Neulich in München --oder: kann man barfuß auf ein Seminar gehen? (Hobby? Barfuß! 2)

Rainer_DO, Thursday, 28.08.2003, 23:38 (vor 7703 Tagen)

Eins vorweg: Ja man kann. Man kann sogar kilometerweit über Steine gehen ...

Warum die Frage? Ich arbeite in einer extrem konservativen Branche (Banken und Versicherungen), habe Kundenkontakt und übe eine Position aus, die --zumindest hie und da-- die Befolgung eines Dress Code erfordert. Einige Herren habe ich in diesem Sommer selbst bei 37°C im Schatten im vollständigen Bürodress (Dunkler Zweireiher, Hemd, Krawatte --wahrscheinlich auch noch Weste und Unterhemd-- sowie "natürlich" Socken und Halbschuhen gesehen. Andererseits ging an einem dieser Tage *eine* Kollegin ganz entspannt und selbstbewußt barfuß über den Flur ...

Ich flog an einem Sonntag nach München. Also ganz klar: Freizeit = Barfuß und bei dem Wetter kurze Hose. Aber da ich mir nicht ganz sicher war, nahm ich Regenjacke, Dreiviertel-Hose, und Flipflops im Handgepäck mit.

Der Sonntag war klasse: Barfuß und sommerlich leicht bekleidet mit dem Auto --aber hallo!-- zum Flughafen, dann in den Flieger, in München mit der S-Bahn in die Stadt und schließlich habe --immer noch barfuß-- im Hotel eingecheckt.

Anschließend fuhr ich mit U- und S-Bahn nach Herrsching am Ammersee. Eigentlich wollte ich über Kloster Andechs bis zum Starnberger See. Den Weg ab Andechs kannte ich allerdings nicht und die mitgenommene Karte war zu grob. Den Weg bis Andechs war ich im Mai schon 'mal gegangen, wenn auch nur bis zum Ortsrand. Daß nach ungefähr 1 km Asphalt noch ca. 5 km z.T. recht steinige Wegstrecke vor mir lag, war mir klar. Schuhe hatte ich trotzdem nicht dabei. Holla! Entweder bin ich im Mai geschwebt, mein Kurzzeitgedächtnis hat in diesem Fall versagt oder jemand hat seine Kies- und Schottergrube inzwischen auf diesem Weg abgekippt. Georg, Ralf(BN) und einige andere sind Augenzeugen, daß ich nicht zimperlich bin, was die Bodenbeschaffenheit angeht. Aber das war "tough". Nun ja, zumindest eine gute Abhärtung zur Vorbereitung auf die nächsten Barfußwanderungen in den Bergen von Teneriffa.

Das Bier im Kloster Andechs und die sanft geschwungene Landschaft waren eine willkommene Erfrischung.

Die Aussicht auf zwölf oder mehr Kilometer unter hämmernder Sonne mit ungenügender Karte Richtung Starnberger See zu laufen, erschien mir denn doch zu abgedreht. Also ging ich auf gleichem Weg zurück. Größtenteils im Wald, aber wieder 5 km Steinpiste vom Härtesten. Zum Schluß signalisierten mir mein Fußsohlen, daß es langsam reiche, und begrüßten erleichtert den letzten Kilometer glatten Asphalt.

Ich wollte noch baden. Also S-Bahn nach München 'rein, dann U-Bahn und noch 'ne U-Bahn (U3 bis Brudermühlstraße). Nach Süden 'raus, an der nächsten Ecke links, zweite Querstraße rechts, dann kurz darauf links über 'nen Parkplatz, dahinter wieder rechts --aua, schon wieder Schotter--, 'nen viertel Kilometer weiter rechts über die Brücke --ahh schön, Asphalt--, hinter der Brücke nach rechts --nochmals Schotter und ein Biergarten zum Durstlöschen!!!-- und schließlich dahinter eine Holzbrücke über die Isar. Links die Treppe 'runter, ausziehen --wer hier nicht barfuß bis zum Scheitel ist, ist selber schuld :-))--, 'rein in die herrlich kühle Isar, sonnen und den Tag ausklingen lassen.
[Weitere Tipps dieser Art: http://www.nacktbaden.de; die Ortsangabe habe ich von dort, diese Wegbeschreibung ist allerdings von mir]

