TOLERANZ! (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Friday, 08.08.2003, 12:19 (vor 7723 Tagen) @ UlliDO

Was ist das bloß für eine Person, die solch einen Seich verfaßt. Ob es sich etwa um dieselbe "Dame" (deren Namen habe ich vergessen oder vergessen wollen) handelt, die bei uns in der Firma einmal einen Kurs zum Thema "Menschenführung" gegeben hat? Die Kursteilnehmer waren zufällig nur Männer im oberen und mittleren Kader. Im Laufe des Kurses mußten wir uns im Kreis auf Stühle setzen, aus welchen Gründen auch immer. Vermutlich spontan wich die Kursleiterin vom Thema ab, als sie sah, daß bei einem ca. 30 jährigen Mann die linke schwarze Socke etwas verrutscht war und ein Teil der Haut sichtbar wurde. Ihre Worte waren ungefähr: "Übrigens: Als Mann in einer Führungsfunktion sollte man niemals kurze Socken tragen, sondern Kniestrümpfe! Behaarte Männerbeine sind häßlich". Dann warf sie einen Blick auf mich, ich war der einzige Teilnehmer, der an diesem Novembertag in dem überhitzten Raum die Ärmel hochgekrempelt hatte. "Das gilt auch für die Arme. Als Mann sollte man grundsätzlich langärmelige Kleidung tragen. Behaarte Männerarme sind ebenfalls unästhetisch. Das gilt übrigens nicht nur bei der Arbeit!" Schweigen! Nach einiger Zeit fragte ein 55-jähriger Vizedirektor (der übrigens bei der Arbeit immer "standesgemäß" gekleidet ist, in der Freizeit (im Tennisdreß) viel Tennis spielt, eine recht gebräunte Haut hat, am ganzen Körper stark behaart ist, dafür auf dem Kopf die meisten Haare aber im Laufe der Jahre verloren hat): "Sollen Männer etwa in der Badeanstalt nur im Neoprenanzug schwimmen und zumindest diejenigen Männer, die im Gegensatz zu mir auch auf dem Kopf Haare haben, grundsätzlich einen Hut tragen? Wie ist das übrigens bei den Frauen der Schöpfung? Dort sind gemäß Statistiken Krampfadern und Cellulitis häufiger vertreten. Ist das etwa ästhetisch? Wenn Sie konsequent sind, dann dürften Sie eigentlich nichts dagegen haben, wenn man barfuß zur Arbeit kommt. Fußsohlen, Handflächen, Zunge, Augen sind die einzigen Körperteile, die von Natur aus unbehaart sind. Bei den meisten Menschen gilt das übrigens auch für die Zähne, aber bei Ihnen bin ich davon nicht überzeugt." Ob die Frau rot wurde, konnte man dank ihrer dick aufgetragenen Schminke nicht erkennen. Ihre Kleidung war "zugeknöpft", ob das nur an der Jahreszeit lag? Jedenfalls wechselte sie schnell zum "richtigen" Thema über.

