo es mittlerweile so heiß geworden war, daß ich mich vom T-Shirt trennen mußte. Hier lagen etliche Scherben herum. Auch die Ritzen zwischen den Pflastersteinen vor dem Münster http://www.picswiss.ch/Bern/BE-01-03.html waren voller Scherben. Aber wenn man mittig auf die Steine tritt, passiert schon nichts. Im Bahnhof fiel ich nicht weiterhin auf. Etliche waren sommerlich gekleidet, vielfach aber mit Wanderschuhen und Socken (Welchen Vorteil haben eigentlich Socken in den Wanderschuhen? Oder ist das nur eine Modeerscheinung?). Ich war übrigens nicht der einzige Barfüßer: Eine junge Frau spazierte Richtung Bahnsteig. Da sie eine überlange, weite Hose trug und eine bunte Jacke, viel ihre Barfüßigkeit eigentlich weniger auf als bei mir. Trotzdem hatte ich den Eindruck, als ob mehr Leute sie anstarrten als mich. Ein Betrunkener, der vor den Resten des Christoffelturmes in der Bahnhofspassage kauerte, lallte etwas vor sich hin, was ich nicht verstand, und auch nicht verstehen wollte. Es war gegen 9.30 Uhr, als ich wieder beim Velo war, um zum Baden an die Aare zu fahren, zum Badestrand nach Eichholz.

Eines wundert mich doch. Als ich beim Baden war, gingen viele Leute barfuß den Uferweg entlang. Dagegen sah ich in der Altstadt kaum Barfüßer. Dabei ist die Altsstadt wesentlich besser barfuß zu begehen als der asphaltierte Weg am Aareufer. Bin ich verrückt? Oder die anderen? Ich kann nur sagen: Wer an einem schönen Tag nicht barfuß durch die Berner Altstadt geht, hat selber Schuld!

Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen


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