Reise mit dem Zug (Hobby? Barfuß! 2)

Willi, Sunday, 30.05.2004, 19:24 (vor 7414 Tagen)

Hallo zusammen!

Heute will von meiner Bahnreise berichten, die ich am vergangenen Dienstag unternommen hatte.
Die Reise begann in Triberg im Schwarzwald und endete in meinem Heimatdorf, rund 380km entfernt. Mit der Bahn bedeutet das: 4 Stunden Reisezeit und dreimal umsteigen.
Ich hatte mit vorgenommen, diese Reise barfuß zu unternehmen. Da mich in Triberg niemand kennt entledigte ich mich meiner Schuhe auf dem Weg zum Bahnhof. Vor den Bahnhof war eine Gruppe jugendlicher Mädchen, die mich wohl zuerst bemerkten, sie schauten zur mir her, und als ich näher kam um an ihnen vorbei ins Bahnhofsgebäude zu gehen drehten sie mir den Rücken zu. Es war mir egal.
Im Bahnhofsgebäude habe ich dann eine Fahrkarte bis Karlsruhe gelöst und bin dann auf den Bahnsteig um auf den Zug zu warten. Es war nicht viel los. Ein Mann mit ausländischem Akzent sprach mich am, ob ich eine Telefonkarte hätte. Bei dem kurzen Gespräch betrachtete er meine Füße genau.
Als der Zug kam, nahm ich direkt in einer leeren vierer Sitzgruppe platz. Auf der gegenüberliegenden Seite sass schon eine Frau, die ihre Schuhe ausgezogen hatte, und ihre baren Füße auf den Polstern ausruhte. Unsere Blicke trafen sich, jedoch keine Reaktion von ihr. Zuerst versteckte ich meine Füße unter meinem Sitzplatz. Dann bekam ich mehr Mut und streckte ich die Beine aus, später überschlug ich die Beine sogar, so dass der Unterschenkel waagerecht lag, die Fußsohle jedoch zum Fenster zeigte. Wie ich bemerkte waren die Sohlen nur leicht angegraut. Der Bahnhof Triberg und der Zug waren recht sauber.
Als nun der Zugbegleiter die Fahrkarten kontrollierte, sprach ich ihn an, ob ich bei ihm die Fahrkarte für die Weiterfahrt von Karlsruhe bis in mein Heimatdorf bei ihm lösen könnt. Er setzte sich mir gegenüber und erklärte mir wo ich noch überall umsteigen müsste - sehr freundlich und zuvorkommend. Meine baren Füße sah er wohl sprach sie aber nicht an.
Der Zug füllte sich und mir gegenüber setzte sich eine Frau um die 60. Sie vertiefte sich in eine Buch und sprach kein Wort.
In Karlruhe hatte ich 19 Minuten Aufenthalt. Ich lies die meisten Zugpassagiere vor mir aussteigen. Trotzdem fielen meine nackten Füße beim Aussteigen auf. Aber ich hatte keine Zeit um mich darum zu kümmern. Ich ging zur nächsten Treppe um in die Unterführung zu gelangen. Die Unterführung war voll mit Leuten. So viele Leute, und ich barfüßig mitten drin. Ich ging an zwei Uniformierten vorbei, ohne von ihnen angesprochen zu werden, und erreichte meinen Bahnsteig. Mein Anschlußzug war noch nicht da. Da stand ich nun, - Mitten auf dem Bahnsteig. Meine Sohlen waren durch den Gang in der Unterführung recht dunkel geworden. Ich fühlte mich wie auf dem Präsentierteller. Der Bahnsteig ist noch von den Übernächsten Bahnsteigen her einsehbar. Ich hatte das Gefühl, als ob mich alle anstarrten. In Wirklichkeit waren es jedoch nur wenige die den Kopf nach mir drehten und sich den Hals verrenkten um meine Füße zu sehen, oder den Mann der sowas macht. Die Wartezeit wurde mir lang.
Die beiden nächstenmale waren nicht so schlimm. Auf dem Bahnhof von Neustatt war nicht so viel los und das andere Mal war der Anschlußzug direkt da.
Jetzt stellt sich ein neues Problem. Der letzte Zug bestand nur noch aus zwei Wagons und fuhr bis in mein Heimatdorf. Je näher ich dem Dorf kam um so mehr mußte ich damit rechnen, auf Leute zu stoßen, die mich kennen. Was dann?
Ich hatte mir vorgenommen so lang wie möglich barfüßig zu bleiben. Sollte an den Bahnhöfen jemand zusteigen, den ich kannte, so wollte ich meine Schuhe wieder anziehen. Als wir uns meinem Dorf näherten machten sich nur zwei Kinder bereit zum Aussteigen. Also stieg ich auch barfuß aus. Und nun? Sollte ich es wagen? Es ist rund 1 km bis zu meinem Haus. Ich machte mich auf den Weg, jederzeit bereit die Schuhe aus der Tasche zu hohlen. Am Anfang währe das noch möglich, weil der Weg vom Bahnhof lange überschaubar ist. Aber es war nach Geschäftsschluss und so ging ich durch unsere Einkaufsstraße nach Haus. Komme was da wolle, Augen zu und durch, nun gab es kein zurück und auch kein "schnell die Schuhe an”. Ein Mann begegnete mir, den ich nur vom sehen her kenne. Dieser schaute mich mit offenem Mund an, als ob er das achte Weltwunder sehen würde. Ich ging an ihm vorüber. Ansonsten sahen mich wohl nur noch ein paar Autofahrer. Dann war ich zu Hause.
Alles in allem war diese Reise wohl anstrengender für meinen Kopf (Selbstüberwindung, Scham) als für meine Füße, auf denen ich noch keine zwei km zurücklegte.

