Indien - barfuss und mit Rucksack! Teil 2 (Hobby? Barfuß! 2)

Steve CH, Thursday, 01.04.2004, 17:37 (vor 7486 Tagen)

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Inzwischen waren meine Sohlen derart abgehärtet, dass ich auch bei einer Aussentemperatur von 45°, wolkenlosem Himmel und dunklem Asphalt fast nichts mehr wahrnahm. Auch irgendwelche ekligen Hindernisse galten inzwischen als "normal" und ich wanderte so unbekümmert meines Weges. Hört sich jetzt, ohne es erlebt zu haben vielleicht unglaubwürdig und schwer vorstellbar an, war aber so. In Mumbai angekommen war ich also "barfuss fit" für die 17 Mio Einwohner City. Vom Airport ging’s dann zum Taj Mahal Hotel. Es gilt als eines der edelsten Adressen in ganz Asien. Total vornehm und fast ein Jeder mit Anzug und Krawatte. Eben nur fast Alle, denn da waren wir! Zum einen meine Frau mit total verschlissenen Flip Flops. Zum anderen ich mit meinen am Abend und von der Reise naturgemäss total schmutzigen baren Füssen. Ich habe auch hier nicht gekniffen und fühlte mich auf dem Weg durch die Hotelhalle zur Rezeption eigentlich völlig relaxt.
Ich glaube aber doch, den Blicken der Anwesenden nach zu urteilen, so etwas hat man im Taj Mahal nur sehr selten, wenn überhaupt je gesehen. Manchmal ein wenig zu provozieren hat aber noch nie geschadet! Jedenfalls war es schon spät und wir sind gleich in eines der edlen fünf Sterne Restaurants gegangen und ich war mir sicher mit meinen auch von oben, über die Zehen hinweg schmutzigen Füssen nun zurückgewiesen zu werden. Aber, auch hier Toleranz pur.
Am nächsten Morgen sind wir zunächst zum "Gateway of India" marschiert. Noch nie habe ich derart russige Bodenbeläge gesehen, pechschwarz und überall wurde gespuckt was das Zeug hielt. Ich glaube hier hätte ich fast aufgegeben, wenn ich Schuhe dabei gehabt hätte. Hatte ich aber nicht und ausserdem so kurz vor dem Ziel! Es sollte aber noch schlimmer kommen.
Der "Crawford Market" ist einer der eindruckvollsten Märkte die ich je besucht habe, aber auch der unhygienischste und schmuddeligste zugleich. Zwar sind die Obst und Gemüse Stände wunderschön dekoriert, schaut man aber dahinter, daneben, oder vor allem darunter könnte einem schlecht werden. Eine einzige schmierige Masse überzieht den Boden. Wenn man sich über die super riechende Gewürz Sektion dann zum sogenannten Fleisch Markt begibt, kommt es manchem dann sicherlich wirklich hoch. Wie die Inder mit Geflügel und Tier umgehen!? Man muss es erlebt haben! Schaut Euch die Bilder an. Als wir nach einer Stunde genug Eindrücke und ich, wer weis was alles unter den Sohlen gesammelt hatten, ging es dann zum Silberschmuck Bazar. Wieder endlose Strassen, glühender Asphalt und Hitze, Hitze, Hitze.
Ein Moschee Besuch konnte für kurze Zeit etwas Abkühlung bringen.
Danach noch der sehr ansehnliche "Bahnhof" und die "Singh Road" dann waren sämtliche Akkus leer. Ich glaube mit Schuhen, hätte ich das Pensum nie geschafft. Unglaublich wie viel und welch feste Hornhaut sich bei einer solchen Belastung in nur zwei Wochen bildet. Obwohl ich seit Jahren auf Reisen barfuss unterwegs bin, war das auch für mich neu.
