Heute hart an der Genuss-Grenze (Hobby? Barfuß! 2)

Lotsi, Saturday, 13.09.2003, 02:10 (vor 7688 Tagen)

Hi Ihr!

Als eher träge Studentin weiß ich um meine privilegierte Situation, am Sonntag nochmals für längere Zeit in den Süden Spaniens abhauen zu können. Deshalb will ich mich hier nicht zu vorlaut darüber freuen. Andererseits bin ich doppelt dankbar dafür, denn gestern und heute bin ich auf bloßen Füßen ganz hart an der Genuss-Grenze entlang gelaufen.
Definitiv zugegeben: es war einfach kein Barfußwetter. Gestern um die 19 Grad in Regensburg, heute eher darunter. Mitunter starke Regenschauer, kalter Wind. Ich kann nicht leugnen, von einer Art kindlichem "Rekord"-Ehrgeiz getrieben gewesen zu sein, als ich an solchen Tagen auch nur einen bloßfüßigen Schritt vor die Tür setzte. Indes: Ich habe es gewagt und bin gezwungen zu bekennen: Fast musste ich mich zwingen. Es war echt hart. Und kalt.
An Tagen wie diesen frage ich mich: Macht das überhaupt noch Spaß? Ist es nicht vielmehr der Ehrgeiz sagen zu können: Hey, seit April habe ich höchstens an fünf Tagen - zeitweise - Schuhe getragen (davon nur zwei Tage wetterbedingt, der Rest Termine, da ich barfuß echt Probleme bekommen hätte), fünfeinhalb Monate (wenige Tage im März mitgezählt) immer und überall auf bloßen Sohlen. Ist es das? Ehrlich gesagt: Teilweise schon. Es ist dieser Ehrgeiz, bis zu meiner Spanienreise barfuß durchzuhalten, ganz egal, wie eklig es draußen ist. Um es sagen zu können. Mir und anderen. Um die Monate zu zählen.

Es sind dies jene Momente, wo ich mir fast kindisch vorkomme. Heute stand ich am Bahnhof, um zwecks gemeinsamen Lernens zu einem Kommilitonen zu fahren. Der wohnt in Bad Abbach, also nur wenige Zugminuten entfernt. Aber wie ich da so am (nicht überdachten) Bahnsteig 109 stand, den nassen Boden unter den Füßen, der kalte Wind zerrte an meiner Hose, und ich trug sogar schon einen leichten Pulli - da fragte ich mich ehrlich: Hey, dummes Kind, macht das wirklich Spaß? Nunja, als ich so durch Bad Abbach tappte, versuchte ich, Spaß daran zu finden, der mir wieder verging, als mich am Ziel mein Kommilitone (an und für sich ein cooler Typ) sehr mitleidig ansah und mir Wollsocken anbot. Wollsocken!! Obwohl er mich und meine Leidenschaft kennt! Dennoch fühlte ich mich eher ... naiv? weltfremd? total bescheuert??
Kurzzeitig packte mich eine Art Herbstdepression: Ich dachte wehmütig an all meine wundervollen Spaziergänge in diesem Sommer (vor allem nachts, wenn der Boden so angenehm warm war. Das ist ja erst ganz kurz her!), dachte an mein ganz normales Leben auf dauernackten Füßen, daran, dass Barfußlaufen noch nie auf solch intensive Weise zum Alltag geworden ist wie in diesem Sommer. Früher musste ich alle paar Wochen aufs Neue abwägen: eher mit Schuhen? Diesen Sommer stellte sich die Frage nie! Es war so selbstverständlich, überall hin barfuß zu gehen. Nie der Gedanke: Du kommst spät heim, da könnte es kühl werden, pack besser Schuhe ein. Nie dieser Gedanke! Das war so großartig! Ich bin so dankbar für diese Erfahrung! Immer und überall hin barfuß - wie im Traum!
Solche Wehmut packte mich heute, derweil ich den Pfützen auswich.
Auf dem Rückweg (es war schon dämmrig) beschloss ich, den Spaß am Barfußlaufen im kalten Herbst doch gut zu finden. Nicht nur, weil die Füße beim Gehen schnell warm werden, nicht nur, weil man sich am Ziel ganz großartig fühlt, so vollends gewappnet gegen alle Widrigkeiten der Natur - sondern vor allem, weil es den Körper UND das Selbstbewusstsein stärkt, barfuß zu sein, auch wenn alle Passanten erschrocken schauen und der Wind kalt pfeift.
Bewegung ist alles. Dann wird Barfußlaufen immer zum Genuss! Wie gesagt: Laufen! Schräge Gedanken, Selbstzweifel und gar Scham stellen sich nur ein, wenn man rumsteht. Und es ist derart inspirierend, motivierend, ja jubilierend, barfuß den Widerständen, allen Widerständen zu trotzen!
Jetzt fühle ich mich wieder gut.
...und, äh, okay, ... das Wissen darum, inklusive meiner Spanienreise (diesmal mit Schuhen zumindest im Gepäck, denn ich werde auch eine Familie auf dem Land besuchen, die ich nicht provozieren will) dann doch gut 6 Monate (6 Monate!) barfuß gewesen zu sein - erfüllt mich mit kindlicher Genugtuung!
Das gebe ich hier unumwunden zu.

Eins noch: Die vielen Beiträge für den Frank aus der Schweiz haben mich sehr gefreut - und ihn sicher noch mehr!
Vielen Dank für Deine liebe Antwort, Frank!

Liebe Grüße
Lotsi


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