Angstneurosen, Studios, Versicherungen... (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Saturday, 03.04.2004, 08:59 (vor 7485 Tagen) @ Barfussjan

Hi Barfußjan!

In dem Streben nach dem Materiellen sehe ich nicht das eigentliche Problem - hierzu hatte ich unter Re-Indien-barfuss.. am 01.04. etwas geschrieben - das Fatale ist, dass wir schon lange nicht mehr auf solide, langlebige, echte Werte "made in Germany" ansparen und uns dann darauf und darüber freuen können. Was damals bereits die '68 als Konsumterror bezeichnet haben, ist m.E. erst heute als Konsumneurose wirklich eingetroffen - mein BWL-Lehrer hat s.Zt. einmal gesagt, Produkte werden hergestellt, um verkauft und dann vernichtet zu werden - hart, aber wahr - die Welt hat seit dem das Akkordtempo der Ressourcenvernichtung weiter beschleunigt und ist dadurch bestimmt nicht schöner geworden. Dies zum Thema Angstneurosen einer Gesellschaft, die hechelnd auf der Jagd nach schnellebigen Ersatzerfüllungen in sich selber keinen gemeinsamen Halt mehr findet - kann man sich dagegen versichern ? - und ist man wirklich abgesichert, wenn man's dann schriftlich hat ?

Die '68er waren eine zerstörerische Generation, die alle echten Werte sowie die stabilen, Geborgenheit gewährenden zwischenmenschlichen Bindungen gnadenlos zerhackt haben, aber nicht fähig waren, etwas Gleichwertuiges zu schaffen. Sie haben nur zerstört, aber nichts aufgebaut. Eine werte-lose Gesellschaft strebt dann nach Materiellem und Konsum im Sinne einer Erssatzbefriedigung. Da den meisten Menschen auch die spirituellen oder religiösen Werte verlorengegangen sind, haben sie auch keine Antwort auf die Fragen nach den letzten Dingen des Lebens und fühlen sich vielfältigen Bedrohungen hilflos ausgeliefert, daher dieses immer weiter perfektionierte Streben nach Sicherheit, welches jedoch nie an sein letztes Ziel gelangen kann.
Hierzu wäre noch viel zu schreiben, aber dies würde zu weit "Off topic" führen, daher nur diese wenigen Grundgedanken.

..Ein guter Freund meinte vor Monaten: "Wenn Du barfuß durch die Stadt läufst, stellst Du Sinn und Zweck gesellschaftlicher Konventionen in Frage."

Welche gesellschaftlichen Konventionen? - vielleicht Anstand? -
nein, ich glaube heute eher, dass einige Leute, die selber keinen eigenen Bezug zum barfusslaufen haben (das dürften sehr viele sein) das einfach nicht nachvollziehen können und dann auch schon mal entsprechende Kommentare aus ihrer Sicht dazu abgeben.

Wie sollen Menschen auch einen Bezug zum Barfußlaufen entwikkeln, wenn sie schon als Säuglinge in Schuhe gezwängt werden und außer vielleicht am Strand (da "darf" man es ja - oder sind nicht vielleicht doch Badeschuhe besser - wegen Quallen oder so - man weiß ja nie) nirgendwo barfuß gehen und derlei auch kaum je sehen?
Für solche Menschen ist es selbstverständlich, daß man eben immer und überall Schuhe trägt, und daß jemand in unseren Breiten auch im Winter bei Eis und Schnee barfuß geht, sprengt mancher Leute Vorstellungskraft vollkommen. Deshalb genieße ich vor allem im Winter auch die Blikke derer, die ganz plötzlich ohne jede Vorbereitung etwas sehen, das für gänzlich unmöglich und unvorstellbar gehalten hätten. Aber auch im Sommer begegnet man nicht selten verständnislosen Blikken und muß Fragen über sich ergehen lassen wie: Tut das nicht weh? Habt Ihr keine Angst vor Glasscherben, Hundehaufen...?" oder Bedenken wie "Davon kriegt man doch drekkige Füße..." und allerhand sonstiges dummes Zeug.
Es ist im Grunde wirklich erschütternd, wie sehr die beschuhte Gesellschaft den Boden der Tatsachen unter den Füßen buchstäblich verloren hat.

Ebenfalls ein schönes Wochenende barfuss auf den eigenen (und damit angstneurosenfreien) Wegen wünscht euch :-) Barfussjan

Desgleichen,
Markus U.


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