Barfuß durch Wälder, Matsch, über Schotter, Bruchasphalt und Dachziegeltrümmer (Hobby? Barfuß! 2)

Andi35 @, Stammposter, Tuesday, 17.08.2004, 05:02 (vor 7348 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Zofingen, Langenthal, Aarwangen, Murgenthal, Zofingen? Wie oft bin ich diese Strecke schon gewandert, nicht immer genau den gleichen Weg, aber immerhin. Im Sommer, im Winter, bei Sonne, bei Kälte, wie auch immer. So richtig für eine Tagesetappe. Eines hatten diese Wanderungen bisher aber gemeinsam: ich trug Schuhe. Das sollte sich nun ändern, am letzten Samstag (14.8.2004). Warum sollte es nicht auch barfuß funktionieren. Die Schuhe ließ ich gleich zu Hause, nicht aber wegen der bis zur Vergasung durchdiskutierten "Echtheit", sondern weil ich im Rucksack den Platz für Verpflegung reserviert habe. Das Wetter war auch ideal. In der Nacht zuvor hatte es aus Kübeln geschüttet, nun war es aber trocken. Sonne sollte es am Tage laut Wetterbericht auch kaum geben, und die Temperatur sollte nur auf 20°C ansteigen. Ein Tag wie geschaffen zum Barfußlaufen. Matschige statt verkrustete Feldwege, kein glühender Asphalt. Und trotzdem nicht so kalt, daß man Hut und Mantel benötigte.
Die erste Etappe nach St. Urban quer durch den Wald war teilweise angenehm, teilweise wegen Schotter weniger angenehm. Auf einem Teilstück war der Weg sogar mit gebrochenem Altasphalt befestigt, auch nicht gerade angenehm. Es ist ja schön, wenn Altasphalt aus Straßenabbrüchen wiederverwendet wird. Aber er gehört eingeschmolzen und nicht einfach so im Wald zur Befestigung von Waldwegen benutzt. In St. Urban (berühmte Klosterkirche) sahen mich einige Leute erstaunt an, aber niemand sagte was.
Anders sah es auf dem folgenden Teilstück nach Langenthal aus. Kaum hatte ich wieder den Wald erreicht, da folgte ein Wegstück, was ich früher immer verflucht hatte, wegen Matsch. Wie oft hatte ich mir da die Schuhe dreckig gemacht. Oder ich hatte einen Bogen darum gemacht und mir dabei die Beine mit Brennnesseln verbrannt oder mit Brombeerranken zerkratzt. Nun aber hieß es: "Im Gleichschritt, platsch-platsch!" Der Schlamm quoll nur so durch die Zehen, ich freute mich wie ein Kind. Manchmal versank der halbe Unterschenkel im Schlamm. Apropo Kind: Wenn ich mich schon so fühle, dann "darf" ich sicher auch kurze Hosen tragen. Und von "meinem" Gott, der weder katholisch, noch orthodox, sondern reformiert ist, habe ich diesbezüglich auch nichts zu befürchten. Leider war der Weg nicht überall so. Es folgte noch eine Passage, wo der Feldweg mit roten Dachziegeltrümmern befestigt war. Ideal, um die Feuchtigkeit zurückzuhalten, damit Waldfahrzeuge "durchbrausen" können, ohne ins Schleudern zu geraten. Aber weniger ideal für Barfüßer. Man sieht, daß die Waldbesitzer mehr am Profit interessiert sind als an der Gesundheit der Bevölkerung. Am Hirschpark in Langenthal machte ich eine Pause und wusch mir die Füße an einem Brunnen. Der Grund war nicht etwa, daß ich mich mit "Schlammstiefeln" nicht unter zivilisierte Leute wage. Der Grund war vielmehr, daß ich verhindern wollte, daß der Schlamm zur berühmt-berüchtigten "Merki-Kruste" erstarren würde. Das kann schmerzhaft sein.
In der Stadt selbst fiel meine Barfüßigkeit (und auch meine übrige Kleidung, die zu dem Zeitpunkt nur aus einer Hose bestand) nicht sonderlich auf, lediglich 2 Bemerkungen vernahm ich. Ein Kind fragte die Mutter: "Wieso hat der keine Schuhe an?" "Weil der gerne barfuß läuft!" war die zweifellos richtige Antwort. Die andere Bemerkung versteht nur derjenige, der weiß, daß die Straßen der Stadt Langenthal früher öfter von Hochwasser überflutet waren und man deswegen die Bürgersteige höher gelegt hat. Somit konnten die Leute trockenen Fußes entlang der "Kanäle" flanieren. Ich benutzte die Bürgersteige, da auf der Straße selbst Buden aufgestellt waren und das Gedränge größer war. Autos wurden umgeleitet. Eine junge Frau sagte zu ihrem Mann: "Der ist aber ganz vorsichtig! Ist gekleidet, wie wenn er jeden Moment mit Hochwasser rechnet, und läuft trotzdem oben." Andere Barfüßer sah ich nicht in Langenthal. Viele waren sogar mit Jacken unterwegs, der Winter naht! Jedoch schien man die Socken noch nicht wieder ausgemottet zu haben. Unter den männlichen Sandalenträgern waren die meisten ohne Socken, unabhängig davon, ob die Hose darüber lang oder kurz war. Ob sie im Forum gelesen haben und nun befürchteten, daß einer durch die Stadt zieht und ruft: "Ihr Blödmänner!" Während der gesamten Tour sah ich nur eine Frau, die barfuß aus der Wohnung auf die Terrasse ging und dort Wäsche aufhängte.
Der Weg führte durch die Bahnhofsunterführung, dann folgte eine angenehme Passage über Schulrasen, Schwingfestbrücke und Hornusserplatzrasen. Dann, im Wald wurde der Weg übel, sehr steinig, die Steine lagen auch noch neben dem Weg, überall wucherten Brennnessel und Brombeerranken. Besser ging es dann weiter bis nach Aarwangen, auch in diesem Ort wurde ich nicht registriert. Im orangen "Tram", das gerade durch die Hauptstraße fuhr, sah sich auch keiner mehr nach mir um. Vom Aarwanger Schloß folgte ich der Aare, auch hier konnte ich auf Graspassagen ausweichen. Als ich an der Kirche in Wynau vorbeikam, war gerade eine Hochzeit zu Ende. Hier gab es doch einige erstaunte Blicke, speziell von älteren Hochzeitsgästen. Aber was kann ich dafür. Sollen die doch in Zukunft sich eine Kirche aussuchen, an der kein Wanderweg vorbeiführt. Sicher hätten die Hochzeitsgäste genau so grantig dreingeblickt, wenn gerade ein Bauer in Gummistiefeln vorbeigekommen wäre. Dann folgte aber ein weg, der enorm steinig war und kaum Ausweichmöglichkeiten bot. Einmal konnte ich die Aare selbst als Weg benutzen, aber an anderen Stellen (Prallhängen) ist sie gleich am Ufer tief.
Völlig erschöpft kam ich in Murgenthal an. Da entschloß ich mich, einen garantiert nicht gekiesten Weg zu benutzen, die vielbefahrene, aber mit Fußweg versehene Kantonsstraße. Zeitweise konnte ich aus Felder ausweichen, einmal machte ich noch bei Rothrist einen Abstecher an die Aare, um was zu essen. Aber die meiste Zeit herrschte Asphalt vor. So ging es bis Oftringen und dann weiter nach Zofingen. In Zofingen machte ich noch einen Abstecher durch die Altstadt. Um 19.45 Uhr war ich zu Hause, total war ich 12,5 Stunden unterwegs, zweimal unterbrochen von einer Pause zu etwa je 20 Minuten.
Ich spürte meine Füße. Am nächsten Tag empfand ich jeden Schritt als schmerzhaft. Aber so tragisch war es nicht. Es war Badewetter, also radelte ich an die Aare, was barfuß ohne Schmerzen ging, suchte mir einen Liegeplatz direkt am Wasser. So konnte ich barfuß radeln, barfuß schwimmen, aber brauchte kaum gehen. Also konnte ich auch an diesem Tag auf Schuhe verzichten. Erst heute morgen benötigte ich sie wieder zur Arbeit, auch wenn sie lästig sind, genauso wie der Rest meiner Dienstkleidung.
Mit Muskelkater grüßt
Michael aus Zofingen

Hallo Michael!
Ein schöner Bericht, aber bitte erinnere mich nicht daran, dass der Winter wieder naht, es beschäftigt mich schon genug, aber wenn man es dann noch liest, dann kriegt man einen "Hals"! ;-) Es stimmt aber: wenn es geregnet hat ist es viel schöner, barfuß zu gehen, da der Asphalt dann nicht so heiß ist und auch in der Natur schöner Schlamm vorhanden ist, in dem man herum matschen kann und gleichzeitig die Füße in großen Wasserlachen wieder reinigen kann und das alles mit kurzen Kleidern, herrlich!!! :-)
Einen lieben Gruß von Andi!


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