Eine wi-wa-wo Wa - Wawa (Hobby? Barfuß! 2)

Moltke, Wednesday, 25.08.2004, 11:23 (vor 7340 Tagen)

Allen Mitlesenden ein Hallo!

Es ereigneten sich um die vierte Stunde der zweiten Hälfte eines der letzten Tage folgende Begebenheiten, die einen seltsamen inneren Nachhall in mir erzeugten, so dass ich mich geradezu gedrängt sehe, einige Aspekte derselben hier mitzuteilen:

Ein unerquicklich feucht-kühler Tag hielt nach trübseligem Beginn und späterem heftigen Gewitter-Platzregen dann doch noch ein echtes Bonbon bereit. Ein erfrischend-fruchtiges Bonbon. Also:

Mehr mit Glück als mit Geschick zum rechten Zeitpunkt aufgebrochen - nämlich als gerade ein letzter kräftiger Schauer niederging - zeigte sich zu Beginn meines Spazierganges an einigen Stellen des Firmamentes plötzlich und unverhofft ein geradezu unverschämt blauer Himmel, der das bisherige Wettergebaren Lügen zu strafen schien.

Hinein in den Wald!
Noch tröpfelte es windbedingt ein wenig von Ast und Zweig, als die Sonne bereits zwischen den ersten Wolkenlücken hervorlugte. Vertraute fußfreundliche Wege, einer meiner favorisierten Rundkurse quasi direkt vor der Haustür, warteten auf mich.
Doch irgend etwas hatte sich verändert auf den mir eigentlich bekannten Wegen und Pfaden: überraschenderweise war eine neue natürliche Kneipp-Anlage entstanden mit vielen einladenden Wasserfeldern, die sich hervorragend zum Durchwaten eigneten!
In stattlicher Anzahl also gab es Pfützen und Pfützchen bis hin zu mehrere Meter langen Seen über die gesamte Wegbreite hinweg. Verschieden wie ihre unterschiedliche Ausdehnung und Form war jeweils ihre Farbschattierung, ihr Untergrund und auch - in Nuancen - ihre Temperatur. Die Blätter des Laubdaches spiegelten sich dort, andere Blätter trieben darin ebenso wie Kiefernnadeln, die sich teilweise zu richtigen schwimmenden Teppichen verdichteten. Reflektierte Sonnenstrahlen an den feuchten Stellen überzogen das Wegenetz mit einem neuartigen Zauber, dem Auge zur Freude.
Ausgesprochen genussvoll das Erspüren der ungeheuren Vielfalt der Bodenbeschaffenheit. Feuchte, nasse, schlammige, zum Teil auch bedrohlich glitschig-rutschige Stellen und dann wieder sonnenbeschienene trockene Fleckchen ... Sand, Gras, Moos, Kiefernnadeln und Laub, Wasser - alles in einer wohltuenden abwechslungsreichen Folge. Ein wohlfeiles Vergnügen, alle Sinne betörend ...

Auf schmalem Pfad, von Rinnsalen durchflossen, Begegnung mit einer Familie, wetterfest verpackt. Voran ging, an der dem Hund gegenüberliegenden Seite einer Hundeleine sich festhaltend, die Tochter. Sie blickte entgeistert auf mich, zu Boden, auf meine Füße und dann wie hilfesuchend zum Himmel empor. Danach die Eltern, in ein Gespräch vertieft, das plötzlich verstummte. Erstauntes, entsetztes Schweigen brach über sie herein. (Selbst das Säuseln der Lüfte legte eine abrupte Pause ein!) War ihnen doch tatsächlich gerade ein leibhaftiger Waldschrat begegnet ...
Wald und Wind und Strauch am Wege hatten sich aber bald wieder von diesen Schrecknissen erholt und das Farnkraut lächelte auch schon wieder ein bisschen. Solchermaßen versöhnlich gestimmt schritt ich weiter barfuß fürbass. Die Farbe meiner Füße näherte sich immer mehr derjenigen des Waldbodens an, und meistens, wenn mir dies gar zu bunt (oder eher schwarzbraun wie die Haselnuss) wurde, bot sich mir ja das Mittel in Form des Durchschreitens einer putzigen Pfütze gegen schmutzige Füße an.
Auf einmal neue Aufregung: Ich entdeckte im aufgeweichten Boden Fußspuren, die sofort meine Aufmerksamkeit erregten - Abdrücke bloßer Füße! Hier musste also gerade eben noch jemand - doch halt, plötzlich erinnete ich mich wieder, ich selbst war ja vorhin erst diesen Weg aus der anderen Richtung entlanggekommen auf meinem verschlungenen Rundkurs ... Hatte ich schon beinahe wieder vergessen im Überschwang des genussvollen Dahinwandelns! Wie im Fluge verging die Zeit, der Spaziergang neigte sich seinem Ende entgegen.

