Barfuß / Berufsgenossenschaft (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd, Friday, 11.07.2003, 11:05 (vor 7751 Tagen) @ Ralf RSK

...da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, sorry. Ohne mich auf die Vorschriften der Berufsgenossenschaften stützen zu wollen, sieht es in der Realität (leider) so aus, dass - gestützt auf Erfahrungswerte - der Arbeitgeber von der BG Probleme bekommt, wenn sich beispielsweise ein barfüßiger Mitarbeiter eine Schnittwunde am Fuß zuzieht, sich etwas eintritt o.ä.

Allerdings muss man solche Vorfällt im Zusammenhang mit den BGs kritisch sehen, besonders beim folgenden Fall:

1992 zog sich der Abteilungsleiter der EDV in einem deutschen mittelständischen Unternehmen eine Verletzung zu, als er - unbeschuht - eine sehr schwere Schranktür unvorsichtig öffnete. Die Tür bewegte sich Richtung Fuss und riss den Nagel des großen Zehs ab. Eine absolut schmerzhafte Verletzung. Arbeitsunfähigkeit hier: Über eine Woche.
Resultat: 1.: Rüge vom Chef: "Das MUSSTE ja eines Tages passieren."
2.: Nach der Arbeitsunfähigkeit: Vorhaltung vom Chef: "Lesen Sie mal, das habe ich von der Berufsgenossenschaft bekommen." Es gab schließlich Schriftverkehr zwischen Betriebsrat/Geschäftsführung und BG, und nach all dem Hin und Her wurde dem EDV-Leiter nahe gelegt, bitte in Zukunft mit Schuhen zu arbeiten. (Mit "nahe gelegt" ist der Chef dann schon allerdings eine wesentliche Stufe weiter gegangen als der Boss im Fall von Robert aus Österreich!!)

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Nun das Paradoxe an der ganzen Sache:

Barfuß hin, barfuß her... Die Schranktür kann mir auch dann den Zehennagel abreißen, wenn ich Sandalen trage, denn ausschlaggebend war hier die Tatsache, dass die Zehen nackt bzw. ungeschützt waren. Anders wäre es gewesen, wenn sich der Angestellte einen Nagel oder eine Büroklammer - auch das ist schon passiert - eingetreten hätte. Also hätte die BG in diesem Fall schon konkret werden und Sandalen als bedenklich herausstellen müssen. Hat sie aber nicht getan!
...und ich selbst habe auch schon die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass eine Sandale nicht den Schutz eines geschlossenen Schuhs bietet. Resultat: Blutige Zehen, verletzte Fußnägel und verschrammte Haut. (Ich nehme es allerdings gerne hin angesichts der Qualen, die mir geschlossenes Schuhwerk bereitet...).

Es wäre vielleicht - gerade im Fall von Robert - interessant zu klären, inwieweit die BGs mit ihren Sicherheitsbestimmungen für Büros gehen. Wer lebt gefährlicher? Ein barfüßiger Mann oder ein Mode-Narr mit Gucci-Schlappen, die mit einem Hauch von Lederbändchen am großen Zeh festgezurrt sind? Ein barfüßiger Mitarbeiter oder eine Buchhalterin, die in High Heels von Manolo Blahnik ("Sex and the City" lässt grüßen...) fünf Ordner die Treppe hinunter trägt?

Und Ralfs Beitrag hat eine für mich doch wesentliche Frage aufgeworfen, die ganz bestimmt _nicht_ "off-topic" (UlliDo möge mir diesen Anglizismus verzeihen) ist, weil sie die Uneingeschränktheit aller (angestellten) Barfüßer betrifft:
Werden - gerade im Büro - Pseudo-Gesetze nicht vielleicht vorgeschoben? Sind (non-existente?) Sicherheitsbestimmungen für (Personal-) Chefs nicht vielleicht Mittel zum Zweck, einen barfüßigen Individualisten zu domestizieren und ihn wieder ins Glied der angepassten Schuhträger zu rücken?

Ich weiß, seit Jahren fragt Ihr Euch, ob man barfuß Motorrad fahren darf, aber "Barfuß im Büro" könnte doch wirklich mal von verschiedenen Seiten beleuchtet werden.

Gruß

Bernd

... barfuß im Betrieb laufen ...
... dies _eindeutig_ gegen Bestimmungen der
Berufsgenossenschaft verstößt.

Hallo, Bernd,
sorry, aber das ist völliger Quatsch. Erstens gibt es nicht _die_ Berufsgenossenschaft, sondern rd. 35 BGs, die im Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften zusammengeschlossen sind (gilt für Deutschland, da der Vorbeitrag aus Österreich stammt, ist dort wahrscheinlich das nochmal ganz anders). Dass es in der Bergbau-BG andere Vorschriften über "persönliche Schutzausrüstung" (hierzu zählen Schuhe) gibt wie in der BG Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege, liegt nahe.
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber eine persönliche Schutzausrüstung zu stellen, wenn durch andere betriebstechnische Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer Unfall- und Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist (Unfallverhütungsvorschriften, allg. Teil, VBG 1). Für Schuhe gilt dies, wenn "mit Fußverletzungen durch Stoßen, Einklemmen, umfallende, herabfallende oder abrollende Gegenstände, durch Hineintreten in spitze und scharfe Gegenstände oder durch heiße Stoffe, heiße und ätzende Flüssigkeiten zu rechnen ist." (VBG 1, § 4 Abs. 2, 2.)
Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Arbeitgeber _nicht_ entgegen der Vorschrift handelt, wenn er einen Mitarbeiter barfußlaufen lässt, wo mit solchen Gefahren nicht zu rechnen ist.
Maßnahmen zur Vermeidung der Gefährdung haben übrigens immer Vorrang vor dem Einsatz der Schutzausrüstung!
Ich denke, in der Praxis wird die BG oft vorgeschoben als Begründung einer Regel, die eigentlich im persönlichen Wertesystem der Vorgesetzten begründet sind. Dass barfusslaufen grundsätzlich nicht BG-konform ist, ist einfach ein Märchen.
Viele Grüße, Ralf


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