Dichter - Sänger - Maler....und ein Burggraf (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Monday, 20.10.2003, 17:41 (vor 7651 Tagen)

Aus Schaden wird man klug! Blutige Füße durch "böse" Turnschuhe wie am Vortag? Diesmal nicht! Auf die geplante Wanderung, diesmal in einer anderen Juragegend, nein! In einer steinigen Gegend bei möglichem Bodenfrost völlig auf Schuhe verzichten? Nicht mit mir! Aber wie mit den "Altlasten" vom Vortag umgehen? Kein Problem! Ich wickelte die wundgescheuerten Zehen in Pflaster ein und befestigte dieses noch zusätzlich mit Büroklebeband, weil ich letzterem eine stärkere Klebkraft zutraue. Weiterhin sind Klebefolien selbst widerstandsfähiger als Pflaster gegenüber Abrieb durch das Schuhmaterial. So, böse Turnschuhe! Jetzt habe ich euch überlistet. Mich verletzt ihr jetzt nicht mehr! Und noch etwas: Im Rucksack verstaute ich zusätzlich noch meine Flipflops. Nun konnte ich ja losradeln. An diesem Sonntag (19.10.2003) diente als Ausgangspunkt der Wanderung nicht der Hauensteinpaß, sondern die "Rangwog" in Winznau. Somit brauchte ich im Nebel keine Steigungen fahren, sondern ich blieb quasi in der Ebene. Morgens um 7.30 Uhr war es in Zofingen mit 2°C nur geringfügig wärmer als am Vortag, so daß ich auch jetzt wieder mit Windjacke, kurzen Hosen und Turnschuhen (ohne Socken) losfahren konnte. In Aarburg überholte mich eine "Bullenschleuder", bremste, fuhr dann aber weiter, um ein nachfolgendes Auto nicht zu behindern. Wie rücksichtsvoll! Nahe der "Rangwog", einer scharfen "Rechtskurve" der Aare, kettete ich das Velo an einen Maschendraht und wanderte bergauf. Der Nebel war derart stark, daß ich von hier kaum noch die beiden Eisenbahnbrücken über die Aare erkennen konnte: Vorne die sich voll im Umbau befindliche auf der neueren Hauensteinbasislinie über Gelterkinden, dahinter die Brücke der älteren Hauenstein-Scheitelstrecke über Läufelfingen nach Basel. Auch jetzt wurde ein Schnellzug Richtung Basel über die alte Strecke umgeleitet, während die Züge der Gegenrichtung über die reguläre Strecke verkehrten. Noch lange vernahm mein Ohr den regen Zugverkehr, auch als Nebel und Bäume schon längst die Sicht versperrten (Wichtiger Hinweis: Diejenigen Leser im Forum, die meine Beiträge nur wegen meiner Berichte über Eisenbahnen lesen, den Rest aber uninteressant finden, können jetzt aufhören. An späteren Stellen kommen in diesem Bericht keine Eisenbahnen mehr vor!). Je höher ich kam, desto dichter und kälter wurde der Nebel. Bizarre Eiskristalle überzogen die Bäume, Gräser und Stacheldrähte. In der Nähe des Restaurants "Froburg" (die nahe gelegene gleichnamige Ruine war nicht zu sehen) war ein Bauer am Arbeiten. Fünf Hunde unterschiedlicher Rasse und Größe liefen auf mich zu und leckten die Rauhreifkristalle von meiner Beinbehaarung. Etwa 400 m weiter durchbrach ich die Nebelobergrenze und befand mich im herrlichsten Sonnenschein. Wie anders die Farben plötzlich sind! Richtig "unnatürlich". Auch wie plötzlich Juragipfel überall aus dem Nebelmehr herausragen. Und wie die Nebelmassen über etwas niedrigere Partien der Gebirgskette wallen und wie ein Wasserfall zu Tal stürzen, um sich anschließend aufzulösen. Ein einmaliges Erlebnis. Jeder Versuch eines Dichters, eines Sängers oder eines Malers, dieses Erlebnis mit seinen jeweiligen Mitteln der Kunst wiederzugeben, wäre nur ein müder Abklatsch, eine Konserve! Jetzt werden mich einige fragen, was das ganze noch mit dem Thema "barfuß" zu tun hat. Nichts - und gleichzeitig erstaunlich viel! Wenn einer einmal nasses Gras oder was auch immer unter seinen nackten Füßen gespürt hat, dann ist es ein Gefühl (oder neuerdings "Gehfühl"?), das man nicht mit Worten, nicht mit Liedern und nicht mit Bildern vollständig wiedergeben kann. Nun marschierte ich also in der hellen Sonne über den gefrorenen Wiesenboden. Das Gras war mit Rauhreif überzogen. Sollte ich nun mich meiner warmen Turnschuhe entledigen, um dieses Gefühl live zu erleben? Diesmal noch nicht! Diesmal noch überlasse ich es der Phantasie von Dichtern, Sängern und Malern! Ich aber bleibe auf dem Boden der beschuhten Tatsachen.

