Barfuß am Schweizer Nationalfeiertag in Basel (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Wednesday, 06.08.2003, 08:29 (vor 7725 Tagen)

Ich habe diese Website in der Zeitschrift einer Schweizer Krankenkasse gefunden. Als gebürtiger Norddeutscher hat es mich vor 14 Jahren beruflich in die Schweiz verschlagen, hier werde ich auch bleiben. Als Kind war für mich Barfußlaufen außerhalb von Badeanstalten tabu, aber das ist ein Kapitel für sich. Am Arbeitsplatz (ich bin Chemiker und arbeite teils im Labor, wo Scherben und Gifte durchaus vorkommen können, habe aber auch Kontakt mit Kunden) kann ich leider nicht das anziehen, was gemäß Witterung sinnvoll ist, Halbschuhe, Krawatte, helles Hemd, Socken und (was mich besonders stört) lange Hose sind somit meine "Dienstkleidung". Aber nach Feierabend bin ich froh, wenn ich mich dieser "Uniform" entledigen kann und Kleidung nach dem Motto "soviel wie nötig, sowenig wie möglich" anzulegen. Da ich recht empfindliche Füße habe, empfand ich Schuhe, und wenn es nur Sandalen waren, als nötig, etwa beim Velofahren (Entfernungen über 100 km sind nicht außergewöhnlich), beim Wandern (ich bin oft im Jura oder im Tessin unterwegs) oder auch bei tieferer Temperatur (meine Füße schmerzen kältebedingt bereits bei Temperaturen, bei denen es mir nicht im Traum einfällt, beim Wandern oder Radfahren auf lange Hosen umzusatteln).
Der 1. August ist Schweizer Nationalfeiertag, es werden Raketen abgefeuert wie in Deutschland zu Silvester, bei gutem Wetter wie dieses Jahr finden viele Festlichkeiten draußen statt. Auch werden vielfach Fluß- und Seeufer belegt, mit Grillen, Trinken, Knallen. Leider hat es auch Nachteile, überall Abfälle, überall Scherben! Dieses Jahr lag der arbeitsfreie Nationalfeiertag an einem Freitag, also hatte ich 3 freie Tage vor mir, ideal zum Baden. Mein Ziel war Basels größte Badeanstalt, der Rhein, ca. 60 km von meiner Heimatstadt Zofingen entfernt. Ausgerüstet mit Schlafsack, Fahrradwerkzeugen, Verpflegung, aber eher wenig Kleidung (kurze Hose, leichtes T-Shirt, Sandalen) radelte ich morgens los - und wurde prompt von einer Zivilstreife der Kantonspolizei kontrolliert, war ich etwa zu leicht gekleidet für die Jahreszeit? Am Badeplatz (es war der Birskopf an der östlichen Stadtgrenze Basels) lagen bereits abgebrannte Raketen vom Vortag, aber wenig Scherben. Meine Schwimmstrecke, unter Brücken hindurch, vorbei an Schiffen und prächtigen Häuserfassaden reichte bis hinter die Johanniterbrücke. Die Strömung und die vergleichsweise hohe Wassertemperatur sorgten dafür, daß das Schwimmen wenig anstrengend war. Gefährlich wurde es, als ein Knallkörper von der Mittleren Brücke geworfen wurde, ca. 10 Meter vor mir. Der steinere Brückenbogen sorgte für einen noch lauteren Knall. Etwas mulmig war mir auch beim Verlassen des Wassers zumute, da die Ausgänge am Ufer mit Scherben übersät waren, man konnte hineintreten und, da der Uferbereich flach und steinig ist, auch hineingreifen. Dann mußte ich die Strecke zum Lagerplatz barfuß zurücklaufen. Zwar hatte die Stadtreinigung fleißig gearbeitet, aber in den Fugen zwischen den Wegplatten der Rheinpromenade waren immer noch teilweise spitze und aufrecht stehende Scherben, die ich, da ich kurzsichtig bin, beim Baden die Brille aber abnehme, nur schwer ausmachen konnte. Das Trottoir der Wettsteinbrücke (rauher, heißer Asphalt) war auch nicht frei von Scherben. Speziell die Treppenaufgänge zur Brücke waren gefährlich zu begehen. Aber ich schaffte es doch. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, daß deutlich mehr Badegäste alle möglichen Sorten von Badeschuhen trugen als üblich. Man kann fast empfehlen, beim Baden am Nationalfeiertag wegen Verletzungsgefahr nicht nur Schuhe, sondern auch Handschuhe, Helm und Ohrenschützer zu tragen!
