3 Tage minus 2 mal ca. 5 Minuten barfuß im Tesiin (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 05.07.2004, 13:53 (vor 7450 Tagen)

Jedes Jahr am ersten Freitag im Juli werden die Zofinger Schulkinder in die Sommerferien entlassen, dieser Tag wird als "Kinderfest" gebührend gefeiert. Auch unsere Firma ist dann geschlossen, damit die Eltern den Umzug durch die Stadt miterleben können. Für mich bedeutet dieses allerdings "nur" ein verlängertes Wochenende. Offensichtlich aus Angst, daß ich meinen Eltern ewig vorwerfen könnte, daß sie mir ein verlängertes Wochenende gestohlen hätten, hatten sie mir nicht verboten, alleine wegzufahren, ins Tessin. Ein Zugeständnis machte ich jedoch: Als ich am Freitagmorgen mit dem Velo zum Bahnhof fuhr, zog ich ohne Sattelbefehl meiner Mutter Turnschuhe an. Da mein genauer Plan noch nicht feststand, hätte ich die Turnschuhe sowieso mitgenommen, z. B. wegen allfälliger Maronis. So täuschte ich meinen Eltern vor, ich würde ständig Schuhe tragen. Aber nein! Am Veloständer beim Bahnhof landeten die Schuhe im Rucksack. Sie sind ja relativ neu (bisher nur im Laden beim Anprobieren getragen), so daß sie eigentlich zu schade sind, um damit im Tessin herumzuwandern. Obwohl es morgens gegen 6.30 Uhr bei 12°C leicht regnete, registrierte kaum jemand am Bahnhof lautstark meine Barfüßigkeit. Als ich in Arth-Goldau bei strömendem Regen den Zug wechselte, gab es jedoch verwunderte Blicke seitens Jugendlicher. Dieser Schnellzug brachte mich zum Zielbahnhof Locarno. Hinter dem Gotthard schien die Sonne, dank der Klimaanlage merkte man aber nicht, daß es draußen wesentlich wärmer war als im Norden der Schweiz. Man merkte es aber, als in Bellinzona, dem ersten Halt im Süden, leicht bekleidete Passagiere zustiegen, keiner jedoch ohne Schuhe. In Locarno spürte ich jedoch die Hitze (ca. 30°C). Viele Leute gingen als erstes zum nahen Seeufer, um sich dort ihrer Winterkleidung (Jacken, Wollpullover, Socken) zu entledigen. Ich trennte mich lediglich vom T-Shirt, das ich übrigens erst auf der Rückfahrt wieder anzog. Durch die Altstadt von Locarno (hier fiel ich nicht auf) wanderte ich nach Ascona zum Strandbad, gegen 11 Uhr war ich dort. Erst dort sah ich Leute ohne Schuhe herumlaufen, viele sogar, aber wen wundert das. Einige (meist Erwachsene) zogen jedoch rasch Schuhe an, wenn sie nur eben zum Kiosk oder zur Toilette gingen, einige (deutsche) Omas trugen sogar beim Schwimmen Schuhe. Kinder dagegen liefen überwiegend barfuß, auch dann, wenn sie die Geräte am Spielplatz der Badeanstalt benutzten und ansonsten noch (oder schon) bekleidet waren. Meistens war aber das Tor der Badeanstalt "Barfußgrenze". Etliche Erwachsene, die die Badi verließen, trugen zwar bis zum Tor die Schuhe in der Hand, für die paar Meter zum Auto wurden aber Schuhe angezogen. Nur wenige einheimische Kinder gingen barfuß zum Auto der Eltern.