Leider verlief der Wanderweg bald wieder in etwas tieferen Lagen, so daß ich wieder durch den Nebel mußte. Ich überholte ein älteres Ehepaar mit Skistöcken, wohlbehandschuht und bemützt. Der Mann meinte nur: "Goppfried Stutz!" Nachdem ich am Berghaus "Schafmatt" vorbei war, stieg der Weg wieder an zum Geißfluesattel, hier war es mit dem Nebel vorbei, aber es wehte noch ein frischer Wind. Von hier aus konnte ich auch erkennen, wie ich wohl am besten weiterwandern müßte, um möglichst wenig Ärger mit dem Nebel zu haben. Mein Weg führte weiter über den Juragrat, jedoch ging ich nicht zur bereits wieder vom Nebel verschlungenen "Saalhöchi", sondern im Windschatten des Jurakamms zum "Nesselgraben". Unterwegs sah ich den "Feind aller Barfußwanderer", und zwar in Form eines Baggers, der dort an Wochentagen Gestein aus dem Gebirge bricht, was vielleicht Verwendung als Wanderwegbelag dient. Auch waren dort etliche zugefrorene Pfützen. Ob "Eisscherben", die beim barfüßigen Einbrechen in eine zugefrorene Wasserfläche entstehen, ähnliche Schnittwunden herbeiführen wie Glasscherben? So genau wollte ich es nicht wissen. Es fiel mir auch nicht in Traum ein, den Bagger unbrauchbar zu machen, damit weniger Wege geschottert werden. Ich bin doch kein Terrorist! Etwa 40 Minuten später setzte ich mich zur Mittagspause auf einen Baumstamm in die Sonne, geschützt vor dem Wind. Erst jetzt zog ich die Jacke aus, und die Schuhe, um allfällige Steine, Tannennadeln usw. zu entfernen. Den Schmerz hatte ich während der Wanderung zwar nur wenig gespürt, aber die Pflaster waren vom Blut vollgesogen. Nach der Pause zog ich die Turnschuhe aber wieder an. Erst hinter Oltingen, als ein Wanderweg asphaltiert war, lief ich barfuß weiter. Ich konnte das Gefühl, wie wenn ich Schlamm (oder eine tote Nacktschnecke) in den Füßen hätte, nicht mehr ertragen (wenn die Schweißbildung derart stark ist, sind Blasen vorprogrammiert). Aber nicht lange, es folgte eine Kiespassagezeit. Statt der Turnschuhe zog ich jedoch die Flipflops über. Andauernd zog ich sie aus, wenn entweder Asphalt oder Gras vorhanden war, bzw. wieder an, wenn der Untergrund unangenehm wurde. Feste Schuhe hätte man nicht so oft an- und ausgezogen! Schließlich überwogen aber die "unschönen" Wege. Bad Ramsach erreichte ich ebenfalls über einen kiesigen Weg. Diesmal waren mehr Leute in dem Kurort, ihnen schien sogar mein beschuhtes Auftreten obskur. Wieder stieg ich auf den Wisenberg, diesmal nicht barfuß. Der Grund war folgender: Lieber überhole ich in Flipflops auf einem "bedingt barfußtauglichen" schmalen Bergweg Wanderer in schweren Wanderschuhen (damit jeder sieht, daß Wanderschuhe hier wirklich nicht nötig sind), als daß ich durch mein barfüßiges Vortasten für letzteren Personenkreis ein Verkehrshindernis darstelle. Der Aussichtsturm auf dem Wisenberg war voll von Leuten. Dank der Flipflops konnte ich ohne Probleme längere Zeit auf der metallen Plattform stehen. Auch war es im Gegensatz zum Vortag windstill. Die Aussicht war herrlich, Alpen, Schwarzwald usw. waren gut zu erkennen, während das Mittelland vom Dunst (kein Nebel mehr) verschleiert war. Den meisten Leuten störte meine Aufmachung hier oben nicht, lediglich zwei Kinder tuschelten etwas bezüglich meiner "Badefinken". Die Kinder schienen sich einig zu sein, daß ich offensichtlich in der Nähe wohnen müsse. Im Westen zogen Wolken auf, als ich vom Turm herabstieg. Ich wanderte wieder durch das Dorf Wisen zur Ruine Froburg, wo ich eine Pause zum Essen machte. Die Sonne hatte sich hinter Wolken verkrochen, aber es waren noch recht viele Leute auf der Ruine. Aber nicht nur Menschen waren dort, sondern auch der heutige "Burggraf". Der zutrauliche Kater kam auf mich zugelaufen und bettelte um einen Keks, den ich ihm auch gab. Dann streifte er noch um meine nackten Beine, sprang auf die Sitzbank neben mich und interessierte sich sehr für meinen abgestellten Rucksack. Ein kleines Mädchen fand den "Grafen" auch interessant. Als er aber mit aufrechtem Schwanz auf das Kind zustolzierte, lief es schreiend weg.