In der Nacht kam Regen auf, der Morgen war nicht gerade umwerfend heiß. Ich beschloß, an diesem Tag in Dreiviertel-Hose und Flipflops zum Seminar zu gehen. Die ersten paar hundert Meter vom Hotel weg sind durch eine asphaltierte Piste für die Fahrradfahrer und grob strukturierte Pflastersteine für die Fußgänger gekennzeichnet. Zum Test nahm ich die Flipflops 'mal in die Hand, aber meine Fußsohlen waren von der Steinpiste des Vortages noch sensibilisiert und baten um Schonung. Danach auf normal ebenen Gehwegplatten machte ich den zweiten Versuch und meine Fußsohlen waren zufrieden. So "gingen wir" die drei Kilometer zum Seminarort.

Im Seminargebäude erschien ich erst 'mal mit den Fipflops an den Füßen. Der Seminarraum war gut warm. Die Fenster weit geöffnet, die Tür ebenfalls und zusätzlich verstärkten zwei Ventilatoren den Durchzug. Trotzdem, gut warm. Also gleich die Flipflops unter dem Tisch geparkt.
Der Dozent entschuldigte sich dafür, daß er bei dem Klima seine Krawatte ablegte. In die Kaffeepause ging ich barfuß, in die Mittagspause --ca. 1 km entfernt in einem Restautant-- ebenfalls. Ein anderer Teilnehmer zeigte sich verblüfft, daß ich barfuß auf die Straße ging. Das war's. Einzig meine Dreiviertel-Hose aus reichlich dickem Jeansstoff war reichlich warm.

Am nächsten Tag ging ich dann barfuß und in kurzer Hose zum Seminar. Ein anderer Teilnehmer hatte sich zumindest zu halblanger Hose und Sandalen --ohne Socken!-- durchgerungen. Die anderen bleiben bei langer Hose, Socken Schuhen etc. Nun ja, jeder nach seinem Plaisir ...

Meine Bekleidung und die Vorkenntnis vom Sonntag machte es mir leicht, nochmals baden zu gehen. Ohne lästiges Gepäck, Umweg über das Hotel oder dergleichen brauchte ich nur die U-Bahn zu nehmen, direkt an den gleichen Ort zu fahren, mich von den Klamotten zu befreien und in die Isar zu gleiten. Herrlich!

Am Mittwoch ging es dann wieder zurück. Ganz besonders habe ich es genossen, bei dem --immer noch-- wunderschönen Sommerwetter in kurzer Hose und barfuß durch den Flughafen zu gehen und dann zwischen etlichen Geschäftsleuten im "vollen Ornat" im Flieger zu sitzen. Daß ich im Grunde beruflich zur gleichen Gruppe gehöre, diesen Dress Code teils befolge und teils genüßlich durch den Kakao ziehe, hat garantiert keiner von denen geahnt. Als ich in Dortmund ausstieg, hörte ich nur vom weitem, daß meine Barfüßigkeit ein Gesprächsthema war. Die Details kann ich leider nicht berichten, ich war einfach zu schnell, um die Gespräche noch mitzukriegen.

So ist das halt --man nennt mich auch "Speedy Gonzales"--: Selbst barfuß bin ich in der Regel schneller als das Gros der Mitmenschen.
[P.S.: Heute habe ich noch joggend ein paar andere Jogger überholt. Die hatten allerdings auch ein Handicap, nämlich Strümpfe und Schuhe an ihren Füßen. Oder müßte das jetzt "Pedicap" heißen???]


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