Die Ernücherterung (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 21.06.2004, 08:43 (vor 7405 Tagen)

Letzten Freitag (18.6.04) war es noch vergleichsweise warm in der Schweiz. Als ich von der Arbeit kam, fand ich im Briefkasten noch einigen Papierkram von Behörden, den ich bearbeiten mußte. Da ich meine Eltern erst in zwei Stunden erwartete, entschied ich mich, diesen Kram sofort zu machen. Es handelte sich um eine Sache, die ich am liebsten mache, wenn mich keiner stört. Nur mit Turnhose bekleidet, setzte ich mich auf den Balkon in die warme Sonne, um die Arbeit zu verrichten. Der Hausmeister mähte barfuß den Rasen mit dem Motormäher, das Geräusch störte mich nicht. So ging es lange Zeit weiter, mit dem Papierkram kam ich zügig voran. Als ich damit fertig war, blieb ich auf dem Balkon sitzen und wäre fast eingeschlafen (oder war es mehr es mehr als nur fast?). Jedenfalls schreckte ich hoch, als plötzlich meine Eltern hinter mir standen. Wegen des Motormähers hatte ich weder die Ankunft des Auto, noch das Klingeln in meiner Wohnung gehört. Da der Hausmeister die Tür zum Treppenhaus sperrangelweit offen gelassen hatte und ich meine Wohnungstür nicht abgeschlossen, waren die Eltern ungehindert in meine Wohnung gelangt (ein Einbrecher hätte ein leichtes Spiel gehabt). Mein Vater meinte, er wolle wieder nach draußen, um den Wagen zu entladen, damit er ihn anschließend auf dem offiziellen Parkfeld abstellen. Ich ging schon hinterher um zu helfen, da rief meine Mutter: "Michael, zieh Schuhe und Strümpfe an und hilf, den Wagen zu entladen." "Du siehst doch, daß ich dabei bin, nach draußen zu gehen, wieso mußt du es auch noch befehlen. Hast du was dagegen, daß ich selber in der Lage bin zu erkennen, daß meine Mitwirkung beim Entladen erforderlich ist." Somit ging ich raus, während meine Mutter mir nachgrölte: "Zieh die Schuhe an, was sollen die Nachbarn denken!" Aber ich war schon draußen. Mein Vater hatte von dem hysterischen Gekeife meiner 75-jährigen Mutter nichts mitbekommen. Aber auch er war erstaunt, wie ich ohne Schuhe aus dem Haus kam. Er konnte es nicht begreifen, daß ich beim Gang durch die Tür um den eisernen Schuhabtreter keinen Bogen machte und auch nicht hinübersprang, sondern darauftrat. Er meinte auch, daß er früher (vor dem 2. Weltkrieg) auch barfuß über Stoppelfelder gegangen wäre, Verletzungen wären an der Tagesordnung gewesen. Jetzt könne er es nicht mehr.
Der Hausmeister hatte den Rasen fertig gemäht und den Rasenschnitt in einen Rollcontainer befördert. Der Container wer so schwer auf dem Untergrund zu schieben, daß er die Hilfe seiner erwachsenen Töchter benötigte, letztere trugen Schuhe. Dabei schoben die Töchter, während der Hausmeister den Container rückwärts zog. Meinem Vater wurde schlecht, wie er sah, daß der Hausmeister mit seinen nackten Füßen immer nahe an die Räder kam. "Siehst du, ich bin nicht der einzige, der leichtsinnig ist", war meine Bemerkung.
Das eigentliche Theater ging erst drinnen los. Meine Mutter meinte, barfuß laufen wäre ungesund für Leute über 30, ich hätte schon so kaputte Füße. Das käme von den Schuhen, meinte ich. Auch glaubte meine Mutter, daß ich mir Fußpilz holen würde. Sie wollte es einfach nicht glauben, daß die Gefahr von Fußpilz größer ist, wenn man geschlossene Schuhe und Socken trägt. Als ich ihr dann noch erzählte, daß meine Knie- und Rückenprobleme sich gelegt hätten, meinte sie: "Wenn man gesundheitliche Probleme hat, muß man zum Arzt gehen. Wenn ein Mensch der Schulden hat, barfuß läuft, um die Arztkosten zu sparen, hätte ich Verständnis dafür, aber dein Gehalt ist hoch genug, daß du dir einen Arzt leisten kannst. Der Arzt will ja schließlich auch etwas verdienen." Das war mir doch zu viel, worauf ich rief: "Ist dir meine Gesundheit weniger wert als der Verdienst der Ärzte? Dann könnte ich ja gleich mit rauchen oder drögeln anfangen, damit die Ärzte nicht arbeitslos werden." "Aber du bist doch früher nie barfuß gelaufen!" "Ist das ein Grund, damit nicht anzufangen?" fragte ich zurück. Plötzlich rief mein Vater dazwischen: "Thema durch!" Meine Mutter fing wieder an, mein Vater versuchte es zu unterdrücken. So ging der Streit zwischen ihnen weiter, während ich mich heraushielt.
So ist es mir gelungen, in meiner Wohnung ohne Schuhe zu laufen. Als wir aber am Wochenende unterwegs waren, trug ich Schuhe. Wir waren auch an Orten, wo ich Schuhe angezogen hätte, wenn ich alleine gewesen wäre. Auf barfüßiges Autofahren wollte ich es auch nicht ankommen lassen, der Wagen gehört schließlich meinem Vater. Ich fahre zwar nicht gerne Auto, aber lieber steure ich den Wagen meines Vaters mit Schuhen, als daß ich barfuß auf den Rücksitz verbannt werden und mein Vater den Wagen steuert. Er ist schließlich 75, ihm traue ich zwar zu, daß er auf Autobahnen fahren kann und besser rückwärts in eine Parklücke als ich als Selten-Autofahrer. Aber Straßen in den Bergen oder in ihm fremden Schweizer Großstädten sind nicht sein Fall. Da fahre ich sicherer, da ich sie vom Radfahren her kenne.
Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion