Von Biotopen und Schachen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Tuesday, 09.09.2003, 17:06 (vor 7691 Tagen)

Zunächst eine etwas philosophische Frage: Wieso "läuft" man eigentlich barfuß, während man mit Schuhen geht? Sind Barfüßer wirklich schneller unterwegs als beschuhte Zeitgenossen? Einerseits ist man dank des leichteren Gewichtes ohne Schuhe schneller, andererseits behindern morphologische Gegebenheiten den barfüßigen Gang. Selbstverständlich spielt auch die Art der Schuhe eine entscheidende Rolle. Eigentlich sollte man annehmen, daß Barfüßer weniger auf Höchstgeschwindigkeiten aus sind, sondern ihren Gang genießen. Oder stammt der Ausdruck barfuß "laufen" etwa daher, daß man schnell sein muß, um nicht in seiner Barfüßigkeit "ertappt" zu werden? Ich hoffe es nicht.
In der Schweiz gibt es übrigens den schönen Ausdruck "säckeln" anstelle von laufen. Ursprünglich hieß es "söckeln", das heißt "auf Socken laufen". Es stammt aus einer Zeit (genaueres weiß ich nicht), als während eines Krieges die Basler sich einer Übermacht des Feindes gegenüber sahen. Um denen zu entkommen, machten sie sich eines Nachts auf Socken von dannen. Hätten sie ihre schweren Stiefel angezogen, so wären sie einmal langsamer gewesen, zum anderen wäre der Feind vom Knarren der Stiefel wach geworden.

Wie dem auch sei, eigentlich bin ich bisher kaum barfuß gelaufen oder auch nur gegangen. Ich habe mich in selbigem Zustand fast nur irgendwo aufgehalten, etwa am Strand oder in einem Gebäude. Für einen "Stellungswechsel" zog ich früher in der Regel Schuhe an. Aber auch in diesem Sommer, als ich mich entschloß, öfter mal auf Schuhe zu verzichten, "ging" ich nicht barfuß, sondern ich fuhr, nämlich mit dem Fahrrad, worüber ich an dieser Stelle ja schon berichtet habe (Zofingen-Sinsheim via Straßburg). Im Gegensatz zu Fußgängern sind barfüßige Velofahrer kein bißchen mehr den Scherben, Steinen usw. ausgeliefert wie beschuhte, man trägt quasi die Schuhe in Form von Gummireifen. Letztes Wochenende wollte ich einmal wirklich barfuß gehen, und das ging so:

Samstag, 6.9.2003: Nach einem verregneten Vormittag entschloß ich mich am Nachmittag, ins Biotop in Ettiswil zu radeln, Schuhe nahm ich gar nicht erst mit. 20 km mit dem Velo sind für mich sicher kein Problem. Ein Biotop ist sicher auch kein Ort, an dem man aus moralischen Gründen nicht ohne Schuhe unterwegs ist, wie es vielleicht für Kirchen und Theater zutreffen mag. Wenn man an den Tümpeln Tiere beobachten will (und das wollte ich tatsächlich auch), dann kann man, da man leiser ist, auch näher heran, ohne daß gleich ein Frosch davonhüpft. Man könnte höchstens in Verdacht geraten, daß man vorhat, die Tümpel zu betreten, was verständlicherweise verboten ist. So schritt ich auch an einigen Tümpeln entlang, teilweise Kieswege, teilweise Gras, teilweise Sand. Nach einiger Zeit setzte ich mich auf eine Bank, um von dort die Tiere zu beobachten. Sogar eine Ringelnatter hatte ich erspäht neben Fröschen, Molchen, Eidechsen sowie Insekten aller Art. Eine Familie ging an mir vorbei, die jüngste Tochter fragte die Mutter:"Will der baden?" (Wobei zu bemerken ist, daß ich wegen der plötzlich aufgetauchten Sonne mein T-Shirt ausgezogen hatte und nur noch mit Turnhose bekleidet war.) "Vielleicht", war die Antwort der Mutter. Da ich mich nur langsam im Biotop fortbewegte, hatte ich im Biotop keine Schwierigkeiten mit dem Barfußlaufen. Hinterher radelte ich noch an die Aare bei Rothrist, wo ich eine "Wattwanderung" auf einer Schlammfläche unternahm. Der kühle Schlubber war eine Wohltat für die Füße.

