Barfuß vom KKW Gösgen zur KVA Oftringen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 26.01.2004, 13:37 (vor 7553 Tagen)

Wenn man vor hat, an einem Fluß spazieren zu gehen, von dem man weiß, daß er eine Woche vorher noch Hochwasser führte, dann muß man auch damit rechnen, daß einige Wege matschig oder unpassierbar sind. Auch wäre es von Vorteil, wenn man sich darauf einstellt. Letzten Samstag (24.1.2004) hatte ich eine Wanderung entlang der Aare vor. Der Weg dorthin über Safenwil und Aarau bei -2°C und wolkenverhangenem Himmel war nicht spektakulär: Geräumte Straßen, teils schneebedeckte Feldwege, alles hartgefroren, Felder mit verharschtem Schnee. Mit anderen Worten: Mit Turnschuhen ist man dort ganz gut aufgehoben. Das erste Ende am Flußufer war auch noch gut passierbar, denn der Boden war hartgefroren. Dann aber brach die Sonne durch, wodurch die es mit der Begehbarkeit schlechter wurde. Gegenüber dem Kernkraftwerk Gösgen wurde es noch schlimmer, was tun: Weitergehen und die Turnschuhe völlig ruinieren? Oder sich einen anderen Weg suchen? Im Sommer hätte ich (zumindest in Abwesenheit meiner Eltern) die Schuhe ausgezogen und wäre barfuß "weitergestiefelt". Aber jetzt im Januar? Ob die dafür notwendige Energie, es auch jetzt zu tun, vom Kernkraftwerk stammte, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Es ist zwar für mich (noch) ungewöhnlich, wenn unter den nackten Füßen irgendwelche Eiskristalle im Boden knirschen und auch die Tatsache, daß ein Maulwurfshügel anders als im Sommer nicht einfach nachgibt sondern in seiner Form erhalten bleibt, bedurfte einer gewissen Umstellung. Trotzdem empfand ich es als angenehm. Oder war es nur die Tatsache, daß ich meinen inneren Schweinehund überwunden hatte? Oder gar meine "Schadenfreude" darüber, daß ich eine Sache tat, für die meine Eltern keinerlei Verständnis gezeigt hätten.
Unangenehmer wurde es an einer Brückenbaustelle in Obergösgen, wo der Wanderweg umgeleitet wurde. Erst mußte ich über eine Schotterstrecke, dann entlang einer vielbefahrenen Asphaltstraße und dann über einen Parkplatz, bevor wieder Waldweg kam. Eine Familie, war gerade dabei, sich auf eine Autofahrt vorzubereiten. Als sich mich sahen, tuschelten sie etwas auf "tamilotürkisch" oder in einer anderen, mir völlig unverständlichen Sprache, aber ich konnte mir sehr wohl denken, um welches Thema es sich handelte. Aber es ging weiter. Der kalte Boden schien wohl zu verhindern, daß ich Unebenheiten als schmerzhaft empfand. Innerlich rechnete ich schon damit, daß der Aaresteg am Stauwehr in Winznau mich nötigen würde, wieder Schuhe anzuziehen, immerhin bestand der Laufsteg aus einem Eisengitter, das an sich eher unangenehm ist und weiterhin sehr gut die Wärme ableiten würde. Dieses war aber nicht der Fall: Da die Kontaktfläche Fuß - Metall kein ist, fühlte sich das Brückenbauwerk nicht kälter an als der Boden. Massives Eisen wäre sicher schlimmer gewesen. Es dauerte nicht mehr lange, dann folgte eine lange Passage aus rauhem Asphalt, stellenweise gut einsehbar von einer vielbefahrenen Straße. Hoffentlich kommt jetzt keine Polizei! Ältere Fußgänger, die mir entgegen kamen, quittierten meine Aufmachung höchstens mit einem "Brrrrrrr!" (Da ich kein Pferd bin, hielt ich nicht an!). In der Nähe der gedeckten Holzbrücke in Olten kommentierte einer: "So etwas habe ich ja noch nie gesehen." Über die Gäubrücke wechselte ich wieder das Flußufer, es blieb aber bei hartem Untergrund. Auf einem Weg, der eigentlich für Autos gesperrt ist, überholte mich ein Auto, fuhr etwa 300 Meter weiter, dann aber rückwärts bis in meine Höhe. Die Beifahrerin fragte, ob es nicht zu kalt sei, was ich verneinte. Ihr Angebot, mich ein Stück mitzunehmen, lehnte ich dankend ab. Im Städtchen Aarburg lästerten einige Kinder, aber soll ich das ihnen übel nehmen? Schuld sind deren Eltern, die ihnen nie die Möglichkeit ließen, außerhalb der Sommermonate barfuß zu laufen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Es folgte ein Schotterweg, aber der Randstreifen war teilweise schneebedeckt, so daß ich eine, wenn auch eher ungewöhnliche Alternative hatte. Als in Höhe der Kehrichtverbrennungsanlage Oftringen aber als einzige Alternative zum Schotter ein zerfurchtes, hartgefrorenes und schneebedecktes Ackerland zur Verfügung stand, zog ich Schuhe an, nicht die Turnschuhe, sondern Flipflops, was übrigens schwarz bemützte Jugendliche ebenfalls als Grund zum Lästern fanden.
Beim Kernkraftwerk hatte ich die Energie getankt, um barfuß weiterzugehen, bei der Kehrichtverbrennungsanlage zog ich wieder Schuhe an, meine Barfüßigkeit wurde quasi zu Müll und als solcher verbrannt (ich glaube, ich schweife jetzt ins irrationale ab). Wenn man mich fragt, wie ich die bloßfüßige Wanderstrecke empfunden habe, so kann ich nur sagen: Viel angenehmer als die Behandlung beim Zahnarzt. Oder beim Friseur. Und erst recht als einen Besuch bei meinen Eltern. Da nehme ich doch in Kauf, daß meine Füße etwas zerschunden sind.

Aus der mittlerweile wieder stärker verschneiten Schweiz grüßt
Michael aus Zofingen


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