Nach einer Pause im Hotel gingen wir abends auf Restaurant Suche. Da wir die original scharfe indische Kost lieben, sollte man nur in typisch indischen Lokalen speisen. In Hotels und Touristen Restaurants hat man die Würzung angepasst und nach meinem Geschmack die Identität verloren. Ich glaube übrigens, dass wir wegen der scharfen Gerichte auch keine Magenprobleme bekamen. Die Schärfe lässt den Bakterien einfach keine Chance!
Nachdem wir einen netten älteren Inder kennen gelernt hatten und zunächst gemeinsam einen Drink genommen hatten, luden wir Ihn schliesslich zum Dinner ein.
Ich sage Euch, die Manieren und Essenssitten sind wirklich mehr als gewöhnungsbedürftig. Aber wir haben so vieles über Indien gehört und eine weiter Erfahrung gemacht. Wie sich hinterher nämlich herausstellte, war das eine gekonnt inszenierte Anmache und der nette Herr lässt sich auf diese Art und Weise aushalten. Zwar war auch vieles was er uns erzählt hatte von anno dazumal, aber es war dennoch unterhaltsam. Wir gingen, nachdem der Inder mit Doggy bag (alles was im Restaurant irgendwie essbar war, musste von den Kellnern eingepackt werden) bereits vor uns gegangen war, zu Fuss Richtung Hotel. Unser Freund war den ganzen Abend über völlig fassungslos gewesen, dass ich im Taj Mahal wohnte und barfuss durch die City lief. Wir waren jedenfalls eine auffällige Truppe und hatten die freundliche Aufmerksamkeit und Gesprächsbereitschaft der gesamten Belegschaft des sehr guten Restaurants ausgelöst.
Am nächsten Tag besuchten wir das "Mahatma Gandhi Museum" (very interesting!), die "Hängenden Gärten", einen weiteren Tempel "Walkeshwar" und die wirklich beeindruckende "Dhobi Ghat", eine open air Wäscherei von gigantischem Ausmass. Hier wird die Wäsche in unzähligen Waschkübeln, ausschliesslich von Männern mit der Hand sauber gewaschen.
Letztendlich wollten wir auch noch eine Getto Gegend mit in unseren Erfahrungsschatz aufnehmen und fuhren mit einem Führer in eine solche. Erste Massnahmen der Regierung sind dort sichtbar, aber der Weg ist weit, die Armut unvorstellbar und die Zeit knapp.
Nach einem abschliessenden, final Shopping ging der Indien Marathon zu Ende. Wir sind dann noch nach einer Pause, einer letzten Dusche und einem letzten Abendessen zum Flughafen aufgebrochen. Noch einmal indischen Grund und Boden unter den Füssen und: Schon im Flugzeug fing ich an die typischen Gerüche, Farben der Märkte und vor allem die Inder selbst zu vermissen. Auch die unvergesslichen Wahrnehmungen unter meinen Sohlen werde ich nie vergessen. Es war wirklich BARFUSS PUR!
Noch heute, eine Woche danach sind Spuren der vielen, vielen km und des unglaublichen Schmutzes sichtbar. Immerhin alles ohne Blessuren. Auch keine Infektionen, oder gar Durchfall Erkrankungen. Barfuss hält eben fit und Dreck lässt sich ja schliesslich abwaschen, zumindest mit der Zeit.
Super schön und interessant war es allemal.

Fazit: Armut kann erdrückend sein, besonders wenn wir sie mit unserem Standard messen! Menschen die es nie anders erlebt haben, können auf ihre Weise damit fertig werden. Viele Augen in die ich blickte, verrieten trotz Mittellosigkeit keine Hoffnungslosigkeit. Manche Menschen die mir in unserem Breitengrad begegnen, strahlen mehr Unmut aus wie ich es in den Strassen Indiens erlebt habe.
So zum Beispiel sich über einen Barfüsser aufzuregen!

Daher: Auf nach Indien! Und zwar barfuss!

Bis zum nächsten Barfuss Report und ich würde mich natürlich über eure Statements freuen.

Steve


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