Meine erste schulose "Bergwanderung" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 24.05.2004, 11:20 (vor 7433 Tagen)

Eine Kaltfront hatte dem heißen Himmelfahrtswetter ein Ende gemacht. Am darauffolgenden Sonntag (23.5.2004) aber machte sich die Sonne wieder breit, aber ein starker Ostwind sollte die Temperaturen in Grenzen halten. Würde sich da nicht eine Barfußwanderung anbieten, wo doch tags zuvor starke Regenfälle den Boden angenehm begehbar gemacht haben? Mir schwebte der "Born" vor, ein Höhenzug am Ufer der Aare. Schon öfters war ich dort, aber nur mit Schuhen. Ist das überhaupt für einen Gelegenheits-Sommerbarfüßer wie mich zu schaffen oder ist dazu eine Fakirsausbildung nötig. Der erste Teil des Weges führte noch in der Ebene bis Aarburg (asphaltierte Quartierswege, geschotterte Ufer, teilweise mit Ausweichmöglichkeit auf Wiesen oder frisch gepflügtes Land. Nach Aarburg folgte der Aufstieg. Ich war angenehm überrascht: Mal Waldboden, mal rutschiger Lehmboden, mal steinreicheres Partien. Aber die Steine waren wirklich angenehmer als die auf dem geschotterten Uferweg. Sie waren meist abgerundet und bildeten mit dem Boden quasi eine Ebene. Da der Weg nicht von Fahrzeugen (außer Mountainbikes) befahren wird, werden keine Steine hochgeschleudert. Unangenehm wurde es nur, wenn man auf eine scharfkantigen Felsbrocken trat, der kürzlich abgebrochen war. Aber die waren selten.
Bei Olten verließ ich den Born, wanderte durch die schöne Altstadt, über die gedeckte Holzbrücke, durch die Bahnhofsunterführung zum Tierpark "Mülitäli". Von hier aus wollte ich auf den Engelberg. Teilweise waren hier die Wanderwege ähnlich angenehm wie im Born, teilweise führten sie auch über geschotterte Feldwege. Diese waren unangenehmer. Neben dem Weg war nicht viel Platz. Teilweise lag zwar Laub, aber die darin verborgenen Felsbrocken konnte man nicht sehen. Wenigsten mußte man hier nicht mit Scherben rechnen. Auf der Höhe war der Weg besonders übel, es folgte noch ein Weg, der mit zertrümmerten Dachziegeln und Eternitplatten treckergerecht hergerichtet war. Eine aufrechte Eternitscherbe führte zu keiner Verletzung. Eternit enthält lungenkrebserzeugendes Asbest. Wie lange dauert es wohl, bis eine Asbestfaser im Fuß benötigt, um in die Lunge zu wandern, um dort Krebs auszulösen? Oder geht das nur via Lunge? Dort folgte ein besonders matschiger Abstieg, ein Weg, den ich früher - mit Schuhen - gehaßt habe, jetzt aber war ich froh um die lehmige Abkühlung. Es folgte ein Asphaltweg, als ich an einem Bauernhof vorbeikam, wo Leute herumstanden. Einer meinte: "Der hätte auch schönere Wege gehen könne!" Über einen Trampelpfad (der offizielle Weg war gekiest) kletterte ich den Burghügel hoch zur Ruine Wartburg. Ich hätte nie gedacht, daß es barfuß soviel Spaß bringt, einen relativ steilen Hügel aus weichem Boden ohne viel Steine, aber mit kleineren Bäumen hochzusteigen. Irgendwie findet man mit den Zehen Halt im feinen Wurzelwerk. Mit Turnschuhen würde man leichter ausrutschen. Flipflops kann man hier vergessen.
Die Ruine Wartburg besteht nur aus wenigen Mauerresten, sehr interessant. Das barfüßige Besteigen der begehbaren Teile wäre wesentlich angenehmer, wenn es da nicht Leute gäbe, die die Ruine für Lagerfeuer mißbrauchen und "selbstverständlich" auch mal Flaschen zerdeppern. Als ich mich von den Ruine zum Parkplatz begab, trauten einige Leute ihren Augen nicht. Auf dem benachbarten Hügel steht nämlich das "Sälischlößli", ein Restaurant, das über den Fundamenten einer Burg errichtet wurde. Eine kurze Zeit hatte dieses Gebäude sogar internationale Bedeutung: Der Chefkoch der britischen Queen, ein Schweizer namens Mosimann, hatte das Restaurant gepachtet und die Idee gehabt, dort einen Restaurationsbetrieb zu errichten, zu dem man nur Zutritt haben sollte, wenn man Mitglied eines Klubs ist, so wie es in England keine Seltenheit ist. Selbst teure Umbauten, wurden durchgeführt, das derart verschandelte Gebäude hieß im Volksmund "Mosimohrsches Palais". Der Plan scheiterte kläglich: Die Schweiz ist nicht "merry old England", und die freien Schweizer wollen nicht erst lange einem Klub beitreten, um während Wanderung mal eben ein Bier zu trinken. Sehr vernünftig. Was wäre wohl passiert, wenn ich meine Klubmitgliedschaft beantragt hätte? Ich hätte sie bekommen, so etwas kann man ohne persönlich erscheinen zu müssen. Als Chemiker mit Doktortitel bin ich sicher geeignet. Um wieder on-topic zu werden. Was wäre wohl passiert, wenn ich dort in T-Shirt, kurzen Hosen und barfuß (noch mit den Resten des letzten Schlammweges an den Füßen) meinen Ausweis präsentiert hätte?
Ich aber wanderte an der Felsmauer unterhalb des Restaurants vorbei, ein 50 cm breiter Pfad führte durch ein Brennesselfeld. Ob hier früher die Küchenabfälle über die Mauer gekippt wurden. Auf anderen Weg wanderte ich nach Olten. Ich entschied mich abermals für den Born. Aber meine Füße spürten diesmal die Steine deutlich stärker als auf dem Hinweg. Als ich mich in Aarburg auf eine Bank setzte, stellte, wurde mir schwindelig, vermutlich als Folge meiner Krankheit. Etwa eine halbe Stunde verweilte ich auf der Bank, noch lagen etwa 6 km vor mir bis nach Hause. Wie weiter? Kieswege entlang vom Ufer? Wenig befahrene Asphaltwege? Die Kantonsstraße mit angenehmerem Untergrund? Oder zum Bahnhof, um mit dem Zug zu fahren?. Ich entschied mich für Nebenstraßen, teilweise aus schlechtem Asphalt. Ziemlich erschöpft kam ich gegen 19 Uhr zu Hause an, 11 Stunden war ich unterwegs. Trotz alledem hat mir diese "Bergwanderung" gefallen. Aber bis ich "richtige" Berge ohne Schuhe schaffe, werden wohl noch ein paar Jahrzehnte vergehen.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Meine erste schulose "Bergwanderung"

UlliDO, Stammposter, Monday, 24.05.2004, 23:37 (vor 7433 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Immer wieder interessant und lesenswert, Deine Wochenendbeiträge!
Übrigens: Asbestfasern dringen nicht durch Haut, die sind so winzig und fein, d. h. sie werden ausschließlich eingeatmet, setzten sich in der Lunge fest und können da Krebs auslösen.

Gruß
UlliDO

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