Kontrollen im Zug (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Thursday, 27.05.2004, 10:19 (vor 7430 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Markus,
als ich las, wie Du im Zug von den Polizisten schikaniert wurdest, mußte ich einfach antworten, obwohl mein Fall nicht mehr allzu viel mit "barfuß" zu tun hat, wenn man von der Tatsache absieht, daß ich wenigstens keine Socken anhatte und im Zug die Wanderschuhe kurzzeitig auszog, um Blätter und ähnliches zu entfernen.
Als ich gegen 10.30 Uhr am Bahnhof Huntlosen war, zeigte das Thermometer im noch -4°C. Aber der blaue Triebwagen der Nordwstbahn nach Osnabrück war geheizt, so daß ich auftaute. Die Fahrgäste registrierten erst als ich die Jacke auszog und darunter statt Wollpullover nur ein T-Shirt hervorkam, daß ich auch unterhalb der Gürtellinie nicht übermäßig winterlich angezogen war. In Cloppenburg betraten zwei Polizisten den Zug. Sie sprachen mit einem Fahrgast, der mit dem Finger in meine Richtung zeigte. Die Beamten gingen an mir vorbei und setzten sich hinten in den Wagen. In Osnabrück verließ ich den Zug, die Beamten folgten mir. Ausgerechnet an einer Stelle, wo der Wind besonders pfiff und auch die ersten Schneeflocken hingelangten, hielten sie mich an. Ich mußte den Rucksack öffnen, sämtliche Papiere zeigen usw. Sogar die Jacke (nicht aber die Schuhe) mußte ich ausziehen, damit sie sie untersuchen konnten. Sie fragten, wo ich herkam, wo ich hinwollte, begriffen gar nichts. Nach einer Viertelstunde waren sie fertig mit mir. Der ältere sagte zu mir: "So wie Sie hier herumlaufen, ist es in Deutschland nicht verboten. Da wir auch sonst nichts verdächtiges gefunden haben, müssen wir Sie leider laufen lassen. In den USA hätte man Sie auf der Stelle festgenommen." Der jüngere, etwas freundlichere Beamte meinte: "Ich habe gesehen, daß Sie auch wärmere Kleidung dabei haben. Ziehen Sie sich bitte um, wenn Sie weiterreisen!" Ich verließ die Beamten und schritt zum anderen Bahnsteig, wo bereits der Anschlußzug wartete. Kleidung wechseln, wo ich jetzt nur noch warme Züge vor mir hatte sowie einen Kilometer Fahrradstrecke vom Bahnhof nach Hause? Ohne mich! Ärger mit der Obrigkeit bekam ich nicht mehr. Mit Polizisten kam ich nicht mehr in Kontakt, und Schaffner sind humaner. Auch mit Zöllnern hatte ich keinen Ärger.
Mit kopfschüttelnden Grüßen
Michael aus Zofingen

Hi Michael!

Was Du erlebt hast, ist ja noch unangenehmer als mein Erlebnis mit den Blödmännern vom Bundesgrenzschutz.
Ich vermute mal, daß es dieser Fahrgast, mit dem die Polizisten gesprochen hatten und der mit dem Finger in Deine Richtung zeigte, derjenige war, der sie möglicherweise über Mobiltelefon herbeigerufen hatte.
In Deinem Falle war es besonders hinterhältig, daß sie sich im Zuge nichts anmerken ließen, sondern warteten, bis Du ausgestiegen warst (ich weiß freilich nicht, wie lange der Zug von Cloppenburg nach Osnabrück braucht). Wenn die Kontrolle auf dem kalten Bahnsteig dann eine Viertelstunde gedauert hat, dann war das reine Schikane, denn Du hättest ja auch beispielweise nur wegen dieser blödsinnigen und überflüssigen Kontrolle Deinen Anschlußzug versäumen und dadurch wertvolle Zeit für nichts verlieren können. Gottlobs hattest Du ja Deinen Anschlußzug doch noch erreicht, aber das konnten die Polizisten, während sie Dich kontrollierten, nicht wissen.
Bei obrigkeitlichen Maßnahmen gegen potentielle "Störer" muß ststs das mildeste aller möglichen Mittel eingesetzt werden, jede Art von Schikane ist verboten. Wenn sie also meinten, Dich unbedingt kontrollieren zu müssen, dann hätte das in dem Zuge zwischen Cloppenburg und Osnabrück geschehen müssen. Die Kontrolle auf dem Bahnsteig war hingegen rechtswidrig. Und die Bemerkung, daß sie Dich "leider" laufen lassen müßten, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB).

Daß Schaffner weitaus toleranter sind, ist richtig. Die kontrollieren lediglich, ob jeder Fahrgast einen gültigen Fahrausweis dabei hat; alles andere interessiert sie nicht. zudem wird JEDER im Zuge kontrolliert, was gerecht ist (entweder alle oder keiner). Nur ein einziges Mal ist es mir im Dezember 2002 passiert, daß eine Schaffnerin mich wegen meiner Barfüßigkeit unter dem absurden Vorwande der "Hygiene im Lebensmittelbereich" aus dem Speisewagen wies, was zwar ärgerlich, aber nicht weiter schlimm war, da ich bereits gegessen hatte und auch rasch einen anderen attraktiven Platz finden konnte.

Gegen die Zivilfahnder habe ich schon deswegen was, weil die bei ihren Kontrollen selektiv vorgehen (und da ich von denen ständig kontolliert werde, sehe ich offenbar auch dann verdächtig aus, wenn ich nicht barfuß bin). Einmal wurde ich sogar nach einem Gerichtstermin in Augsburg im Februar 2003 auf dem dortigen Bahnsteige kontrolliert - und zu Gerichtsterminen erscheine ich stets in Anzug, weißem Hemd und Krawatte und schwarzen Halbschuhen (und daß ich auch dann keine Sokken trage, sieht man nicht, weil die Kleidung bereits beim Kauf mit Bedacht so gewählt wurde, daß der Hosensaum auch beim Sitzen den oberen Abschluß der Halbschuhe bedeckt). Auch diese Kleidung hatte nicht verhindert, daß ich (wieder mal) unter denen war, die für eine Kontrolle "ausersehen" waren.

Barfüßige Grüße aus München,
Markus U.


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