Heraus aus dem Wald -
und noch einen Abstecher zu den nahegelegenen Feldern über einen recht neu angelegten geschotterten Weg. Nicht nur mild-matschiges Vergnügen sollte es heute sein, auch ein klein wenig kitzligere Herausforderung als Kontrast macht sich manchmal recht gut bei einem Spaziergang. Doch die frische Regenfeuchte milderte größtenteils die finsteren pieksigen Absichten des bösen Schotters. Eine spielende Kinderschar bemerkte meine seltsame an ihnen vorüberwandelnde Gestalt kaum. Mich lockte als letzter Höhepunkt meines Ganges der kleine Teich, auf dem die Enten friedlich ihre Bahnen zogen. Kein Mensch an seinen Ufern, von keinem Angler war eine Spur zu sehen. Letzte Fußwaschung vor der Heimfahrt! Ich schaute über die glitzernde Wasseroberfläche. Die Füße hinein. Es war angenehm warm. Ich war zufrieden. Ich bin zufrieden. Eine kurze Weile bleibe ich so stehen.
Mir kommt eine kleine Begebenheit aus einem der letzten Tage in den Sinn. Auf einem theatralischen Wandelgang (nämlich an verschiedenen Stellen eines Parks aufgeführten Lustspiels) erhaschten meine Ohren aus dem Munde der einzigen weiteren unbeschuhten Person außer mir folgende weise Worte: "Nackte Füße lassen sich aber besser säubern als dreckige Schuhe!"

(Anmerkung hierzu: Unter wahrscheinlich Hunderten von Zuschauern und Festteilnehmern war an einem sonnigen Nachmittag im grünen Gras einer Parkanlage natürlich sonst niemand barfuß. Die zitierte Bemerkung erfolgte im Gespräch mit einer Bekannten, es ging u.a. über die Gefahr des Hineintretens in Hundehinterlassenschaften etc. Das kleine Schloss, zu dem der Park gehörte, stand dem Publikum ebenfalls offen. Eine alte Holztreppe, Steinfließen, Holzdielen - alles auch ein herrliches sinnliches Erlebnis, wenn man es mit bloßen Füßen in Angriff nimmt.)

Doch ich schweife ab von meinem sumpfigen Waldwegegenuss und meiner letzten Ö - äh, Waschung.
Von der Wasseroberfläche blickt mich ein unheimlicher Waldschrat an, ich erschrecke furchtbar, ach so - schon wieder reingefallen ...

Ein Fazit aber gilt es noch zu ziehen:
Wie man sieht, tun sich manchmal doch ungeahnte Möglichkeiten auf: Wattwandern im Binnenland zum Beispiel. Wattwandern im Wald - statt salziger Meeresluft harzigen Waldesduft in der Nase, statt Meeresrauschen Vogelstimmen in den Ohren!
So erklärt sich denn auch der an verschrobenes Kinderlatein gemahnende Titel (s.o.), der nur eine platzsparende Abkürzung ist - für mich war dieser Nachmittag eine wirklich wahrhaft wonnevolle Wald-Wattwanderung.
Oder anders ausgedrückt: Was braucht es manchmal mehr als ein paar beglückende Pfützen, um in verrückte Verzückung und Entrückung zu geraten und 5 A4-Seiten lang die ganze Welt (oder doch zumindest die halbe) qualvoll zu langweilen

Die Birkenstämme am Seeufer leuchten auf einmal in grellem Weiß. Der Hintergrund hat sich nämlich allmählich verdunkelt. Neue schwarze Wolken sind herangenaht. Es wird Zeit, durch das kaum noch feuchte Gras der Uferwiese zurückzugehen. Nach dem Regen ist vor dem Regen.
Wir werden sehen.

Trotz alledem (noch) sommerliche Grüße vom
Waldschrat Moltke


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