barfuss auf glühende Pflugscharen (Hobby? Barfuß! 2)

Mike S, Sunday, 09.11.2003, 18:16 (vor 7631 Tagen)

Ich habe im Internet eine interessante Seite über das Gottesurteil der Kaiserin Kunigunde von Luxemburg, der Frau von Kaiser Otto II, gefunden. Ein Gottesurteil war im Mittelalter eine Methode, welche den Zweck hatte, zu überprüfen, ob der Angeklagte die Wahrheit sagt oder nicht. Man musste etwa barfuss über glühende Pflugscharen laufen oder ein glühendes Eisen anfassen. Wer ohne Verletzung davonkam, hat die Wahrheit gesprochen. 1215 wurde das Gottesurteil von Papst Innocenz III kirchlich verboten, da man faktisch von Gott ein Wunder verlangte. Das nachfolgende Gottesurteil hat sich im Jahre 1002 zugetragen:

...Da man Heinrich II. nur schwer beikommen konnte, glaubte man mit seiner Gemahlin Kunigunde schneller ans Ziel zu gelangen. Die Königin wird der Untreue angeklagt. Über den oder die Ankläger schweigen die Quellen, niemand tritt für die Königin ein. Die Anklage ist offenkundig von langer Hand inszeniert. Um sich von dem Vorwurf der Untreue zu reinigen, muss sich Kunigunde einem Gottesurteil unterziehen.
Sie muss mit nackten Füßen über 12 glühende Pflugscharen schreiten, ohne sich zu verletzen...

...Das dies kein Mensch wirklich schafft, ist uns allen klar, es sei denn, Kunigunde war mit afrikanischem und karibischen Woodoozauber vertraut (Däniken würde vielleicht so etwas konstruieren) eine absurde Idee. In der Tradition spricht man von einer frommen Legende. Über diese Zeremonie berichten aber zeitgenössische Autoren und es waren Hunderte von Menschen zugegen. So kann man getrost annehmen, dass das Gottesurteil tatsächlich vollzogen wurde - aber wie?
Wir erinnern uns: das Mittelalter verstand es meisterlich zu inszenieren.
Heinrichs Gegner haben die Anklage inszeniert, aus der es anscheinend keinen Ausweg gab und Heinrich inszenierte das Gottesurteil sehr erfolgreich - wie wir wissen. Heinrich muss von der Treue seiner Frau absolut überzeugt gewesen sein.
Nach außen machte er sich die Anklage gegen die Königin zu eigen und lief mit finsteren Gesicht herum. Für das Gottesurteil benötigte er sehr viele Menschen, vor allem auch die Ankläger und Denunzianten. Sie werden als "ehrenwerte Zeugen" benötigt. Heinrich weist ihnen mit finsteren Worten ihre Plätze an und droht ihnen Gottes Strafe an, wenn sie ihrer Pflicht des genauen Beobachtens nicht nachkämen.

Die von ihm eingeteilte erste Gruppe kontrollierte das erhitzen der 12 Pflugscharen. Damit sie das auch wirklich richtig machen, sind sie ringsum von Ordnern umgeben. Der Kaiser wird sich bei diesen Zeugen wahrscheinlich noch bedankt haben, dass sie sich für diese unangenehme Aufgabe zur Verfügung gestellt haben.
Nach dem Erhitzen transportierten ein paar vertrauenswürdige Männer die Pflugscharen durch die Mauer der zur Sicherung aufgestellten Ordner zum eigentlichen Platz der Zeremonie. Niemand fällt es dann auf, wenn unterwegs die Pflugscharen mal kurz in einem Rinnsal mit Wasser abgestellt werden. Die nächste Gruppe von Zeugen steht an dem Platz, an dem das Gottesurteil vollzogen wird. Sie werden ziemlich verblüfft gewesen sein, Kunigunde fröhlich über die 12 Pflugscharen laufen zu sehen. Heinrichs zerknirschte Abbitte - kniend vorgebracht vor vielen Zeugen - gehört zur Inszenierung. Nach dem Gottesurteil zogen dann alle gemeinsam in die Kirche, Königspaar, Ankläger und Verleumder, Zeugen und Volk, und sangen gemeinsam "Te Deum laudamus", Großer Gott wir loben Dich.

Nachdem vor aller Welt gezeigt war, dass Gott selbst seine Hand über das Kaiserpaar hielt, kamen Heinrich und Kunigunde in den Ruf der Heiligkeit...

Der ganze Text ist auf der Seite: http://www.melsungen.de/geschichtsverein/heinrich2.html
zu finden.
Viele Grüsse
Mike S

Gottesurteil?

