@ Lorenz / Süddeutsche "Toleranz" (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd (Wiesbaden), Stammposter, Tuesday, 31.08.2004, 22:31 (vor 7333 Tagen)

Hallo Lorenz,

Deinen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt München halte ich für eine gute Idee, nicht zuletzt deshalb, weil es auch mich sehr verwundert, dass ein Junge eines Museums verwiesen wird, nur weil er keine Schuhe trägt.

Verwundert bin ich allerdings ebenso zu lesen, dass sich die Stadt München angeblich durch Toleranz auszeichnet. An dieser Stelle sei vorweg geschickt: meine Reserviertheit München gegenüber baut auf persönlichen Erfahrungen und Erzählungen anderer. To cut a long story short: München zeichnet sich mit Sicherheit durch viel Positives aus, aber Toleranz und Offenheit zählen für meine Begriffe nicht dazu, nimmt man Berlin, Köln oder Hamburg als Maßstab. Dies soll nicht heißen, dass Deine Wortwahl in Deinem Brief an den OB unglücklich gewählt ist, dennoch denke ich, dass die charakteristische "süddeutsche" Toleranz nicht viel Raum lässt für Menschen, die gegen die gesellschaftliche Norm "verstoßen".

Nichtsdestotrotz: Ich persönlich finde Deinen Brief an den OB klasse. Und ich hoffe, er bekommt ihn zu lesen. Mindestens genau so gut finde ich Deine Idee mit dem Parcours auf dem Street Life-Festival im Herzen Bayerns. Ganz egal, wo Du Deinen Stand aufbauen würdest: solche Initiativen tragen dazu bei, im Laufe der Zeit, vielleicht auch nur ganz langsam, Menschen die Bedeutung ihrer Füße bewusst zu machen und dem Begriff "nackte Füße" das Schmuddel-Image zu nehmen.

Weiter so, und liebe Grüße aus Wiesbaden

Barfußgrüße

BERND

@ Lorenz / Süddeutsche "Toleranz"

Lorenz ⌂, Stammposter, Tuesday, 31.08.2004, 22:54 (vor 7333 Tagen) @ Bernd (Wiesbaden)

Hallo Bernd,

Verwundert bin ich allerdings ebenso zu lesen, dass sich die Stadt München angeblich durch Toleranz auszeichnet.

Das war der Honig, den ich dem Herrn Oberbürgermeister ums Maul schmieren wollte ;-))

...... dennoch denke ich, dass die charakteristische "süddeutsche" Toleranz nicht viel Raum lässt für Menschen, die gegen die gesellschaftliche Norm "verstoßen".

Ich stelle vor allem fest, dass die bayerische Mentalität Veränderungen scheut. Man wirft Vorurteile sehr ungern über Bord. Manchmal ist das Festhalten am Althergebrachten aber auch richtig: z.B. ist man in Bayern überzeugt, dass Barfußlaufen gut für die Kinder ist, und lässt sich das nicht so einfach ausreden.

Ganz egal, wo Du Deinen Stand aufbauen würdest: solche Initiativen tragen dazu bei, im Laufe der Zeit, vielleicht auch nur ganz langsam, Menschen die Bedeutung ihrer Füße bewusst zu machen und dem Begriff "nackte Füße" das Schmuddel-Image zu nehmen.

Genauso ist es! Ich hätte es längst aufgegeben, mir mit solchen Aktionen Mühe zu machen, wenn ich nicht sehen würde, dass es den Leuten hilft, allem Medien-Firlefanz zum Trotz normal zu bleiben. Und zum Normalsein gehört eben auch, Spaß am Barfußlaufen zu haben. Für die meisten Leute klappt das nicht immer -- aber immer öfter!

Mach's gut und unbeschuht, Lorenz

[image] Gesundes Leben auf freiem Fuß

@ Lorenz / Süddeutsche "Toleranz"

Pedro, Stammposter, Tuesday, 31.08.2004, 23:14 (vor 7333 Tagen) @ Bernd (Wiesbaden)

Verwundert bin ich allerdings ebenso zu lesen, dass sich die Stadt München angeblich durch Toleranz auszeichnet. An dieser Stelle sei vorweg geschickt: meine Reserviertheit München gegenüber baut auf persönlichen Erfahrungen und Erzählungen anderer. To cut a long story short: München zeichnet sich mit Sicherheit durch viel Positives aus, aber Toleranz und Offenheit zählen für meine Begriffe nicht dazu, nimmt man Berlin, Köln oder Hamburg als Maßstab. Dies soll nicht heißen, dass Deine Wortwahl in Deinem Brief an den OB unglücklich gewählt ist, dennoch denke ich, dass die charakteristische "süddeutsche" Toleranz nicht viel Raum lässt für Menschen, die gegen die gesellschaftliche Norm "verstoßen".