Einen Tag später sah es etwas anders aus. Bei etwas nebligen Wetter machte ich mich am Sonntagmorgen gegen 8 Uhr mit dem Velo auf nach Schönenwerd beim Stauwehr, wo ich schon häufiger zum Baden hingefahren war. Aber um 9 Uhr bei noch unveränderter Witterung hatte ich dazu noch kein Bedürfnis. Also machte ich mich vom Abstellplatz ohne Schuhe (ihnen blieb es an diesem Tag erspart, sich mit mir rumzuquälen), dafür mit Rucksack und Ausweis (man kann nie wissen) wanderte ich erst am Nordufer der Aare bis zur Vogelvoliere am Aarauer Kraftwerk. Dieser Weg führte meist über Sand, nasses Gras oder Waldboden, was recht angenehm war. Unangenehmer war der Weg zurück am anderen Ufer, dieser war steinig. Das dort extra hingefahrene Gestein wurde übrigens im nahen Jura gebrochen und ist teilweise recht scharfkantig. Zwar holte ich mir keine Verletzungen, aber ich war froh, als ich wieder am Abstellplatz des Velos angekommen war. Viele Jogger überholten mich hier im Aareschachen, ohne Ausnahme beschuht, viele sogar schon im Trainingsanzug (dabei war es sicher ca. 15°C warm). Plötzlich vernahm ich von hinten eine Stimme: "Hallo Michael!" Es war ein Arbeitskollege, der mit seiner Frau am Joggen war. Es handelte sich jedoch nur um einen "normalen" Arbeitskollegen, keinen bösen Vorgesetzten. Später brach die Sonne doch noch durch, rasch wurde es wärmer, so daß ich doch noch in der Aare baden konnte.
Diese inoffizielle Badestelle wird bei heißem Wetter oft benutzt, diesmal waren aber nur ca. 10 Leute im Wasser, die meisten waren auch nur kurz da und gingen dann weiter, meist recht "winterlich" vermummt. Leider wird diese Stelle aber auch viel von Leuten benutzt, die dort Feuer machen und manchmal recht ausgiebig saufen, mit der Folge, daß Abfälle dort liegen bleiben und manch eine Flasche zu Bruch geht. Mit vollen Flaschen kommen sie an, aber sie sind zu faul, die Abfälle auch nur in die nahen Papierkörbe zu bringen. Zerbrochenes Glas zwischen Kieselsteinen an einem Badestrand ist wirklich sehr unangenehm, nicht nur für Barfüßer. Ich hatte vor Jahren einmal am Strand mein Badehandtuch ausgelegt und dabei nicht mitbekommen, daß ein kleiner Glassplitter darunter lag. Dieser Splitter blieb im Handtuch hängen und beim Abtrocknen zerschnitt ich mir dabei den Hals! Je mehr ich letzten Sonntag den Strand betrachtete, desto mehr Scherben entdeckte ich. Was kann man da tun? Nichts? Nein, man kann sehr wohl was dagegen tun. Sicher gehört es nicht zu meinem Aufgabenbereich, den Strand von Scherben zu befreien, nur wer soll es tun? Die Verursacher sind ja längst fort. Als ich meine geleerte Getränkeflasche aus Einwegglas ordnungsgemäß wieder im Rucksack verstauen wollte, kam ich auf die Idee, die Flasche vorher mit Scherben zu füllen. Wer in der Lage ist, mit einer vollen Flasche anzureisen, der ist nicht nur in der Lage, mit einer leeren Flasche, sondern auch mit einer mit Scherben gefüllten Flasche wieder abzureisen. Wobei "gefüllt" übertrieben ist, nachdem sie halb voll war, verging mir die Lust zum weitersammeln. Aber das ist sicher nicht so tragisch. Ich möchte niemanden dazu nötigen, die Abfälle anderer zu entsorgen. Aber man kann verlangen, daß jeder seinen Abfall ordnungsgemäß beseitigt. Das gilt nicht nur für Glas, sondern auch für Plastik, Papier, Metalle. Ansonsten reichern sich auch in der sonst so sauberen Schweiz die Abfälle in der Landschaft an, wie es heute in England oder in den USA leider schon Alltag ist.