Wer gut geht, dem gehts gut
Gruß Willi

Reise mit dem Zug

Andi35 @, Stammposter, Sunday, 30.05.2004, 22:26 (vor 7414 Tagen) @ Willi

Hallo Willi!
Ja, das ist wirklich Kopfsache: was denken die Anderen wohl? Lachen sie mich aus? Erklären sie mich für verrückt? Mir geht es ebenso, aber ich habe schon ein wenig gelernt, damit umzugehen. Die Meisten würden es selbst gerne tun, haben aber nicht den Mut dazu! Du hast das Richtige gemacht, nämlich das, was Dir Spaß macht! ;-) Übrigens! Ich war in einem Internat am Bodensee, da habe ich mit meinen Eltern immer auf der Rückfahrt am Hornberg-Triberg im "Haus der tausend Uhren" einen Stop eingelegt! :-) War dort auch schon mit meiner Gruppe auf den Vogtbauernhöfen! Eine irre schöne Gegend, auch der Bodensee, ich war bei Überlingen, in Bambergen.
Liebe Grüße von Andi!

reflections..

Barfussjan, Stammposter, Monday, 31.05.2004, 02:00 (vor 7414 Tagen) @ Willi

Hallo Willi,

vorab möchte ich Dir sagen: total klasse das Du es trotz Deiner - darf ich mal sagen - Unsicherheiten gemacht hast. Barfussgehen ist aber absolut keine Kopf- sondern viel mehr eine Herzensangelegenheit (Leidenschaft, für mich jedenfalls). Ganz rational gesehen ist es sogar 'nur' eine Körperangelegenheit der natürlichen Fortbewegung.

Reflections.. letztendlich wirst Du in Deiner Umwelt wie in einer Art Spiegel immer nur Dich selber sehen und die Dir entsprechenden Reaktionen auslösen. Eines kann ich Dir mit Sicherheit sagen: wenn Du jetzt auch weiterhin barfuss gehst, kommst Du schnell auf den realistischen Boden einer für Dich entspannten 'Barfusswelt' - und Deine Umwelt wird Dir sogar erheblich dabei helfen - wenn Du diese Art von gegenseitigem Wechselspiel zulässt, lernst Du auch selbstsicher damit umzugehen. Viel Spass dabei (und hoffentlich manchmal auch ein bisschen Herzklopfen) wünscht Dir

Barfussjan

Bahn-Pendler

Pedro, Stammposter, Monday, 31.05.2004, 23:14 (vor 7413 Tagen) @ Willi

Hallo Willi,

zunächst mal meinen Glückwunsch dazu, dass Du Deine Reise so durchgeführt hast, wie Du es wolltest.

Ich bin übrigens Pendler und fahre jeden Morgen und jeden Abend mit dem Zug. Morgens bin ich nur an ausgesprochenen Hochsommertagen barfuß, weil's mir meistens noch zu kalt ist. In der Arbeit trage ich dann Sandalen, im Winter mit, im Sommer ohne Socken. Aber auf der Heimfahrt bin ich an jedem warmen Tag barfuß.

Arbeitskollegen treffe ich selten, da nur wenige auch auf dieser Strecke pendeln. Aber im Laufe der Zeit habe ich einige andere Pendler kennengelernt, die woanders arbeiten. Die meisten steigen immer in denselben Zugteil ein (vorne, Mitte, hinten) und fahren morgens immer mit demselben Zug. So lernt man sich kennen. Abends verteilt sich das dann, weil man je nach Arbeitsfortschritt mal mit dem einen, mal mit dme anderen Zug fährt. Meine Bekannten haben sich an meine Barfüßigkeit gewöhnt. Kommentare kriege ich selten und wenn, dann enthalten sie meistens Wörter wie "Sommer" oder "Freizeit", will also heißen, die Leute haben mich verstanden (verstanden in dem Sinne, dass sie meine Motive richtig interpretieren, nicht in dem Sinne, dass sie's nachvollziehen können).

Übrigens fahren abends auch oft Polizisten in Uniform mit, die offensichtlich im Dienst sind (nicht ihrerseits Pendler auf der Heimfahrt). Oft haben sie meine baren Füße gesehen, aber kontrolliert haben sie mich nie. Auch von den Schaffnern kamen (fast) nie Kommentare.

Gibt's hier im Forum noch andere barfüßige Zug-Pendler? Wie sind Eure Erfahrungen?

Barfuß-Gruß
Pedro

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