Barfuß über Friedhöfe und in der Nähe von Fußballfans (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 19.04.2004, 12:19 (vor 7469 Tagen)

Nach einem schönen, schuhlosen Samstag meinerseits und einer verregneten Nacht bäumte sich am gestrigen Sonntag (17.4.2004) noch einmal der Föhn auf. Wieder radelte ich ohne Schuhe an die Aare und wanderte von dort am Aareufer entlang in die Stadt Aarau, mit ihren kühlen gepflasterten Altstadtgassen, den Treppen, den Betonplatten der Fußgängerzone. Ich kann es einfach nicht lassen! Andererseits wollte ich auch noch andere Teile der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes erspüren, was mir früher nur durch eine ca. 5 mm dicke Gummisohle möglich schien. Da bot sich der Friedhof mit seinen von der Sonne erwärmten Steinwegen geradezu an. Zwar besitzt dieser auch Kieswege, aber diese benutzte ich nicht.
Friedhof und barfuß? Früher war ein Friedhof ebenso wie eine Kirche ein heiliger Ort. Dorthin geht "man" in ordentlicher Kleidung mit Schuhen. Oder man geht dorthin zum Arbeiten, dann trägt man Gummistiefel. Andererseits: Laufen "Heilige" nicht auch barfuß? Zweifellos bin ich weder ein Heiliger, noch ein Seliger, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Der einzige, der darüber urteilen darf, ob ich auf dem Friedhof Schuhe tragen muß oder nicht, ist der liebe Gott persönlich. Wenn er der Meinung ist, daß es nur Heiligen geziemt, barfuß über den Kirchhof zu wandeln, dann wird er mich dafür bestrafen, und ich werde sein Urteil akzeptieren. (Aber nur das Urteil von Gott persönlich, nicht von Gottes "Bodenpersonal"). Übrigens: Auf dem Gottesacker schien niemand der anwesenden älteren Herrschaften meine Barfüßigkeit zu bemerken.
Ich verließ den Friedhof und wanderte über Quartiersstraßen zur WSB-Haltestelle Distelberg. Es folgte ein weniger barfußfreundlicher Weg durch einen Wald. Als der Weg an einer Hochhausanlage vorbeiführte, verließ ich ihn und und lief über den Rasen. Durfte ich das überhaupt? Nirgendwo ein Verbotschild, nirgendwo ein Zaun. Bei Einfamilienhäusern habe ich Hemmungen, über Rasenflächen zu laufen, aber bei riesigen Wohnanlagen? Niemand hat gemeckert, daß ich den Rasen betrat.
Plötzlich füllten sich die Wege mit Leuten, da der "Tschutimatch" Aarau gegen Basel kurz vor dem Anpfiff stand. Viele Fans gingen von den Parkplätzen und vom Bahnhof in Richtung Stadion. Jetzt aber hörte ich reihenweise Kommentare zu meiner Barfüßigkeit, unter anderem: "Das ist sicher ein Basel-Fan, der kommt vom Barfüßerplatz!" Aber auch "Hochsommer" tönte es aus manchem Mund. Irgendwie konnte ich die Bemerkungen nur mit einem freundlichen Grinsen quittieren. In der Fußgängerzone überholten mich ausländische Jugendliche mit ihren Trottinetts, einer fragte: "Ist es bequem, hier barfuß zu laufen?" Was ich angesichts der warmen Gehwege nur bejahen konnte. In der Altstadt begegneten mir wieder Fußballfans, die jedoch schon reichlich angetrunken waren. Sie schrieen hinter mir her: "S..i!" Hielten die mich dank des Alkoholkonsums bereits für eine Frau?
Mich aber zog es wieder zurück an der Aarestrand, die Sonne wurde doch mächtiger. Aber nur bis etwas 16 Uhr, dann bezog es sich und der Wind kam auf. Während ich nach Hause radelte, setzte ein leichter Regen ein. Und schon änderte sich die Gesinnung der Leute. Während sich während der Trockenheit niemand daran störte, daß ich beim Velofahren keine Schuhe anhatte, so sahen sie mich nun so an, wie wenn ich von einem fremden Planeten stamme. Gibt es irgendein ungeschriebenes Gesetz, das das barfüßige Radfahren in der Sonne erlaubt, im Regen aber verbietet?

Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen

Barfuß über Friedhöfe und in der Nähe von Fußballfans

Andi35 @, Stammposter, Tuesday, 20.04.2004, 01:31 (vor 7468 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael!
Ich finde es gut, wie Du Deine Erlebnisse schilderst. Ja, die Angetrunkenen sind meistens die, die aggresiv sind und Streit suchen oder dumme Bemerkungen machen, das sind auch die guten "Freunde", die uns Barfußläufern "Steine" Namens Glas in den Weg legen, oder besser werfen und uns so den Spaß ein wenig vermiesen. Sie verbreiten auch eine schlechte Stimmung und sorgen dafür, dass sich viele Mitmenschen ängstlich und unsicher fühlen! Ich finde es super, dass Du getan hast, als hörtest Du es nicht, ist das Beste!
Liebe Grüße von Andi!

Barfuß über Friedhöfe und in der Nähe von Fußballfans

steveh, Thursday, 22.04.2004, 20:32 (vor 7465 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Friedhof und barfuß? Früher war ein Friedhof ebenso wie eine Kirche ein heiliger Ort. Dorthin geht "man" in ordentlicher Kleidung mit Schuhen. Oder man geht dorthin zum Arbeiten, dann trägt man Gummistiefel. Andererseits: Laufen "Heilige" nicht auch barfuß? Zweifellos bin ich weder ein Heiliger, noch ein Seliger, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Der einzige, der darüber urteilen darf, ob ich auf dem Friedhof Schuhe tragen muß oder nicht, ist der liebe Gott persönlich. Wenn er der Meinung ist, daß es nur Heiligen geziemt, barfuß über den Kirchhof zu wandeln, dann wird er mich dafür bestrafen, und ich werde sein Urteil akzeptieren. (Aber nur das Urteil von Gott persönlich, nicht von Gottes "Bodenpersonal"). Übrigens: Auf dem Gottesacker schien niemand der anwesenden älteren Herrschaften meine Barfüßigkeit zu bemerken.

Da brauchst du kein schlechtes Gewissen zu bekommen. Heilige werden sehr oft barfuss dargestellt mit den Statuen. Das mag zwar davon kommen dass viele Heilige als Märtyrer starben (Hinrichtung durch Römer, oder andere Europäer, beim Versuch zu missionieren). Und bei Hinrichtungen im Altertum waren die Opfer meist schon vorher ihrer Schuhe und teilweise Kleidung beraubt worden.

Andererseits war Barfusslaufen in geschlossenen Räumen in der Antike (Römer und Griechen) auch nicht so selten. Sandalen wurden auf der Strasse getragen wegen des Schmutzes und der harten Steine.

Aber der Franz von Assisi ist ein Heiliger von dem überliefert ist dass er, ursprünglich ein reicher italienischer Geschäftsmann, als Zeichen seines extrem einfachen Lebens fortan meist barfuss war.
Und sicherlich deswegen versuchen heute Pilger auf den letzten paar Kilometern Marsch nach Assisi, dies nachzuahmen.

Einige andere Heilige waren auch Mönche, und in einigen Orden wurden vielleicht auch als "Zeichen des Verzichts" in geschlossenen Räumen keine Schuhe getragen (?).

Franz von Assisi und weitere barfüßige Orden

Markus U., Stammposter, Friday, 23.04.2004, 09:57 (vor 7465 Tagen) @ steveh

Hi steveh!

Andererseits war Barfusslaufen in geschlossenen Räumen in der Antike (Römer und Griechen) auch nicht so selten. Sandalen wurden auf der Strasse getragen wegen des Schmutzes und der harten Steine.
Aber der Franz von Assisi ist ein Heiliger von dem überliefert ist dass er, ursprünglich ein reicher italienischer Geschäftsmann, als Zeichen seines extrem einfachen Lebens fortan meist barfuss war.
Und sicherlich deswegen versuchen heute Pilger auf den letzten paar Kilometern Marsch nach Assisi, dies nachzuahmen.

