Hobby? Spleen? Sucht? (Hobby? Barfuß! 2)

Walter ⌂ @, Monday, 26.07.2004, 21:50 (vor 7370 Tagen)

Letzthin hat in diesem Forum jemand die Frage gestellt, ob barfusslaufen tatsächlich ein Hobby sei. Hobby vielleicht nicht, aber Spleen? Oder vielleicht gar Sucht? Etwas, auf das man nicht mehr verzichten will oder kann? Wenn die nackten Füsse den Erdboden berühren, liefern eine Unzahl von Nervenenden, mit denen offensichtlich unsere sehr sensiblen Laufwerkzeuge bestückt sind, unterschiedliche Informationen sonder Zahl ans Gehirn. Das ist dann wohl das, was einen beim Barfusslaufen diesen "Kick" gibt, einen Kick, wie man ihn empfindet, wenn man im kalten Wasser oder bei Regen und Sturm schwimmt. Unter Umständen steigert man sich in eine eigentliche Euphorie hinein! Seinen Körper der Natur und ihren Kräften aussetzen, ihn bis an seine Grenzen fordern, kann süchtig machen. "Süchtig" möchte ich hier nicht negativ verstanden haben, wenigstens so lange nicht, als der Verstand noch rechtzeitig "Halt!" befehlen kann (und das ist zum Glück beim Barfusslaufen äusserst selten nötig!). Vielleicht ist auch ein bisschen Masochismus dabei, wenn man etwas schmerzvollere Meter immer noch als lustvoll empfindet. Und wie steht es mit dem Exhibitionismus? Die bewundernden oder spöttischen Blicke und Kommentare unserer Mitmenschen lassen doch etwas Neid vermuten. Und sind wir nicht etwas stolz auf unsere kräftigen, braungebrannten und widerstandsfähigen Füsse?
In meiner Jugend liefen die Kinder der Region, in der ich aufwuchs, vom Frühling bis zum Herbst barfuss. Für viele Eltern bedeutete dies, dass sie ihren schmalen Geldbeutel schonen konnten, weil ihre zahlreiche Kinderschar keine Schuhe brauchte. Für die Kinder besser betuchter Eltern war es dagegen Ehrensache, nicht als verzärtelte Sprösslinge zu gelten und deshalb die Schuhe im Frühling auch in die Ecke zu stellen. Zuerst wurde die Mutter bearbeitet, dass es nun höchste Zeit fürs Barfusslaufen sei, am Schluss sprach dann der Vater sein Machtwort, je nachdem im positiven oder negativen Sinn. Barfusslaufen war aber nicht nur Ehrensache, sondern auch Ausdruck von Freiheit. Damals trug man ja winters und sommers kurze Hosen (Buben) bzw. Röcke (Mädchen). Im Winter kamen dazu die handgestrickten Wollstrümpfe, die entweder durch ein blutstauendes Gummiband oder von einem Folterwerkzeug, im Schweizer Dialekt "Gstältli" genannt, am Platz gehalten wurden. Dieses Gstältli engte den Oberkörper ein und musste jeden Morgen am Rücken mühsam geknöpft, am Abend entknöpft werden. Konnte man im Frühling auf dieses Objekt verzichten, so war das reine Freiheit! So verbinde ich Barfusslaufen auch heute noch mit "Freiwerden" und "Freisein", womit wir dann unserm Hobby, Spleen, Sucht auch noch eine höhere philosophische Weihe gegeben haben!

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