barfuss auf glühende Pflugscharen (Hobby? Barfuß! 2)

Lothar, Monday, 10.11.2003, 15:52 (vor 7630 Tagen) @ Mike S

Ich habe im Internet eine interessante Seite über das Gottesurteil der Kaiserin Kunigunde von Luxemburg, der Frau von Kaiser Otto II, gefunden. Ein Gottesurteil war im Mittelalter eine Methode, welche den Zweck hatte, zu überprüfen, ob der Angeklagte die Wahrheit sagt oder nicht. Man musste etwa barfuss über glühende Pflugscharen laufen oder ein glühendes Eisen anfassen. Wer ohne Verletzung davonkam, hat die Wahrheit gesprochen. 1215 wurde das Gottesurteil von Papst Innocenz III kirchlich verboten, da man faktisch von Gott ein Wunder verlangte. Das nachfolgende Gottesurteil hat sich im Jahre 1002 zugetragen:
...Da man Heinrich II. nur schwer beikommen konnte, glaubte man mit seiner Gemahlin Kunigunde schneller ans Ziel zu gelangen. Die Königin wird der Untreue angeklagt. Über den oder die Ankläger schweigen die Quellen, niemand tritt für die Königin ein. Die Anklage ist offenkundig von langer Hand inszeniert. Um sich von dem Vorwurf der Untreue zu reinigen, muss sich Kunigunde einem Gottesurteil unterziehen.
Sie muss mit nackten Füßen über 12 glühende Pflugscharen schreiten, ohne sich zu verletzen...
...Das dies kein Mensch wirklich schafft, ist uns allen klar, es sei denn, Kunigunde war mit afrikanischem und karibischen Woodoozauber vertraut (Däniken würde vielleicht so etwas konstruieren) eine absurde Idee. In der Tradition spricht man von einer frommen Legende. Über diese Zeremonie berichten aber zeitgenössische Autoren und es waren Hunderte von Menschen zugegen. So kann man getrost annehmen, dass das Gottesurteil tatsächlich vollzogen wurde - aber wie?
Wir erinnern uns: das Mittelalter verstand es meisterlich zu inszenieren.
Heinrichs Gegner haben die Anklage inszeniert, aus der es anscheinend keinen Ausweg gab und Heinrich inszenierte das Gottesurteil sehr erfolgreich - wie wir wissen. Heinrich muss von der Treue seiner Frau absolut überzeugt gewesen sein.
Nach außen machte er sich die Anklage gegen die Königin zu eigen und lief mit finsteren Gesicht herum. Für das Gottesurteil benötigte er sehr viele Menschen, vor allem auch die Ankläger und Denunzianten. Sie werden als "ehrenwerte Zeugen" benötigt. Heinrich weist ihnen mit finsteren Worten ihre Plätze an und droht ihnen Gottes Strafe an, wenn sie ihrer Pflicht des genauen Beobachtens nicht nachkämen.
Die von ihm eingeteilte erste Gruppe kontrollierte das erhitzen der 12 Pflugscharen. Damit sie das auch wirklich richtig machen, sind sie ringsum von Ordnern umgeben. Der Kaiser wird sich bei diesen Zeugen wahrscheinlich noch bedankt haben, dass sie sich für diese unangenehme Aufgabe zur Verfügung gestellt haben.
Nach dem Erhitzen transportierten ein paar vertrauenswürdige Männer die Pflugscharen durch die Mauer der zur Sicherung aufgestellten Ordner zum eigentlichen Platz der Zeremonie. Niemand fällt es dann auf, wenn unterwegs die Pflugscharen mal kurz in einem Rinnsal mit Wasser abgestellt werden. Die nächste Gruppe von Zeugen steht an dem Platz, an dem das Gottesurteil vollzogen wird. Sie werden ziemlich verblüfft gewesen sein, Kunigunde fröhlich über die 12 Pflugscharen laufen zu sehen. Heinrichs zerknirschte Abbitte - kniend vorgebracht vor vielen Zeugen - gehört zur Inszenierung. Nach dem Gottesurteil zogen dann alle gemeinsam in die Kirche, Königspaar, Ankläger und Verleumder, Zeugen und Volk, und sangen gemeinsam "Te Deum laudamus", Großer Gott wir loben Dich.
Nachdem vor aller Welt gezeigt war, dass Gott selbst seine Hand über das Kaiserpaar hielt, kamen Heinrich und Kunigunde in den Ruf der Heiligkeit...
Der ganze Text ist auf der Seite: http://www.melsungen.de/geschichtsverein/heinrich2.html
zu finden.
Viele Grüsse
Mike S

Die Darstellung dieser Szene war im Jahr 2002 in einer Darstellung des ETA-Hoffmann-Theaters in den Calderon-Festspielen in Bamberg zu sehen.
Die Untreuevorwurf der Kaiserin wurde damit begründet, daß das Paar kinderlos blieb.

Lothar


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