Im Mittelalter konnten sich viele arme Leute keine Schuhe leisten und mußten daher das ganze Jahr über barfuß gehen; Schuhe waren ein Zeichen von Reichtum. Daß der hl. Franz von Assisi die Schuhe auszog, um für den Rest seines Lebens barfuß zu gehen (er erschien auch barfüßig sowohl vor dem Papst als auch später vor dem Sultan von Ägypten), hatte mit seiner Liebe zur Armut (die er im Stile damaliger Minnesänger als "edle Frau Armut" bezeichnete, welcher er hingebungsvolle Hymnen dichtete) und seiner gelebten Solidarität mit den Armen zu tun. Er wollte wie sie nichts besitzen außer einer groben Kutte, um seine Blöße zu bedekken, keine feste Behausung haben, und sein Brot an den Türen der Reichen erbetteln. Auch von seinen Brüdern verlangte er, daß sie so zu leben hätten.
Doch bereits kurze Zeit nach seinem Tode, als sich sein Orden schon ziemlich weit in Europa ausgebreitet hatte, machten sich Aufweichungstendenzen breit (unter anderem waren etliche Brüder nicht mehr bereit, barfuß zu gehen), und es kam um 1230 zum "Armutsstreit", der den Franziskanerorden in mehrere Zweige (Observanten, Minoriten und Kapuziner) zerriß. Dennoch war das Barfußgehen in der ersten Zeit des Ordens gewissermaßen zu einem "Markenzeichen" der Franziskaner, die man in den folgenden Jahrhunderten als "Barfüßer" bezeichnete, obwohl sie schon längst nicht mehr barfuß gingen. Die "Milderungen" kamen auch hier schrittweise: Erst waren Sandalen erlaubt, dann Sokken, schließlich geschlossene Schuhe mit Sokken. Barfüßige Franziskaner heute? Fehlanzeige! "Ein Geistlicher tut so etwas nicht", würde es wohl heißen.

Einige andere Heilige waren auch Mönche, und in einigen Orden wurden vielleicht auch als "Zeichen des Verzichts" in geschlossenen Räumen keine Schuhe getragen (?).

Darüber kann ich nichts bestimmtes sagen, zumal ich weder Mönch noch römisch- katholisch bin, aber ich weiß, daß es außer den frühen Franziskanern auch noch andere Ordensgemeinschaften gab, in denen das Barfußgehen üblich war, nämliche bei den Unbeschuhte Karmeliten, wo im 16. Jh. der hl. Johannes vom Kreuz für den männlichen und die hl. Teresa de Ávila für den weiblichen Zweig das Barfußgehen einführte. Dieses stieß schon damals nicht bei allen Brüdern und Schwestern auf ungeteiltes Wohlgefallen, was schließlich auch zur baldigen Teilung des Ordens in einen beschuhten und einen unbeschuhten Zweig führte. Doch auch bei den "unbeschuhten" Karmeliten wurde das Barfußlaufen mehr und mehr eingeschränkt mit der Folge, daß die heutigen "unbeschuhten" Karmeliten tatsächlich beschuht sind.

Ein weiterer Orden, zu dessen Regel das Barfußgehen gehörte, sind schließlich die Kamaldulenser. Da das Verbreitungsgebiet dieses Ordens heute nur noch auf Italien begrenzt ist und es sich um einen sehr strengen Orden handelt, könnte es sein, daß die Kamaldulenser oder vielleicht einige von ihnen auch heute noch barfuß gehen, aber dazu kann ich nichts sagen. Vielleicht wissen unsere italienischen Barfußfreunde hier besser Bescheid?

Es ist jedenfalls sehr schade, daß barfüßige Mönche offensichtlich früheren Jahrhunderten angehörten und heute nicht mehr vorkommen dürften.

Etwas melancholische, aber nichtsdestotrotz barfüßige Frühlingsgrüße,
Markus U.

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