Meine ersten barfüßigen Wanderungen waren nur kurz. Für nächstes Wochenende habe ich mir allerdings wieder eine Velotour vorgenommen mit einer Übernachtung im Freien. Ziel ist das Expoland, d.h. zunächst an den Neuenburger See bei Auvernier, um von dort am Sonntagmorgen nach Biel (Europaquai) zu radeln. Abends soll es dann zurückgehen nach Zofingen. Schon öfter habe ich am Wochenende diese Route zurückgelegt, um zu baden. Bisher trug ich jedoch immer Schuhe. Vielleicht gelingt es mir diesmal, meine Schuhe zu "vergessen".

Mit scherbenfreien Grüßen

Michael aus Zofingen

Scherben einsammeln

steveh, Tuesday, 09.09.2003, 18:13 (vor 7691 Tagen) @ Michael aus Zofingen

kam ich auf die Idee, die Flasche vorher mit Scherben zu füllen. Wer in der Lage ist, mit einer vollen Flasche anzureisen, der ist nicht nur in der Lage, mit einer leeren Flasche, sondern auch mit einer mit Scherben gefüllten Flasche wieder abzureisen.

Also von Scherben lasse ich lieber die blossen Finger weg.

Mir war mal zuhause eine Limonadeflasche zerbrochen.
Dabei habe ich barfuss einen Splitter in die Fusssohle bekommen aber insgesamt fünf verschiedene Finger zerstochen beim Einsammeln der Splitter.
Nächstes Mal werden die Scherben mit Sicherheitshandschuhen eingesammelt, Splitter ist aber damit nicht ganz einfach.

Mit dem Staubsauger ging es auch nicht. Splitter in einer Limonade-Pfütze werden nicht angesaugt. Und nach dem Antrocknen wäre alles klebrig gewesen und der Staubsauger hätte die Splitter deshalb auch nicht aufgehoben.

Von Biotopen und Schachen

Andreas (Köln) @, Stammposter, Tuesday, 09.09.2003, 21:41 (vor 7691 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael

Als ich meine geleerte Getränkeflasche aus Einwegglas ordnungsgemäß wieder im Rucksack verstauen wollte, kam ich auf die Idee, die Flasche vorher mit Scherben zu füllen. Wer in der Lage ist, mit einer vollen Flasche anzureisen, der ist nicht nur in der Lage, mit einer leeren Flasche, sondern auch mit einer mit Scherben gefüllten Flasche wieder abzureisen. Wobei "gefüllt" übertrieben ist, nachdem sie halb voll war, verging mir die Lust zum weitersammeln. Aber das ist sicher nicht so tragisch. Ich möchte niemanden dazu nötigen, die Abfälle anderer zu entsorgen. Aber man kann verlangen, daß jeder seinen Abfall ordnungsgemäß beseitigt.

Ich finde das Einsammeln der Glassplitter eine lobenswerte "Aktion" von dir. Vor langer Zeit habe ich ebenfalls den Müll an einem abgelegenen See eingesammelt - an der Uferböschung sowie auch auf zwei in diesem See gelegenen Inseln. Ich hatte einen Müllsack mitgenommen. Sehr schnell war dieser voll - mit Getränketüten, Dosen, Papier und Plastik. Diesen entleerte ich anschließend in einem Müllcontainer um erneut weiterzusammeln. Insgesammt vier Ladungen hatte ich damals eingesammelt.

Hinterher radelte ich noch an die Aare bei Rothrist, wo ich eine "Wattwanderung" auf einer Schlammfläche unternahm. Der kühle Schlubber war eine Wohltat für die Füße.

Hoffentlich waren keine Glasscherben im Schlamm (ich denke gerade an die Sicherheits-Tipps, die du mir vor ein paar Wochen gegeben hast). Wie tief war denn die Schlammfläche?