Hier ein paar Zitate meiner Mutter zum Thema Kleidung, was ich mir schon häufig anhören im Laufe meiner 47 Lebensjahre häufig anhören mußte und auch noch muß, wenn sie mich mal besuchen oder ich sie:
"Ein erwachsener Mann darf nur in den Monaten ohne "r" kurze Hosen tragen, und das auch nur bei Temperaturen über 20°C!"
"Ein erwachsener Mann darf sich nur in kurzen Hosen in der Öffentlichkeit präsentieren, wenn es auch andere tun!"
"Außerhalb von Badeanstalten dürfen Männer nie barfuß oder auch nur ohne Strümpfe erscheinen. Kinder müssen, wenn sie schon keine Strümpfe tragen, ganz barfuß laufen. Das Tragen von Schuhen ohne Strümpfe ist den Frauen vorgehalten."
"Ob ein Mann in während der Freizeit kurze Hosen tragen darf, ist abhängig von seiner beruflichen Position."
"Männer dürfen nur dann kurze Hosen tragen, wenn man die Figur danach und vor allem braune Beine hat." (Mit anderen Worten: Man muß vor Beginn der warmen Jahreszeit ein Sonnenstudio aufsuchen.)
Das sind also die standardisierten Sprüche meiner Mutter, die sie kritiklos von ihren Vorfahren übernommen hat und die ich absolut nicht teilen kann. Es handelt sich nicht um eine ehrliche Meinung, sondern um Wichtigtuerei und Verlangen nach Macht. Dank der Entfernung zwischen meiner Wohnung und der meiner Eltern (knapp 1000 km) kommt es glücklicherweise nicht allzu häufig zu derartigen Zusammenkünften, meist zweimal im Jahr. Wobei für mich ein zweiwöchiger Besuch der Eltern in der Schweiz im Sommer mühsamer ist als ein Besuch meinerseits bei den Eltern in Norddeutschland um die Weihnachtszeit.
Eine Erzählung meiner empörten Mutter möchte ich nicht vorenthalten. Meine Eltern hatten mich im Juni besucht und waren an einem heißen und wolkenlosen Donnerstag ohne mich (ich mußte arbeiten) mit dem Auto über einen Bergpaß (Sattelegg) gefahren. Ihre Aufregung war groß: "Stell Dir vor: Bevor wir die Paßhöhe erreichten, überholten wir einen jungen Mann auf dem Rennrad in kurzen Hosen! Wenn man normale Beine hat, ist es bei diesem Wetter mit dem Rad unterwegs ist, ist das wohl nicht schlimm. Aber der Mann hatte eine Beinprothese. Hätte der nicht lange Hosen anziehen können? Und jetzt der Gipfel. Als wir später wieder unten im Tal waren und zu Mittag in einer Gartenwirtschaft aßen, ist der Kerl auch noch gekommen und hat dort gegessen. Ich begreife den Gastwirt nicht. Wieso hat er nicht von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und den Radfahrer zurückgeschickt oder die Polizei verständigt. Der Anblick einer Beinprothese ist eine Zumutung für normale Gäste. Zum Glück waren wir mit dem Essen gerade fertig, ansonsten hätte ich keinen Bissen mehr herunterbekommen. In das Lokal gehe ich nie mehr". Meine Antwort war nur: "Und ich würde nie in eine Lokal gehen, in dem Leute wegen eines Leidens, anderer Kleidung oder anderer Hautfarbe nicht bedient werden. Deine Gedanken grenzen an Rassismus. Aber vermutlich bist Du zu feige gewesen, dem Wirt zu sagen, daß Dir der Radfahrer nicht gefällt. Du hast vermutlich aber meinem Vater Vorwürfe gemacht, daß er nicht aktiv geworden ist." Damit verließ ich den Raum und täuschte irgendwelche Schreibarbeiten vor, die ich noch jetzt zu erledigen hatte. Aber viel geschafft habe ich nicht. Ich war böse auf meine Mutter. Da lebt nun ein junger Mann und hat ein Bein verloren, aus welchen Gründen auch immer. Dann radelt auf einer derart schwierigen Bergstrecke bei glühender Hitze, die manch ein Mensch mit gesunden Beinen auch nicht bei kühlerem Wetter schaffen würde, und den man nicht gleich als unsportlichen Menschen bezeichnen würde. Ich jedenfalls habe Respekt vor dem Radfahrer, der trotz seiner Behinderung eine derartige Strapaze auf sich nimmt. Ist es nicht schon Strafe genug, daß er den Rest seines Lebens auf eine Prothese angewiesen ist? Soll man ihn noch zusätzlich damit bestrafen, daß man ihm das Tragen von zweckmäßiger Kleidung beim Velofahren verbietet? Oder gar wie einen "Aussätzigen" behandelt oder gar von der Polizei abholen läßt? Andererseits bewundere ich auch den Mut des Velofahrers, daß er der Allgemeinheit zeigt, daß man auch mit Behinderungen zu sportlichen Leistungen fähig ist. Einen Satz meiner Mutter möchte ich auch nicht vorenthalten, während ich den Raum verließ: "Ich hoffe ja stark, daß Du, wenn Du mal auf eine Beinprothese angewiesen bist, immer lange Hosen trägst!"

Noch etwas zu Begriffen wie "Stachelwade" usw. Stachelig wird die Beinbehaarung nur dann dann, wenn man versucht, sie abzurasieren. Kann ich aber keinem empfehlen! Ohne derartige Eingriffe bildet sich eine eher weiche Behaarung, was teilweise auch davon abhängig ist, ob man oft enge Hosen trägt oder ob man kurze Hosen nur bei glühender Hitze trägt oder auch bei deutlich tieferer.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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