Willkommen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Friday, 09.07.2004, 07:58 (vor 7387 Tagen) @ Lothar

Hallo Lothar und Christopher,

Ich lebe in einer riesen Millionen Grossstadt und habe wahrscheinlich Befürchtungen hier angegriffen zu werden. Es hat hier ziemlich viel Kriminalität. Viellecht klingt es für viele die das lesen werden für absurd.
Durchaus nicht. Nachdem ich im Februar in London auch Opfer der Kriminalität geworden bin kann ich die Furcht davor gut nachvollziehen. Allerdings hatte ich Schuhe an. Also das schützt nicht davor. Leider muss ich im nachhinein zugeben, dass ich durch eigene Schuld Opfer geworden bin. Ich habe viel zu deutlich zu erkennen gegeben, dass ich mich in der Gegend nicht auskenne; ich habe mich durch einen Trick reinlegen lassen; ich bin mit dem Nachtbus statt mit dem letzten Zug gefahren. Ich bin an der Bushaltestelle ausgestiegen und stehengeblieben um mich zu orientieren anstatt mit den anderen Leuten sofort Richtung beleuchtetem Busbahnhof zu laufen und ich hatte mir die Gegend nicht bei Tageslicht angeschaut sonst hätte ich gesehen, dass der Ort wo ich stand einfach ideal für einen Überfall war und eine erstklassige Fluchtmöglichkeit durch einen unbeleuchteten Park bot für jmd. der sich da auskannte. Hat alles nichts damit zu tun ob barfuss oder nicht. Allerdings kann ich auch gut nachvollziehen, dass man sich barfuss wesentlich angreifbarer und verletzbarer fühlt und in gewisser Hinsicht auch ist.

In London war ich noch nie barfuß, wenn man davon absieht, daß ich mir mal in Parks die Schuhe ausgezogen habe. Was Kriminalität anbelangt, so fühle ich mich in London nicht so sicher als in der Schweiz. Ich fuhr einmal mit der Docklands Light Railway von Greenwich Richtung Stadtzentrum. Als Fan von Schienenverkehrsmitteln lasse ich mir es natürlich nicht nehmen, auf dem vorderen Sitz der ferngesteuerten Züge Platz zu nehmen, mal richtig den "Lokführer" zu spielen. Einer später zugestiegenen Jugendbande gefiel gar nicht, daß ich auf "ihrem" Platz saß. Ich wurde mit Ketchup beworfen und als "damned Frenchman" bezeichnet. Ich blieb bis zum Stadtzentrum im DLR-Zug, wechselte in die U-Bahn und ging dann in einem Park, um mir dort an einem Brunnen das vermohrte T-Shirt zu waschen. Es war wirklich nicht angenehm, bei Dunkelheit und 12°C das nasse T-Shirt wieder anzuziehen (Ersatz hatte ich nicht bei mir, der war im Schließfach am Victoria-Bahnhof).

Ich habe manchmal immer noch das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun,
Auch das kann ich gut nachvollziehen. Es gibt halt leider gewisse gesellschaftliche Normen, z. B. Beruf, wo man bei Abweichung von der Norm durchaus Schaden nehmen kann.
Außerdem ist es in den USA ja auch tatsächlich vielerorts verboten, barfuss zu laufen und im schlimmsten Fall wird man tatsächlich arrestiert; aber eine verbotene Entblößung z. B. des Busens kostet ja im "Freien Amerika" auch mindestens 1000 Dollar Strafe; inwieweit das England diese Barfussverbote übernommen hat weiß ich nicht. Auch ich habe mich in London im Februar nicht getraut dies auszuprobieren weil ich nicht Gefahr laufen wollte in irgendeine Einrichtung mangels Schuhen nicht hineingelassen zu werden; bei Harrods kommt man auch barfuss nicht hinein. Allerdings habe ich in
England keineswegs die in den USA üblichen Verbotsschilder gesehen.

Ich habe den Eindruck, als ob es in England mehr "ungeschriebene Verbote" gibt als anderswo. Ich kann mich an ein Hotel erinnern, daß auch einen Swimmingpool besitzt. Wer übrigens dieses Bad benutzen wollte, mußte Mitglied eines Clubs sein. Der Weg vom Gebäude zum Becken war mit einer hohen dichten Hecke bepflanzt. Dadurch wurde erreicht, daß die Badegäste nicht von den "normalen" Hotelgästen gesehen werden können. Vermutlich ist es den britischen Ladies und Gentlemen unzumutbar, den Anblick von Leuten in Badekleidung zu ertragen.