Ralf RSK, Stammposter, Sunday, 09.11.2003, 18:40 (vor 7631 Tagen) @ Mike S

Hallo,

obwohl off topic, kann ich mir eine kurze Anmerkung hierzu nicht verkneifen: Sogenannte Gottesurteile wurden durch die Inquisition regelmäßig eingesetzt, um "unliebsame" Menschen, vor allem weibliche, aus der Welt zu schaffen. Bei Inquisitionsverfahren gegen angebliche Hexen wurde häufig das sog. "Schwemmen" oder "Hexenbad" zur "Wahrheitsfindung" herangezogen: Der beschuldigten Frau wurden Arme und Beine zusammengebunden und diese dann in ein Gewässer geworfen. Blieb sie an der Oberfläche, war damit erwiesen, dass sie mit dem Teufelim Bunde war, und demzufolge war sie hinzurichten, meist durch Verbrennen. Ging sie aber unter und ertrank, war das ein Zeichen, dass finstere Mächte ihr nicht beistehen. Sie war dann zwar tot, aber rehabilitiert und bekam ein "christliches" Begräbnis. Grausam.

Gruß, Ralf

GOTTESurteil?????????????

Bernd, Sunday, 09.11.2003, 19:20 (vor 7631 Tagen) @ Ralf RSK

Hallo,
obwohl off topic, kann ich mir eine kurze Anmerkung hierzu nicht verkneifen: Sogenannte Gottesurteile wurden durch die Inquisition regelmäßig eingesetzt, um "unliebsame" Menschen, vor allem weibliche, aus der Welt zu schaffen. Bei Inquisitionsverfahren gegen angebliche Hexen wurde häufig das sog. "Schwemmen" oder "Hexenbad" zur "Wahrheitsfindung" herangezogen: Der beschuldigten Frau wurden Arme und Beine zusammengebunden und diese dann in ein Gewässer geworfen. Blieb sie an der Oberfläche, war damit erwiesen, dass sie mit dem Teufelim Bunde war, und demzufolge war sie hinzurichten, meist durch Verbrennen. Ging sie aber unter und ertrank, war das ein Zeichen, dass finstere Mächte ihr nicht beistehen. Sie war dann zwar tot, aber rehabilitiert und bekam ein "christliches" Begräbnis. Grausam.
Gruß, Ralf

Hallo,

also, wenn ich SOWAS lese, dann danke ich Gott für unsere Vorwärtsbewegung mit dem Namen Zivilisation...

...und ich realisiere, dass vor einigen hundert Jahren in vielerlei Hinsicht immer wieder der Deckmantel der "Religion" oder Gottestreue herhalten musste, damit Herrscher oder Trittbrettfahrer ihren Willen durchsetzen konnten. Leider blieb dabei allzu oft die Menschlichkeit auf der Strecke. Schrecklich.

Und was "unsere" Zeit angeht: Mittlerweile ist es ja bei sog. Power-Seminaren üblich, aus 50 cm Höhe in einen Scherbenhaufen zu springen oder über glühende Kohlen zu laufen. Sorry, .... keine Worte....

Grüße aus dem Hessischen

BERND

Gottesurteil?

Mike S, Sunday, 09.11.2003, 19:22 (vor 7631 Tagen) @ Ralf RSK

Ja, es war schon so, dass solche Methoden bis ins 17/18 Jhr. gebräuchlich waren. Diese wurden aber alle offiziell von der weltlichkeit durchgeführt, auch wenn es da und dort einige Pfarrer gab, welche die weltliche Obrigkeit fast dazu drängte. Von der kirchlichen Seite wurden solche Urteile seit dem 13 Jhr. nicht mehr (offiziell) durchgeführt, man überliess dies der weltlichen Obrigkeit.
Viele Grüsse
Mike S

Komplett off topic, also ...

Georg, Stammposter, Sunday, 09.11.2003, 19:26 (vor 7631 Tagen) @ Mike S

nitte im Stammtisch- (oder off topic-) Forum weiterdiskutieren!
G.