Hallo Bernd,

was Du an Städten wie Berlin, Köln oder Hamburg für "Toleranz" hältst, halte ich eher für "Desinteresse". Man ist zum anderen nicht wirklich tolerant, man interessiert sich halt nicht für ihn. Toleranz ist aber etwas Aktives. Man reibt sich am anderen und entscheidet sich dann bewusst dafür, ihn zu respektieren. Eine solche "Toleranz auf den zweiten Blick" ist für Süddeutschland durchaus typisch, auch für ländliche Gegenden.

Gruß
Pedro

@ Lorenz / Süddeutsche "Toleranz"

Andreas (SU), Stammposter, Tuesday, 31.08.2004, 23:51 (vor 7333 Tagen) @ Pedro

was Du an Städten wie Berlin, Köln oder Hamburg für "Toleranz" hältst, halte ich eher für "Desinteresse". Man ist zum anderen nicht wirklich tolerant, man interessiert sich halt nicht für ihn. Toleranz ist aber etwas Aktives. Man reibt sich am anderen und entscheidet sich dann bewusst dafür, ihn zu respektieren. Eine solche "Toleranz auf den zweiten Blick" ist für Süddeutschland durchaus typisch, auch für ländliche Gegenden.

Hallo Pedro!

Mit der Eigenart in der für Süddeutschland typischen Toleranz gebe ich Dir vollkommen recht. Ich hätte es nur nicht so gut formulieren können wie Du! Aber zu den drei Großstädten habe ich unterschiedliche Ansichten.

Keine Ahnung, ob Du in diesen Städten schon barfuß unterwegs gewesen bist. Ich wohne bei Köln und habe gute Freunde in Berlin und bei Hamburg, so daß ich dort alle paar Monate mal bin. Im Vergleich würde ich das grob so sortieren:

In Berlin ist es Desinteresse, weil man dort schon jede Sensation bzw. jede Menge "schräge Vögel" kennt und einen nichts mehr schocken kann.

In Köln ist es sicher nicht ganz so, denn man wird mehr angestarrt und öfter angesprochen, vor allem um auch ein wirkliches Gespräch zu führen, nicht nur etwas hinterherzurufen. Das käme der von Dir so gut beschriebenen aktiven Toleranz am nächsten.

In Hamburg gibt man sich gerne zurückhaltend und spricht eben insgesamt weniger und schon gar nicht über alles. Aber tolerant ist man dort ganz bestimmt, wie man an anderen Extremen sehen kann, die dort friedlich nebeneinander leben (Reeperbahn vs. Elbchausseee).

Viele Grüße,
Andreas (SU)

@ Lorenz / Süddeutsche "Toleranz"

Pedro, Stammposter, Wednesday, 01.09.2004, 17:25 (vor 7332 Tagen) @ Andreas (SU)

Hallo Andreas!

Hallo Pedro!
Mit der Eigenart in der für Süddeutschland typischen Toleranz gebe ich Dir vollkommen recht. Ich hätte es nur nicht so gut formulieren können wie Du! Aber zu den drei Großstädten habe ich unterschiedliche Ansichten.
Keine Ahnung, ob Du in diesen Städten schon barfuß unterwegs gewesen bist.

In Hamburg nicht, in Berlin und Köln schon. Kommentare gab's keine, so weit ich mich erinnern kann.

Ich wohne bei Köln und habe gute Freunde in Berlin und bei Hamburg, so daß ich dort alle paar Monate mal bin. Im Vergleich würde ich das grob so sortieren:
In Berlin ist es Desinteresse, weil man dort schon jede Sensation bzw. jede Menge "schräge Vögel" kennt und einen nichts mehr schocken kann.
In Köln ist es sicher nicht ganz so, denn man wird mehr angestarrt und öfter angesprochen, vor allem um auch ein wirkliches Gespräch zu führen, nicht nur etwas hinterherzurufen. Das käme der von Dir so gut beschriebenen aktiven Toleranz am nächsten.
In Hamburg gibt man sich gerne zurückhaltend und spricht eben insgesamt weniger und schon gar nicht über alles. Aber tolerant ist man dort ganz bestimmt, wie man an anderen Extremen sehen kann, die dort friedlich nebeneinander leben (Reeperbahn vs. Elbchausseee).
Viele Grüße,
Andreas (SU)

Sicher gibt es Unterschiede zwischen den drei Großstädten. Und sicher sind die Rheinländer die kommunikativsten von den dreien. Friedliche Koexistenz ist noch kein Beweis für Toleranz, wie man gerade in Hamburg sehen konnte, als bei der vorletzten Bürgerschaftswahl plötzlich ein Herr Schill aus dem Stand heraus 2stellige Ergebnisse erzielen konnte. Und ich glaube, dass es in allen drei Gegenden Unterschiede zwischen der Stadt selbst und den dörflichen Gegenden im Umland gibt mit der Tendenz: mehr Desinteresse in der Stadt und mehr aktive, in der Auseinandersetzung gereifte Toleranz auf dem Land.

