Barfußpfad verboten ... Kneipp begeistert (Hobby? Barfuß! 2)

Kai (WN) ⌂, Stammposter, Thursday, 04.09.2003, 20:34 (vor 7696 Tagen)

In der Nürtinger Zeitung (www.ntz.de) fand sich folgender Artikel über das Ende eines Barfußpfad-Traums ...

Grüße
Kai (WN)
----------------

Vater Kneipp wäre sicher hellauf begeistert

Barfußpfad verboten: Beuren macht aus der Not eines Behörden-Verbots eine Gesundheits-Tugend für Fans von Wasser-Anwendungen

BEUREN. "Die Leute auf dem Lande gehen viel barfuß und beneiden nicht den reichsten Städter um seine vornehmen, ausgeschnittenen oder nicht ausgeschnittenen, lackierten oder geschnürten Fußfoltern": Für Pfarrer Sebastian Kneipp, der vor mehr als hundert Jahren die Wasserheilkunde wieder entdeckte und damit der Menschheit einen Schatz schenkte, dessen Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann (zumal in Zeiten, in denen die Gesundheitskosten ins Unermessliche steigen), stand schon im 19. Jahrhundert fest, dass "das wichtigste Abhärtungsmittel für den Körper das Barfußgehen ist". Denn: "Es gibt kein kräftigeres Mittel, die Nerven zu stärken und widerstandsfähig zu machen." Allerdings: Im Deutschland von heute in einer öffentlichen Einrichtung barfuß gehen zu können - das ist kein allzu leichtes Unterfangen.

JÜRGEN GERRMANN

Zumindest, wenn es dafür einen offiziellen "Barfußpfad" geben soll. Dann setzen sich nämlich die Mühlen der Bürokratie in Bewegung, und die mahlen mindestens ebenso langsam wie die des lieben Gottes, und zumeist sogar noch wesentlich gründlicher. So gründlich, dass am Ende nichts mehr übrig bleibt.

Erfahrungen, die in diese Richtung tendieren, musste vor kurzem die Gemeinde Beuren machen. Und das kam so:

Bürgermeister Erich Hartmann, der zugleich auch Kurdirektor ist, weiß genau, dass Stillstand Rückschritt ist und es sich die Panorama-Therme nicht leisten kann, sich auf dem einmal errungenen Lorbeer der schwarzen Zahlen auszuruhen. Innovationen sind auch hier gefragt. Und die Beurener haben die letzten Jahre zweifelsohne ein ganz hervorragendes Näschen dafür gehabt.

Die neueste Idee: eine Kneipp-Anlage vom Feinsten. Das Wassertretbecken dafür ist schon fertig. Aber da hat es beim Treten kein Bewenden, sondern man kann auch (je nach Lust und Laune) entweder eine Luftsprudel-Massage für die Waden zuschalten oder sich durch einen harten Wasserstrahl von unten die Fußsohlen ordentlich durchwalken lassen. Das Herz eines jeden eingefleischten Kneippianers wird da schon beim Lesen dieser Zeilen höher schlagen.

Doch Hartmann wollte da noch eins draufsetzen: Ein Barfußpfad sollte sich durch die Wiese neben dem Becken schlängeln, weiche und harte Materialien sollten die Sohlen abhärten und den Körper durch diese "Reflexzonen-Massage en passant" stärken. Man hatte sich schon mit Medizinern in Verbindung gesetzt, um zu ergründen, welche Dinge sich am besten dafür eigneten: Mit Schotter und runden Hölzern könnte man zum Beispiel die Fußmuskulatur fordern und fördern, durch schwammartiges Material zugleich Partien, die im Schuh normalerweise gar nicht mehr benutzt werden und dadurch zu verkümmern drohen, verstärkt betätigen lassen und trainieren.

Zu einer detaillierten Diskussion über die Materialien kam es freilich gar nicht mehr. Es kam nämlich statt dessen das Veto des dem Landkreis Esslingen zugeordneten Gesundheitsamtes, das unter Verweis auf die Hygiene die Beurener jäh aus ihrem Traum vom Barfuß-Paradies vertrieb.

Nun, das mutet (nicht nur) Erich Hartmann einigermaßen verwunderlich an. Der musste nämlich zur Kenntnis nehmen, dass die Barfuß-Idee im Eugen-Keidel-Bad in Freiburg vor kurzem umgesetzt wurde. Und das Solemar in Bad Dürrheim wirbt für seine "Schwarzwald-Sauna" unter anderem mit diesen Worten bei potenziellen Badegästen: "Ein Barfuß-Erlebnisgang bietet Ihnen eine optimale Fußreflexzonenmassage und damit die Sensibilisierung Ihrer Nerven."

Auch wenn es Otto Normalverbraucher schon auf die Nerven gehen könnte, wenn ein Gesundheitsamt (das in Esslingen) just das verbietet, was andere (in den Kreisen Freiburg und Schwarzwald-Baar) offenkundig abgesegnet haben, so behält Beurens Kurdirektor dieselben.

Sinngemäß könnte man seine Devise so umschreiben: "Nicht lang hadern, nicht mit der Bürokratie lang rumstreiten, was Positives draus machen!"

Und wenn man sieht, was zurzeit im Entstehen ist und schon bald vollends in Betrieb gehen kann, bleibt einem kaum was anderes übrig, als von einer "Traumlandschaft für Kneipp-Freunde" zu sprechen.

Die Eismaschine spuckt schon die weißen Flocken aus, mit denen man sich einreiben und dadurch der Durchblutung Impulse geben kann. Schon in einigen Tagen sind dann kalte und warme Fußbäder möglich, vermag man je nach Gusto kalten oder warmen Regen auf sich niederrieseln oder -prasseln zu lassen oder sich bei einem Armbad zu erfrischen. Wasserschläuche für Güsse sind ebenso vorhanden. Neben den Liegen (die ebenso beheizt sein werden wie die Sitze bei den Fußbädern) ist noch eine Ecke frei, für die im Gespräch mit den Badeärzten noch eine Nutzung gesucht wird. Der Bürgermeister und Kurdirektor könnte sich Trimm-Fahrräder oder Ähnliches vorstellen, um durch leichte Bewegungen die Motorik zu fördern.

Aber egal, was kommt: Die Beurener "Kneipp-Ecke" wird keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Auch nicht mit klassischen Kneipporten wie Wörishofen, Grönenbach oder Ottobeuren. Eins steht fest: "Vater Kneipp" wäre sicher hellauf begeistert. Höchstens würde er noch diesen seinen Satz aus dem Jahr 1890 hinzufügen: "Freilich, wo die Verweichlichung die Herrschaft übt, da wird das Barfußgehen für unanständig und ungesund erklärt."

[image] Kais Journal: Barfußlaufen, Ökologie, H.D. Thoreau, etc.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion