Buchtipp: Barfußlaufen als philosophische Übung (Hobby? Barfuß! 2)

Kai (WN), Stammposter, Monday, 15.03.2004, 21:20 (vor 7503 Tagen)

Hallo zusammen,
im Buch "Selbstdenken - 20 Praktiken der Philosophie" von Jens Soentgen findet sich im Kapitel "Provozieren" (u.a. mit Diogenes als philosophischem Provokateur) auch eine Passage übers Barfußlaufen, welche ich euch nicht vorenthalten möchte. Noch dazu, weil der Autor unsere Seite www.barfuss.org als Quelle der Inspiration nutzte. Hier der Text, einschließlich einem vorhergehenden Absatz, der das Ganze nochmals erläutert - quasi Textklau auf Gegenseitigkeit ...

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Es ist heute nicht mehr so leicht wie früher, zu provozieren. Eine festgefügte Gesellschaft mit starrem Wertesystem lässt sich leichter stören als eine pluralistische. Wo jeder tun und lassen darf, was er will, wundert sich das Publikum über gar nichts mehr. Die Geste der Provokation nutzt sich ab, oder mehr noch, sie wird in Applaus erstickt - der Provokateur gerät zum Hofnarren einer Gesellschaft, die ihn als einen der ihren erkennt. Und doch hört man auch heute noch hin und wieder den seit Jahrtausenden bekannten Schrei der Entrüstung - und das zeigt, dass es auch in einer liberalen Gesellschaft möglich ist, zu weit zu gehen.
Spiel: Barfußlaufen
Wir ziehen an einem schönen Sommertag die Schuhe aus und laufen barfuß. Und zwar nicht bloß zuhause, sondern auch mal draußen, auf der Straße, in der Fußgängerzone, in der Schule, in der Uni oder im Büro. Dabei stellt sich heraus, dass die wenigsten Wege sich fürs Barfußlaufen eignen - selbst viele Wanderpfade im Wald sind dank Rollsplit wie Nadelbetten für die nackten Füße. Und dann der Muskelkater in den Waden und Fußgelenken! Es ist, als sei man zum ersten Mal wirklich gelaufen. Andererseits werden die Sohlen vitalisiert. Noch tagelang später spürt man die warmen Füße.
Auf die Mitmenschen wirkt ein Barfußläufer so ähnlich wie ein Nackter. Obwohl nackte Füße nichts Unanständiges sind, wirken sie doch irgendwie obszön. Welche Geschichten man da erleben kann, kann man auf der Website der ßarfußläufer nachlesen (www.barfuss.org). Denn tatsächlich gibt es auch in Deutschland erstaunlich viele Leute, die nicht nur gelegentlich, sondern ständig barfuß laufen. Gesundheitlich ist das kein Problem, sagen die ßarfußläufer. Man entwickle mit der Zeit ein Gespür für spitze Steine, Glas oder Nägel. Auch im Winter sei es unbedenklich, die Schuhe auszuziehen: Nur vom schnellen Gehen bei Kälte sei abzuraten, um die Bänder nicht zu gefährden. Die Toleranz gegenüber Barfußläufern scheint in verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelt zu sein. In Deutschland und Frankreich, so erzählt die ßarfußläuferin Julia Fiona in ihrer Barfußbiographie (die auf der erwähnten Website einzusehen ist), sei sie nicht auf Schwierigkeiten gestoßen, wohl aber in den USA, wo sie oft aufgefordert worden sei, Schuhe anzuziehen. Als erfahrene Barfußläuferin wusste sie sich zu wehren: "Als ich im Frühjahr 2001 in Florida war, hatte ich eine unschöne Auseinandersetzung, die darin endete, dass ich die US-Verfassung (,Land of the Free ...') zitierte und darauf verwies, dass es kaum sein könne, dass sie das Tragen von Waffen erlaube, aber nicht das Nichttragen von Schuhen - ich wurde nicht weiter behelligt".

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Beste Grüße
Kai

Lauftip: Barfuss als unphilosophische Tatsache

Barfussjan, Stammposter, Monday, 15.03.2004, 23:13 (vor 7503 Tagen) @ Kai (WN)

Hallo Kai,

das subjektive erleben einer Provokation entsteht m.E. durch Identifikation - diejenigen, die sich z.B. durch das barfussgehen Anderer provoziert fühlen sind, ohne sich dessen bewusst zu sein, direkt mit ihren eigenen (unausgelebten) Bereichen konfrontiert. Die US-Prüderie ist bestes Beispiel für die kollektive Selbstunterdrückung natürlicher Körperlichkeit - ganz nach dem Motto: das, was ich mir/wir uns selber unterdrücke/n, darf dann auch kein Anderer haben. Im Gegensatz dazu erklärt sich dann auch, warum selbst "die durchgeknalltesten Typen" kaum noch eine echte Provokation auslösen können - wie auch !

Gruss
Barfussjan

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