Viele Grüße aus Köln,
Andreas

Aareputzete

Michael aus Zofingen @, Wednesday, 10.09.2003, 12:57 (vor 7690 Tagen) @ Andreas (Köln)

Hallo Andreas,

leider dienen sogar in der Schweiz vielerorts Gewässer als Abfallkübel. Alle paar Jahre organisieren Vereine daher eine "Aareputzete", an der sich sogar Taucher beteiligen. Ganze Fahrradwracks, Waschbecken, Bettgestelle usw. wurden schon aus dem Fluß gefischt. Daß man bei derart lobenswerten (und leider nötigen) Aktionen nicht jeder einzelnen Glasscherbe nachlaufen kann, versteht sich von selbst. Für solche "Kleinigkeiten" benötigt es keine große Organisation, sondern spontane Eigeninitiative, wie Du es mit dem Müllsack bewiesen hast oder ich mit der leeren Flasche:

"Als ich meine geleerte Getränkeflasche aus Einwegglas ordnungsgemäß wieder im Rucksack verstauen wollte, kam ich auf die Idee, die Flasche vorher mit Scherben zu füllen. Wer in der Lage ist, mit einer vollen Flasche anzureisen, der ist nicht nur in der Lage, mit einer leeren Flasche, sondern auch mit einer mit Scherben gefüllten Flasche wieder abzureisen. Wobei "gefüllt" übertrieben ist, nachdem sie halb voll war, verging mir die Lust zum weitersammeln. Aber das ist sicher nicht so tragisch. Ich möchte niemanden dazu nötigen, die Abfälle anderer zu entsorgen. Aber man kann verlangen, daß jeder seinen Abfall ordnungsgemäß beseitigt."

"Ich finde das Einsammeln der Glassplitter eine lobenswerte "Aktion" von dir. Vor langer Zeit habe ich ebenfalls den Müll an einem abgelegenen See eingesammelt - an der Uferböschung sowie auch auf zwei in diesem See gelegenen Inseln. Ich hatte einen Müllsack mitgenommen. Sehr schnell war dieser voll - mit Getränketüten, Dosen, Papier und Plastik. Diesen entleerte ich anschließend in einem Müllcontainer um erneut weiterzusammeln. Insgesamt vier Ladungen hatte ich damals eingesammelt."

Jeder auf seine Art!

Was die in meinem Mail erwähnte Schlammfläche anbelangt, so kann ich folgendes sagen: Besagter Ort befindet sich am Aareufer in der Gemeinde Rothrist und zwar gegenüber von Boningen. Beidseits des Flusses befinden sich große Kiesplätze sowie Rampen. Hier übt das Schweizer Militär manchmal zum Bauen von Notbrücken, Übersetzen von Militärautos mit Pontons usw. Meistens jedoch übt da kein Militär, so daß sich Badegäste usw. dort breit machen können. Kiesinseln liegen an dieser Stelle im Fluß, bei Niedrigwasser dagegen ist eine Insel fast trockenen Fußes zu erreichen. Der Schlamm war max. 20 cm tief, auf Scherben bin ich nicht getreten. Mehr Scherben liegen dagegen auf dem Kiesplatz selbst.
Im Sommer bin ich oft zum Baden dort, es ist die am nächsten von meiner Wohnung entfernte natürliche Badestelle (Schwimmbecken mit gechlortem Wasser sind nicht mein Fall). Die Aare eignet sich vielerorts zum Baden, jedoch ist es nicht immer ganz ungefährlich. Wenige Kilometer abwärts liegt das Städtchen Aarburg mit seiner auf einem Felsen gelegenen Festung und der vorgelagerten doppeltürmigen Kirche. Genauso berühmt ist die "Wog" (Waage). Die Aare fließt auf den Kirchenfelsen zu, biegt davor aber nach links ab Richtung Olten. Diese scharfe Kurve führt dazu, daß ein Teil des Wassers am rechten Flußufer ein Stück "rückwärts" fließt. Man sieht es daran, daß Treibgut an dieser Stelle lange im Kreis schwimmt. Gleichzeitig steigt und sinkt der Wasserspiegel im gleichmäßigen Rhythmus, wie eine Waage. Wenn man dort badet, grenzt es fast an Leichtsinn. Wer es trotzdem tut, der sollte etwa in der Flußmitte schwimmen. Dann gerät man nicht in den Strudel, sondern treibt erst auf den Felsen zu und dann "rückwärts" ans Ufer, wo es bequeme Treppen bzw. Rampen zum Verlassen des Wassers gibt. Ich selber habe dieses auch schon mal mitgemacht, jedoch nur dann, wenn die Aare wenig Wasser führt, was in diesem Sommer der Fall war. Nach starken Regenfällen dagegen ist es mir zu gefährlich, dort zu schwimmen.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

RSS-Feed dieser Diskussion