Ich erinnere mich noch gut, als ich bevor ich dieses Forum kannte einmal den Wunsch hatte barfuss durch Schnee zu laufen.
Ich fuhr also an einen Baggersee, der relativ weit ab von der Straße lag, aber durch eine Plattenstrasse gut erreichbar war.
Ich glaubte, im Winter wäre dort außer mir niemand, denn das Wasser war auch noch nicht zugefroren aber es hatte schön geschneit.
Ich war etwa fünf Minuten auf der Plattenstraße barfuss durch den Schnee gelaufen und hatte mich entsprechend weit von meinem Auto entfernt als ich sah, dass von der Hauptstrasse ein Auto in diese Plattenstraße einbog und sich mir näherte. Ich rannte so schnell ich konnte zu meinem Auto zurück und hoffte, dass ich mein Auto erreichte und einsteigen konnte bevor die Insassen des sich nähernden Fahrzeuges meine nackten Füsse erblickten.
Ich hatte einfach Angst, dass die Leute die Polizei rufen würden, wenn sie mich barfuss durch den Schnee laufen sahen.

Die Angst war berechtigt. Es gibt tatsächlich Leute, die wegen solcher Kleinigkeiten gleich die Polizei rufen. So etwas ist mir auch mal passiert. Ich lief zwar nicht barfuß durch den Schnee, trug jedoch beim Wandern im Raum Aarau eine kurze Hose bei Temperaturen um +5°C. Ich wurde prompt von einem Wichtigtuer denunziert. Die Bullen kontrollierten alles, was ich dabei hatte. Sie sagten, daß es in der Schweiz zwar nicht verboten sei, kurze Hosen zu tragen, aber es wäre unverantwortlich gegenüber der Allgemeinheit. Die Polizisten müßten Anrufen aus der Allgemeinheit nachgehen und die Zeit mit so etwas vertrödeln. Dabei gäbe es wirklich wichtigere Dinge zu tun. Ich kann mir vorstellen, daß diejenigen Leute, die einen kurz behosten Menschen denunzieren, auch einen Barfüßer denunzieren würden. Einziger Vorteil: barfuß fällt weniger auf!

Ich bin mir auch nicht sicher, ob meine Unsicherheit für mich eine empfundene Sache sein könnte, dass es viel eher eine Frauensache ist, barfuss zu leben als etwa für Männer (jünger oder alt )

Das ist leider so. Barfuss wird bei Frauen toleriert oder gar als
schön empfunden; nackte Füsse in eleganten Sandalen sind da auch im Winter Modepflicht und die Männerfüsse müssen in geschlossenen Schuhen mit Kniestrümpfen stecken (Gesellschaftsnorm)
Ich denke in England ist das noch extremer, da ja dort viele Frauen auch im Winter auf Strümpfe verzichten und bei den Männern schon von Kindesbeinen an (Schuluniformen) Wert auf korrekte Kleidung und geschlossene Schuhe Wert gelegt wird.

Das stimmt, in England ist es extremer. Ich war mal im September in Leeds, abends war die Temperatur ca. 15°C. Ich ging in T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen ohne Socken durch die Stadt. Die Frauen zwischen 20 und 30 waren ausnahmslos in Sandalen ohne Strümpfe unterwegs, ihre Oberbekleidung bestand auch nur aus "nur unwesentlich mehr als nichts", viele trugen allerdings lange Hosen. Die gleichaltrigen Männer trugen aber geschlossene Schuhe, recht dicke Jacken und lange Hosen. Von etlichen dieser Leute erntete ich harsche Kritik, vermutlich hatte ich das in England geltende ungeschriebene Gesetz, daß nur eine Frau das Privileg besitz, leicht bekleidet herumzulaufen, auf das schändlichste mißachtet. In nur etwa 3 Stunden an einem Septemberabend in Leeds erntete ich mehr böse Reaktionen als an einem Tag Mitte März 2004 in Zürich, als ich den ganzen Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß unterwegs und ähnlich gekleidet war, jedoch diesmal ganz auf Schuhe verzichtete. Die Schweiz ist also wesentlich toleranter.

Was ich hier wahrscheinlich von Jungs zur Antwort lesen will, was sie dazu bewegt hat, barfuss gehen und leben. Hier gibt es, wo ich wohne keinen "Club" wo ich mich anschliessen könnte, um meinen Mut mehr aufzubauen.

Dieses Forum hat mich und ich denke auch andere dazu gebracht barfuss unterwegs zu sein zu Jahreszeiten und an Orten wo ich mich ohne Forum niemals barfuss hin gewagt hätte.

Mir hat das Forum in erster Linie geholfen, auch dort barfuß zu laufen, wo ich es aus "technischen und thermischen" Gründen nicht für möglich hielt. Das mit dem "wagen" kam dann automatisch.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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