Hallo zusammen,
MarkusU. schrieb unten in einem Beitrag folgenden Satz im Kontext, dass er die Mitnahme von Notschuhen verabscheue:
Ein echter Barfüßer aber muß in der Lage sein, alle möglichen
Situationen barfuß im buchstäblichen Sinne "durchzustehen".
Da ich hier zitiert werde, nehme ich selbstverständlich auch Stellung.
Dazu mal einige Gedanken:
1) Jede/r hat seine persönliche "Schmerzgrenze" beim Barfußlaufen. Kälte, gesellschaftliche Konventionen, eigene und fremde Moralvorstellungen, Hitze, Schotter ...
Ich habe nie gesagt, daß ein echter Barfußläufer niemals Schuhe tragen dürfe. Völlige Schuhlosigkeit ist zwar ein Traum von mir, der sich jedoch zumindest in absehbarer Zeit nicht realisieren läßt. Gerichtstermine, die Arbeit im Büro, die Göttliche Liturgie sowie Beerdigungen sind Situationen, in denen ich stets beschuht (und bei Beerdigungen sogar besockt) bin und in denen ich barfüßiges Erscheinen auch niemals ernsthaft erwogen habe.
Der springende Punkt ist aber folgender: Wenn ich beschuht bin, dann bin ich eben beschuht und behalte die Schuhe an, bis ich zu Hause bzw. in meiner Unterkunft bin. Erst da ziehe ich die Schuhe aus, bis ich sie wieder brauche, was, je nach Situation, am nächsten Tag oder erst eine Woche später der Fall sein kann. Wenn ich aber barfuß gehe, dann habe ich selbstverständlich keinerlei Svchuhe dabei, weil ich mich ja dan gerade entschlossn habe, barfuß zu gehen, und zwar ohne Wenn und aber. Der einzige Ort, wo Schuhe praktisch immer "in Reichweite" sind, auch wenn ich gerade keine anhabe, sind also die eigenen wände. Früher pflegte ich außerdem "für alle Fälle" ein Paar Schuhe im Auto zu haben (falls ich mal in eine Polizeikontrolle kommen sollte), aber ich bin gerade dabei, mir das abzugewöhnen (auch nach ein paar Jahren Barfußpraxis gibt es also immer noch "zu erobernde Freiräume"). Eine weitere Ausnahme sind längere Reisen, aber am Schönsten ist es immer noch, wenn ich gleich für mehrere Tage einen Zwischenraum von mehreren hundert Kilometern zwischen mich und alle meine Schuhe legen kann, weil ich dann alle Situationen, in die ich komme, irgendwie barfuß bewältigen muß (wobei kilometerlange Märsche über scharfkantiges Gröll und Herumirren im Dorngestrüpp selbstverständlich nicht vorgesehen sind - daß es für Barfüßer unzugängliche Gebiete gibt, kann ich akzeptieren). Und wenn ich es geschafft habe, eine neue Situation barfuß zu meistern (wie vor kurzem einen längeren Spaziergang über grobgeschotterte Wege), dann ist das ein Erfolgserlebnis.
2) Ich habe noch von keinem Forumsteilnehmer gelesen, der/die nicht eine Schmerzgrenze hätte und damit irgendwie umgeht. Was den einen seine Not-Flip-Flops sind, ist dem anderen ein Ausweichen auf Rasenstücke bei Schotter, der Besuch von Kaufhäusern bei zu großer Kälte, das Ausnutzen des Schattenwurfs von Verkehrsampeln etc.
Gegen diese kleinen Tricks ist ja auch nichts zu sagen, solange eben keine Schuhe (dazu gehören auch Flipflops) in Reichweite sind. Wer in einer bestimmten Situation einfach nicht auf Schuhe zurüvckgrefen kann, der hat die Schuhe nicht nur von den Füßen, sondern ein Stückweit auch von seinem Denken und Wollen gelöst; das Barfußgehen ist zur Selbstverständlichkeit und Schuhe sind zur Ausnahme geworden.
3) Solange mir kein Barfüßer präsentiert wird, welcher in gleichem (!) Maße barfuß mobil ist wie mit Schuhen, halte ich das Gerede von "echten" Barfüßern für Schaufenstergewäsch und reine Ideologie.
Soweit bin ich zwar noch nicht, aber genau das ist meine Zielvorgabe, weshalb ich daran arbeite. Ich schrieb schon weiter oben, daß ich wohl nie in der Lage sein werde, über scharfkantiges Geröll oder durchs Dornendikkicht barfuß zu gehen, aber es fällt mir ja zumindest in Deutschland nicht weiter schwer, solche Gegenden, in denen ich auch den beschuhten Aufenthalt nicht allzu verlokkend fände, zu meiden! Ich kann mich aber immer besser auf Böden wie Flußkieseln und auch grobem Bruchschotter immer besser barfuß bewegen. Auf steinigen Hängen, an denen man sich auch mit Schuhe vorsichtig bewegen muß, weil man nicht einfach drüberrennen kann, komme ich sogar besser barfuß zurecht als mit Schuhen.
Ich hoffe also, eines Tages barfuß zumindest annähernd genauso gut zurechtzukommen wie mit Schuhen.
4) Wer anderen barfuß laufenden Menschen abspricht "echte Barfüßer" zu sein, nur weil sie Not-Flip-Flops im Rucksack haben und gleichzeitig fordert, alle möglichen Situationen "durchzustehen", sollte sein eigenes Handeln reflektieren. Was dem einen der unangenehme Schotter ist, ist dem anderen der barfüßige Auftritt vor Gericht oder ein barfüßiger Gottesdienstbesuch ... (bei welchem ich persönlich keinerlei Probleme hätte).
Das tu ich ja. Und das Problem bei barfüßigen Gerichtsauftritten oder Gottesdienstbesuchen ist wohl kaum die Beschaffenheit des Bodens, sondern die fehlende Akzeptanz. Und ich kann es mir um meines Leibes willen nicht leisten, meinen Beruf aufzugeben, und um meiner Seele willen nicht, die Kirche aufzugeben. Im übrigen ist eine barfüßige Teilnahme an der Götttlichen Liturgie auch für mich im Prinzip vorstellbar (und ich würde mich hüten, jemanden daran hindern zu wollen), aber eben nicht als Altardiener im goldenen Gewande.
Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.