Weit nach Einbruch der Dunkelheit suchte ich mir einen idyllischen Schlafplatz, ca. 10 km entfernt. Beim Radeln dorthin durch die Stadt hielt ich es nicht für nötig, Schuhe und T-Shirt überzuziehen, hat bei den hohen Temperaturen (tagsüber über 30°C, nachts nie unter 20°C) gar nicht einmal auffiel (obwohl ich in der Stadt selbst nur einen Jüngling ohne Schuhe sah, in Kombination mit Shorts und langärmligen Pullover). Erst als ich den Schlafplatz selbst auskundschaftete (Dunkelheit, umgestürzte Bäume, Brombeerranken), zog ich Schuhe über. Am nächsten Morgen merkte ich mir die Möglichkeit, wie ich auch ohne Schuhe den Platz erreichen konnte für die nächste Nacht. Der Samstag verlief ähnlich wie der Freitag. Am Sonntag, als ich zur letzten Schwimmrunde starten wollte, trat ich versehentlich in eine Biene, die mir direkt in die "Schwimmhaut" stach. Ich entschied mich zu schwimmen in der Hoffnung, das Wasser würde den Schmerz lindern. Das war jedoch nur im Wasser der Fall, beim Rückweg mußte ich den Fuß doch irgendwie anders gehalten habe, jedenfalls habe ich mir noch 2 Splitter in den Fuß getreten auf der Wettsteinbrücke. Ein Splitter blieb drin, erst am Lagerplatz hatte ich eine Pinzette bereit (und die Brille, damit ich den Splitter auch sehen konnte!). Bin ich durch den Insektenstich unsicherer geworden? Oder lag es an der Tatsache, daß ich insgesamt zehnmal die Strecke geschwommen und anschließend wieder "zurückgesäckelt" bin und dadurch meine Hornhaut bereits überbeansprucht war? Zu guter Letzt (gegen 17.30 Uhr) mußte ich wieder zurück nach Zofingen über den Hauensteinpaß radeln, es war immer noch heiß (am Montag mußte ich wieder arbeiten). Daß ich das T-Shirt ziemlich zuunterst im Gepäck verstauen konnte, war klar. Immerhin hatte ich es lediglich die ersten 15 km auf der Hinreise getragen, danach war es mir bereits zu heiß. Aber mit oder ohne Schuhe? Da ich einerseits die Scherben gerade dort eingetreten hatte, wo die Fahrradpedalen keinen Druck ausüben, andererseits der Steg der Sandalen gerade dort saß, wo die Biene hingestochen hatte, entschloß in mich, ohne Schuhe loszufahren, um sie eventuell anzuziehen, wenn der Weg ab Sissach steiler wird. Aber ich schaffte die Paßauffahrt ohne Schuhe. Der Fahrtwind bei der Abfahrt Richtung Olten sorgte dafür, daß der Scmerz vom Insektenstich weniger wurde.
Ich werde wohl auch in Zukunft etwas häufiger auf Schuhe verzichten. Aber ich habe nicht den Ehrgeiz, nur um barfuß laufen zu können, auf andere Dinge zu verzichten (Wanderungen im schwierigen Gelände) oder dadurch mich in Unkosten stürzen. Die Arztkosten als Folge vom Barfußlaufen sollten die Kosten von Schuhen nicht übersteigen. Ich sehe mich als naturverbunden, und Barfußlaufen ist sicher eine Form der Naturverbundenheit. Ich sehe den Verzicht auf ein eigenes Auto auch als Naturverbundenheit an. Wenn ich also vor der Wahl stünde, mir ein Auto anzuschaffen, nur damit ich auch im Winter barfuß laufen kann oder bei Kälte weiterhin Schuhe zu tragen und kein Auto anzuschaffen, so sind mir Schuhe doch lieber. Beruflich benötige ich kein Auto, da ich nur 1 km vom Arbeitsplatz bzw. Bahnhof entfernt wohne und Zofingen gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit den Rest der Welt verbunden ist. Auch mit dem Velo ist man innerhalb von 3 Stunden in vielen Schweizer Städten, z. B. Basel, Bern, Zürich, Luzern. Ich sehe es auch als Naturverbundenheit an, wenn man sich von der Umwelt auch durch andere Kleidungsstücke nicht unnötig abkapselt. Daher trage ich auf Wanderungen un Velotouren, soweit die Temperaturen es zulassen, sooft wie möglich kurze Hosen, wodurch ich schon oft Ärger mit Polizisten hatte. Ganztägige Velotouren bei trocknem Wetter um den Gefrierpunkt in Shorts sind für kein Problem, und beim Wandern darf die Temperatur durchaus noch tiefer sein (ca. -7°). Aber vermehrte Polizeikontrollen sind für mich das kleinere Übel als der Verzicht auf einengende Kleidung während der Freizeit. (Am Arbeitsplatz werde ich für das Tragen von "Zwangskleidung" ja entlöhnt). Als unverheirateter Einzelgänger (mittlerweile 47-jährig) bin ich auch nicht auf die Rückendeckung anderer angewiesen. Ich finde es gut, daß es ein Barfußforum gibt, aber ich benötige es nicht unbedingt. Genauso wenig, wie ich ein "Kurze-Hosen-Forum" (gibt es das?) benötige.
Mit freundlichen Grüßen
Michael aus Zofingen


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