"Toleranz" (Hobby? Barfuß! 2)

Andi, Saturday, 09.08.2003, 01:11 (vor 7723 Tagen) @ Olaf

Sprachlich fundiert hast Du natürlich Recht: Jedoch ist das Wort Toleranz heute weiter zu fassen

Es ist richtig, dass dieses Wort heute inflationär verwendet wird. Deshalb sollte man diesen Trend nicht noch verschlimmern, indem man es genauso macht.

weil man ja nun mal keine Wahl hat , Dinge, die einem nicht passen, zu "dulden" - oder geht heute jeder mit der Machete durch die Stadt und macht alles platt, was ihm nicht passt?

Nein, "nicht tolerieren", also "nicht dulden", heißt nicht zwangsläufig körperlich Gewalt anwenden, sondern bedeutet "aktiv Anstrengungen unternehmen, um das nicht duldenswerte so gut es gut zu unterbinden". Das kann heißen: verbale Belästigung (wie in dem Fernsehbericht), oder Forderung nach Verboten, o.ä.

Glücklicherweise nicht - also wird eigentlich alles erduldet, ohne wirklich toleriert zu werden...

Du kannst dir den Unterschied z.B. an Randgruppen und Minderheiten klar machen. Häufig wird z.B. im Zusammenhang mit Schwulen von jedermann die "Toleranz" eingefordert. Was heißt das?

"Nicht-Toleranz" heißt, du unternimmst etwas gegen sie, z.B. indem du ein Verbot von Homosexualität forderst, sie aus der Kirchengemeinde rausekelst oder (im Extremfall) mit dem Baseballschläger gegen sie losziehst.

"Toleranz" heißt, du findest es nicht richtig, was sie machen, äußerst diese Meinung auch, wenn das Thema zur Sprache kommt, machst aber sonst nichts dagegen; solange du nicht zwangsweise damit konfrontiert wirst, sollen die doch machen, was sie wollen, die werden schon sehen, was sie davon haben. Im Unterschied zur "Gleichgültigkeit" hast du aber trotzdem eine negative Meinung, während du bei "Gleichgültigkeit" gar keine Meinung hast.

"Akzeptanz" heißt, dass du eine positive Meinung dazu hast ("ist doch schön, wenn sich zwei liebhaben" usw.)

Leider wird "Toleranz" auch häufig im Sinne von "Akzeptanz" verwendet. Daraus ergibt sich nämlich die interessante Frage, ob jemand, der eine ablehnende Meinung (also Nicht-"Akzeptanz") eines anderen kritisiert, eben wegen dieser Kritik "intolerant" ist. Ist also der Barfußläufer intolerant, wenn er barfußfeindliche Schuhträger wegen der Barfußfeindlichkeit kritisiert? Ist der Schwule intolerant, wenn er den Schwulenhasser kritisiert? Ist der Ausländer intolerant, wenn er den Ausländerfeind kritisiert? Ist ein Kurze-Hosen-Träger intolerant, wenn er den Markus U. kritisiert?

Ich sage: Nein, denn solange er diese Meinungsäußerung nicht völlig verhindern will (z.B. Redeverbot usw.), ist er nicht intolerant, sondern nur nicht-akzeptierend.

Aber mir ging es primär um den Tonfall von Markus U. und der damit zu verbindende Absolutheitsanspruch seines Geschmacks.

Ja, natürlich. Nur sollte man dann halt explizit den Tonfall kritisieren, und nicht den ausgelatschten Begriff "Toleranz" noch weiter strapazieren.


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