Ein paar Gedanken... (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd, Thursday, 08.01.2004, 15:52 (vor 7571 Tagen) @ Josha

Hi Josha,

vielen Dank für Deine interessante, detaillierte Antwort.
Meine Frage war in der Tat so gemeint, wie sie gestellt war: Nicht "Was machst Du?", sondern "Was machst Du beruflich?". Aber selbst dann, wenn sich jemand nach Deinem Job etc. erkundigen möchte und das Wort "beruflich" nicht hinzufügt, heißt das nicht, dass er/sie sich auf den Code einer materialistisch eingestellten Leistungs- oder auch Spießbürgergesellschaft bezieht, sondern es ist schlicht und ergreifend eine sprachliche Redewendung, hinter der weitaus weniger steckt, als Du vermutest. Natürlich ist es auf der anderen Seite jedoch eine Tatsache, dass ein dickes Bankkonto, Designer-Kleidung und der Porsche vor der Tür heutzutage soziales Prestige zu verleihen vermögen, und das ist äußerst fragwürdig.

Für Deine Abiturprüfung wünsche ich Dir alles Gute, ebenso für das bevorstehende Anglistikstudium. Vielleicht hast Du Lust, dazu nach Gießen zu kommen, denn ich habe dasselbe Fach studiert und die Stadt als tolerant, jung und barfußfreundlich empfunden. Dieses Frühjahr ist ein Umzug nach Südhessen geplant, und ich frage mich, ob mich auch dort eine derart schöne Barfuß-Atmosphäre erwartet.
Zugegeben, ich weiß nicht recht, was Du meintest, als Du schriebst, Du würdest die Prüfer verarschen. An der Gießener Uni z.B. habe ich selbst im Sommer barfuß an Veranstaltungen teilgenommen, und ich war nicht der einzige, der barfuß bei ProfessorInnen in Sprechstunden ging. Da mein Examen im Winter statt fand, hat sich die Frage "barfuß" sozusagen von selbst erledigt, aber ich denke, die Lehrenden stört das nicht. Jura und BWL sind da die Ausnahme.

Nicht immer ist ein Studium automatisch an einen, wie du es ausdrückst, "Zweck" gekoppelt, von Möchtegern-Juristen oder
-Medizinern mal abgesehen, die nur den Titel benötigen, um Vatis Kanzlei oder Praxis zu übernehmen. Die Wahl des Fachs sollte im Idealfall in erster Linie der Selbstverwirklichung dienen, und deshalb finde ich es gut, wenn Du zum "Selbstzweck" studierst. Nichts anderes habe ich getan, und zur Selbstverwirklichung gehört nun mal der persönliche Stil. Und barfuß ist nun mal Dein Stil, wobei Du den zweiteiligen Anzug mit Krawatte zum Vorstellungsgespräch ablehnst. Vollkommen logisch. Dies scheint jedoch sowieso für Dich kein Problem darzustellen, da Du Dich, wenn ich Dich richtig verstehe, von vorn herein niemals in eine solche Situation begeben würdest. Schizophren wäre allerdings, sich um einen Spießer-Job zu bewerben und gleichzeitig über die Reglements der kleinkarierten Menschen zu attackieren. Im Klartext: Einen typischen "Anzug-Job" kriegt nur der, welcher vermittelt, in jene Umgebung hineinzupassen.
Wichtig finde ich, dass man, egal was passiert, authentisch bleibt. Und es spricht doch absolut nichts gegen einen (beruflichen oder nicht beruflichen) Selbstverwirklichungsversuch ganz ohne Schuhe, nur sei Dir im Klaren darüber, dass Du womöglich sehr oft gegen Spießer zu kämpfen haben wirst.

Lieben Gruß aus Gießen

BERND

Hallo Josha,
ich finde Deine Aspekte sehr interessant. Darf ich fragen, was Du beruflich machst?
Gruß
Bernd

ich finde das ist das Gegenteil von "positiv denken", daß man sich gleich über sowas Gedanken macht, gleich sowas fragt. (siehe meine Antwort an "Mercator") -
beruflich ? - ich habe in ein' "Kleidermarkt" gearbeitet (also ein Laden für Second-hand-Mode, dann im Bioladen (war eher eine Food-coop), bereite mich auf ein Abitur im zweiten Bildungsweg vor, (ohne Schule, gehe nur zu den Prüfungen hin), habe dabei eine Tendenz gewisse Prüfer zu verarschen, das mit dem Abitur ist sowieso nur um dann Anglistik und Slawistik studieren zu können - das bedeutet aber nicht daß ich damit Sprach-Lehrer werden will, sondern es ist nur "zum Selbstzweck",
oft -wenn jemand fragt "was machst du beruflich ?"- dann sage ich "schlafen", oder "im Bett liegen".
Das mache ich immer dann wenn es Leute sind die sowas moralisch sehen, die finden daß anständige Leute auch einen Beruf haben - und sowas braucht die Welt nicht, wir sind ja die moderne Generation.
Wenn ich eine Freundin hätte deren Eltern mich fragen was ich so mache, dann würde ich auch auf diese Art antworten, weil das sind ja Verhaltensweisen wie im 19.Jahrhundert - wo sind wir denn bitte ??
Typisch deutsch: jemanden fragen "Was machst du ?" und dabei gleich an "Schule, Studium und Beruf" denken. Es gibt ja so viele Dinge im Leben die man macht - oft ist es ja so daß einem die "privaten" Dinge (z.b. Sport treiben oder was auch immer) sehr viel mehr bedeuten als das Berufliche - sind das nicht auch Dinge die man "macht" ??

Wenn jemand so fragt dann zähl ich immer an den Fingern auf "Schwimmen, mit Freunden abhängen, Singen, ...."
Und die Welt der kleinkarierten Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgespräche sollte man wirklich versuchen zu umgehen, und zwar wie gesagt zum Teil auch durch *positives Denken*.


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