Allgemein finde ich, dass die richtig bodenständige Landbevölkerung nicht spießig ist, schon gar nicht in punkto barfuß. Spießig ist eher das Milieu der Emporkömmmlinge, der kleinen Angestellten und (preußischen?) Beamten in den Städten.

Viele Grüße
Pedro

@ Lorenz / Süddeutsche

Tiziana, Stammposter, Wednesday, 01.09.2004, 17:51 (vor 7332 Tagen) @ Pedro

In Hamburg nicht,

Ich aber schon, und dieses Jahr auch mal wieder. Kein Kommentar und kein Problem.

in Berlin und Köln schon. Kommentare gab's keine, so weit ich mich erinnern kann.

Stimmt.

Sicher gibt es Unterschiede zwischen den drei Großstädten.

Sicher, aber in allen dreien kann man problemlos überall barfuss laufen. Das haben die drei Städte sicher gemeinsam.

Ciao
Tiziana

Toleranz/Akzeptanz

Bernd (Wiesbaden), Stammposter, Wednesday, 01.09.2004, 17:47 (vor 7332 Tagen) @ Pedro

Hallo Bernd,
was Du an Städten wie Berlin, Köln oder Hamburg für "Toleranz" hältst, halte ich eher für "Desinteresse". Man ist zum anderen nicht wirklich tolerant, man interessiert sich halt nicht für ihn. Toleranz ist aber etwas Aktives. Man reibt sich am anderen und entscheidet sich dann bewusst dafür, ihn zu respektieren. Eine solche "Toleranz auf den zweiten Blick" ist für Süddeutschland durchaus typisch, auch für ländliche Gegenden.
Gruß
Pedro

Hallo Pedro,

was die "Reibung" angeht, da gebe ich Dir Recht, nur denke ich, es ist wichtig, zwischen Toleranz und Akzeptanz zu unterscheiden. Während Toleranz eher Duldung bzw. Hinnehmen bezeichnet, schließt Akzeptanz das von Dir erwähnte Desinteresse aus, da dies nicht lediglich für "Duldung", sondern für "Annehmen" steht.
Abgesehen davon findet man "Emporkömmlinge" in allen Ballungsgebieten oder Großstädten; nicht selten sind es die "jungen, vermeintlich modernen, aufgeschlossenen" Menschen, welche die größten Ressentiments gegen nackte Füße, Schwule oder etwa Punk-Frisuren hegen. In Frankfurt an Main riefen ein paar Sparkassen-Herren an einem Bistro-Tisch einem jungen Barfüßer die übelsten Sachen hinterher, was schon tief unter die Gürtellinie ging, doch was soll's... Besser als mit diesem Verhalten hätte diese Bänker ihren wahren "Stil" nicht dokumentieren können... Da nützt auch das feine Fädchen von C & A nicht viel...

Liebe Grüße

Bernd

Toleranz/Akzeptanz

Pedro, Stammposter, Wednesday, 01.09.2004, 18:02 (vor 7332 Tagen) @ Bernd (Wiesbaden)

Hallo Bernd,

was die "Reibung" angeht, da gebe ich Dir Recht, nur denke ich, es ist wichtig, zwischen Toleranz und Akzeptanz zu unterscheiden. Während Toleranz eher Duldung bzw. Hinnehmen bezeichnet, schließt Akzeptanz das von Dir erwähnte Desinteresse aus, da dies nicht lediglich für "Duldung", sondern für "Annehmen" steht.

Gut, meine "aktive Toleranz" kann man auch "Akzeptanz" nennen. Einverstanden.

Abgesehen davon findet man "Emporkömmlinge" in allen Ballungsgebieten oder Großstädten; nicht selten sind es die "jungen, vermeintlich modernen, aufgeschlossenen" Menschen, welche die größten Ressentiments gegen nackte Füße, Schwule oder etwa Punk-Frisuren hegen. In Frankfurt an Main riefen ein paar Sparkassen-Herren an einem Bistro-Tisch einem jungen Barfüßer die übelsten Sachen hinterher, was schon tief unter die Gürtellinie ging, doch was soll's... Besser als mit diesem Verhalten hätte diese Bänker ihren wahren "Stil" nicht dokumentieren können... Da nützt auch das feine Fädchen von C & A nicht viel...

Siehe den Vorfall, den Michael aus Zofingen geschildert hat.

Gruß
Pedro

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