barfuss auf glühende Pflugscharen

Lothar, Monday, 10.11.2003, 15:52 (vor 7630 Tagen) @ Mike S

Ich habe im Internet eine interessante Seite über das Gottesurteil der Kaiserin Kunigunde von Luxemburg, der Frau von Kaiser Otto II, gefunden. Ein Gottesurteil war im Mittelalter eine Methode, welche den Zweck hatte, zu überprüfen, ob der Angeklagte die Wahrheit sagt oder nicht. Man musste etwa barfuss über glühende Pflugscharen laufen oder ein glühendes Eisen anfassen. Wer ohne Verletzung davonkam, hat die Wahrheit gesprochen. 1215 wurde das Gottesurteil von Papst Innocenz III kirchlich verboten, da man faktisch von Gott ein Wunder verlangte. Das nachfolgende Gottesurteil hat sich im Jahre 1002 zugetragen:
...Da man Heinrich II. nur schwer beikommen konnte, glaubte man mit seiner Gemahlin Kunigunde schneller ans Ziel zu gelangen. Die Königin wird der Untreue angeklagt. Über den oder die Ankläger schweigen die Quellen, niemand tritt für die Königin ein. Die Anklage ist offenkundig von langer Hand inszeniert. Um sich von dem Vorwurf der Untreue zu reinigen, muss sich Kunigunde einem Gottesurteil unterziehen.
Sie muss mit nackten Füßen über 12 glühende Pflugscharen schreiten, ohne sich zu verletzen...
...Das dies kein Mensch wirklich schafft, ist uns allen klar, es sei denn, Kunigunde war mit afrikanischem und karibischen Woodoozauber vertraut (Däniken würde vielleicht so etwas konstruieren) eine absurde Idee. In der Tradition spricht man von einer frommen Legende. Über diese Zeremonie berichten aber zeitgenössische Autoren und es waren Hunderte von Menschen zugegen. So kann man getrost annehmen, dass das Gottesurteil tatsächlich vollzogen wurde - aber wie?
Wir erinnern uns: das Mittelalter verstand es meisterlich zu inszenieren.
Heinrichs Gegner haben die Anklage inszeniert, aus der es anscheinend keinen Ausweg gab und Heinrich inszenierte das Gottesurteil sehr erfolgreich - wie wir wissen. Heinrich muss von der Treue seiner Frau absolut überzeugt gewesen sein.
Nach außen machte er sich die Anklage gegen die Königin zu eigen und lief mit finsteren Gesicht herum. Für das Gottesurteil benötigte er sehr viele Menschen, vor allem auch die Ankläger und Denunzianten. Sie werden als "ehrenwerte Zeugen" benötigt. Heinrich weist ihnen mit finsteren Worten ihre Plätze an und droht ihnen Gottes Strafe an, wenn sie ihrer Pflicht des genauen Beobachtens nicht nachkämen.
Die von ihm eingeteilte erste Gruppe kontrollierte das erhitzen der 12 Pflugscharen. Damit sie das auch wirklich richtig machen, sind sie ringsum von Ordnern umgeben. Der Kaiser wird sich bei diesen Zeugen wahrscheinlich noch bedankt haben, dass sie sich für diese unangenehme Aufgabe zur Verfügung gestellt haben.
Nach dem Erhitzen transportierten ein paar vertrauenswürdige Männer die Pflugscharen durch die Mauer der zur Sicherung aufgestellten Ordner zum eigentlichen Platz der Zeremonie. Niemand fällt es dann auf, wenn unterwegs die Pflugscharen mal kurz in einem Rinnsal mit Wasser abgestellt werden. Die nächste Gruppe von Zeugen steht an dem Platz, an dem das Gottesurteil vollzogen wird. Sie werden ziemlich verblüfft gewesen sein, Kunigunde fröhlich über die 12 Pflugscharen laufen zu sehen. Heinrichs zerknirschte Abbitte - kniend vorgebracht vor vielen Zeugen - gehört zur Inszenierung. Nach dem Gottesurteil zogen dann alle gemeinsam in die Kirche, Königspaar, Ankläger und Verleumder, Zeugen und Volk, und sangen gemeinsam "Te Deum laudamus", Großer Gott wir loben Dich.
Nachdem vor aller Welt gezeigt war, dass Gott selbst seine Hand über das Kaiserpaar hielt, kamen Heinrich und Kunigunde in den Ruf der Heiligkeit...
Der ganze Text ist auf der Seite: http://www.melsungen.de/geschichtsverein/heinrich2.html
zu finden.
Viele Grüsse
Mike S

Die Darstellung dieser Szene war im Jahr 2002 in einer Darstellung des ETA-Hoffmann-Theaters in den Calderon-Festspielen in Bamberg zu sehen.
Die Untreuevorwurf der Kaiserin wurde damit begründet, daß das Paar kinderlos blieb.

Lothar

barfuss auf glühende Pflugscharen

Michael (mw), Monday, 10.11.2003, 17:30 (vor 7630 Tagen) @ Lothar

Die Untreuevorwurf der Kaiserin wurde damit begründet, daß das Paar kinderlos blieb.
Lothar

Echt voll logisch.

Michael

barfuss auf glühende Pflugscharen

Mike S, Monday, 10.11.2003, 18:33 (vor 7630 Tagen) @ Lothar

Die Darstellung dieser Szene war im Jahr 2002 in einer Darstellung des ETA-Hoffmann-Theaters in den Calderon-Festspielen in Bamberg zu sehen.
Die Untreuevorwurf der Kaiserin wurde damit begründet, daß das Paar kinderlos blieb.
Lothar

Gibt es vielleicht irgendwo im Internet einige Bilder von dieser Theateraufführung?
Viele Grüsse
Mike S

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