Ich wanderte noch zurück zum abgestellten Velo, während es bereits dämmerte. Nun mußte ich lediglich noch eine etwa 12 km lange Strecke nach Zofingen radeln. Während ich die Jacke überzog, wechselte ich die Schuhe nicht mehr. Weder Hände, noch Füße wurden richtig kalt. Zu Hause angekommen bemerkte ich, daß es dort noch 6°C warm war. Als ich meine Füße waschen wollte, stellte ich fest, daß sie durch das Tragen von Flipflops deutlich mohriger geworden waren wie wenn ich barfuß gelaufen wäre. Vermutlich fehlt der Reinigungseffekt von nassem Gras usw. Statt dessen ballt sich der "Mohr" mit dem Schweiß zu einer schleimigen Masse zwischen Fuß- und Schuhsohle zusammen. Ein Motiv, um das sich kein Dichter, kein Sänger und kein Maler reißt. Ein schöner Wandersonntag war zu Ende gegangen. Während die Flipflops nun im dunklen Flur ausharren müssen, stehen die stinkenden Turnschuhe zum Auslüften auf dem Balkon und haben Gelegenheit, von dort die Welt zu beobachten. Und was sehen sie dort? Den Rasen, den Milchmann, den Schornsteinfeger!

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

Dichter - Sänger - Maler....und ein Burggraf

RainerL @, Stammposter, Tuesday, 21.10.2003, 07:36 (vor 7650 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Dank Dir für den interessanten Bericht.

Jetzt werden mich einige fragen, was das ganze noch mit dem Thema "barfuß" zu tun hat. Nichts - und gleichzeitig erstaunlich viel! Wenn einer einmal nasses Gras oder was auch immer unter seinen nackten Füßen gespürt hat, dann ist es ein Gefühl (oder neuerdings "Gehfühl"?), das man nicht mit Worten, nicht mit Liedern und nicht mit Bildern vollständig wiedergeben kann.

Da hast Du recht, dem kann ich voll zustimmen. Bei einem Besuch in der Schweiz vor vielen Jahren ging es mir auf dem Aletschgletscher ähnlich wie Dir: Ich war von der Schönheit der Landschaft überwältigt und das stimmmt, es läßt sich ähnlich unvollkommen beschreiben wie das Barfußlaufen für einen der das nicht kennt oder das Sehen für einen Blinden.

Ich will ja keine Werbung machen aber bezüglich deiner Schuhprobleme gebe ich Dir den Tipp mal mit dem 'Teva Wraptor II' zu liebäugeln. Den benutze ich beim Fitnesstraining. Es ist eine Kreuzung zwischen Sportschuh und Sandale, d.h. er gibt dem Fuß guten Halt und ist offen. Es ist ein Treckingschuh von Teva. Im Fachhandel konnte ich Ihn nirgends finden. Gefunden habe ich Ihn bei www.outdoortrends.de aber auch bei www.globetrotter.de ist er zu haben. Den Schuhtipp habe ich mal von Lorenz bekommen. Er ist gut wenn man Halt braucht aber das offene Schuhgefühl einer Sandale haben will. Es ist ein offener Treckingschuh, leicht zu öffnen und zu schließen dank Klettverschluß, aber teuer (ca. 130 EUR)

Barfüßige Grüße
Rainer L.

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