Gegen 21 Uhr verließ ich die Badeanstalt und schritt Richtung in Richtung Hafen, es war immer noch heiß, aber recht windig. So kam es, daß die Kleidung der Leute recht gemischt war; teilweise oberhalb der Gürtellinie mit Wollpullovern, teilweise recht "offenherzig". Socken trugen eigentlich nur Männer im mittleren Alter in ansonsten bedeckter Kleidung, Rentner in kurzen Hosen und einige Jungen. Bei den weiblichen Wesen waren Flipflops und andere Sandalen ohne Socken die Regel, mich wunderte nur, daß viele Mädchen lange Hosen trugen. Ohne Schuhe dagegen waren in der Stadt außer mir nur Kinder auf dem Spielplatz am Hafen. Wegen eines Jazzfestivals war die Altstadt von Ascona nur den Leuten zugänglich, die bereit waren, 10 Franken bzw. 8 Euro hinzublättern. Das war mir natürlich zuviel. Um zu dem Platz am Hafen zu gelangen, an den ich wollte, mußte ich über Steintreppen einen Teil der Stadt umrunden, was jedoch barfuß Spaß machte. So hörte ich in gedämpfter Form auch die Musik, beim Wandern und beim meinem Platz am Hafen, sozusagen als "Trittbretthörer". Danach wanderte ich zum Schlafplatz an der Maggia, wo ich im Schlafsack übernachtete.
Am Samstag wanderte ich zur Maggia-Mündung, dann am Seeufer bis Minusio und dann über Quartiersstraßen zum Bahnhof Locarno. Nun hatte ich die Wahl: entweder über den Parkplatz aus schäbigen Asphalt gehen oder aber unterirdisch durch den Bahnhof der FART (Schmalspurbahn Locarno-Domodossola). Auch auf die Gefahr hin, als Weichei zu gelten, so wählte ich letzteren Weg. Kühler marmorähnlicher Boden ist wirklich angenehmer. Ganz davon abgesehen, daß dort unten etliche schöne Züge der Bahn abgestellt sind, unter anderem auch ein Triebwagen der längst stillgelegten Straßenbahn Locarnos. Weder im "U-Bahnhof", noch auf der Piazza Grande fiel meine Aufmachung auf. Abermals wanderte ich in die Badi von Ascona, wo ich den Tag verbrachte und abends wieder zum Hafen, wo wieder Jazzmusik war. Diesmal begegneten mir Leute, als ich die Steintreppe hinunterstieg. Ein Mann sagte auf Schweizerdeutsch zu seiner Begleiterin: "Barfuß hier auf der Treppe, das beißt aber". Vielleicht glaubte er ich würde nur italienisch verstehen (oder hochdeutsch). Ich konnte nur grinsen, ich wäre froh, wenn alle Wege so gut barfuß begehbar wären. Am unteren Ende der Treppe in der Altstadt meinte einer: "Der kommt so aus den Bergen".
Am Sonntag wanderte ich über Losone nach Ascona zum Baden. Aber gegen 16.30 Uhr hieß es Abschied nehmen vom Langensee. Mein Weg führte mich durch die Altstadt von Ascona (tagsüber war sie nicht gebührenpflichtig), wo sich niemand an meiner Aufmachung störte. Auch in Locarno fiel ich nicht auf, hier war ich nicht einmal der einzige Barfüßer. Ein junger Mann in langen Jeans und in Begleitung einer Frau in Sandalen betrachtete die Schaufenster an der Piazza Grande. Glühend heiß war es im Zug nach Bellinzona, wo ich in einen Intercity überwechselte, dieser war klimatisiert, so daß ich hier bemerkte, daß ich mein T-Shirt immer noch im Rucksack hatte. Ich zog es an, da ich mich nicht erkälten wollte. Nördlich der Alpen war auch jetzt gutes Wetter, aber einiges kälter. Als ich gegen 22.30 Uhr bei 22°C barfuß den Zug verließ, lästerten einige Soldaten über meine Aufmachung. Vermutlich reiner Neid, weil sie nun in Uniform in die Kasernen fahren mußten. Mein Fahrrad stand auch noch dort, dann radelte ich nach Hause. Doch halt! etwas hatte ich vergessen, doch was? Ja richtig! Ich wollte doch noch meine Schuhe anziehen, sonst könnten meine Eltern doch denken, ich wäre auch barfuß im Zug gefahren. Das brauchen sie ja nicht unbedingt zu wissen. Einen geringfügigen Wissensvorsprung meinen Eltern gegenüber brauche ich schon!
Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen


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