Literaturtipp (mal anders) (Hobby? Barfuß! 2)

Thomas Winkler @, Wednesday, 09.07.2003, 18:46 (vor 7753 Tagen)

Da hier ab und zu mal Buchtipps wie "Heidi" und "Tom Sawyer" erscheinen, in denen das Barfusslaufen als positiv und völlig selbstverständlich dargestellt wird, habe ich mal einen etwas anderen "Literaturtipp".

Gerade lese ich den dreiteiligen Comic "Die Bücher der Magie: Der Kinderkreuzzug" vom britischen Fantasy-Autor Neil Gaiman und John Ney Rieber. In ihm geht es um das "freie Land", einer magischen Zufluchtsstätte für Kinder, denen Erwachsene übel mitgespielt haben.

Dort leben u.a. die beim damaligen Kinderkreuzzug verschwundenen Kinder ebenso, wie die vom Rattenfänger entführten Kinder von Hameln - zumeist barfüssig. Nun wollen die jungen Bewohner des "freien Landes" auch die anderen Kinder der Welt retten und senden Missionare aus. Eine Missionarin ist im zweiten Band Marya, die den magiebegabten Tim Hunter finden soll (der Ähnlichkeiten zu Harry Potter aufweist).

Maryas Lieblingsbeschäftigung ist es, den "Schimmerden", nymphenhaften Geisterwesen bei ihrem Tanz zuzuschauen.
Zu Beginn ihrer Mission, packt Marya u.a. auch ein paar Ballettschuhe ein, bleibt jedoch die ganze Geschichte über barfuss. In einem Cafe bekommt sie den entscheidenden Hinweis, wo sie Tim Hunter finden kann und will loslaufen.

Darauf ihre Helferin: "Du willst nach Hackney laufen? Meine Güte Kind... Du hast nicht mal Schuhe." Mary antwortet: " Hab ich doch. Ich trage sie nur nicht. Jedenfalls nicht zum laufen."

Später wird auch der Grund dafür erzählt:

"St. Petersburg. Früher, vor sehr langer Zeit, hatte sie eine Mutter. Ihre Mutter gehörte der Zarin. Gehörte ihr, wie eine Lieblingspuppe. Sie bekam hübsche Kleider zum Tragen, aber sie musste alles tun, was die Zarin wollte. Und als die Zarin einmal nach Frankreich reiste und Leute auf eine Weise tanzen sah, die ihr gefiel... befahl sie nach ihrer Rückkehr, das die Töchter der Dienerinnen zu ihr kommen sollten. Maryas Mutter musste sie losschicken. Und die Zarin sah sich alle Mädchen an... Und suchte die heraus, die sie für die hübschesten hielt. Du sagte sie, und Du und Du und Du - Ihr werdet für mich tanzen. Wenn die Zarin dich ausgewählt hatte, konntest Du nicht mehr viel mit deiner Familie zusammensein. Du hast zu viele Stunden damit verbracht zu üben, wie man steht und wie man sich bewegt. Die Schuhe, die Du tragen musstest, hatten hölzerne Sohlen. Die Tanzschuhe liessen Deine Füsse bluten. Der Tanzmeister sagte, das würde nach kurzer Zeit aufhören. Er irrte sich. Aber etwas am tanzen war gut. Wie ein Versprechen... Manchmal war es, als könntest Du dich auf- und davonschwingen von allem und dort oben gleiten, frei... Hättest Du nur gewusst wie. Sie dachte, es könnte vielleicht ohne Schuhe anders sein. Und es war anders, ein wenig. Nicht Genug. Es waren nicht sie Schuhe, die sie unten hielten. Sie hatte einfach nie gelernt, wie man fliegt. Auch sonst wusste es niemand. Niemand konnte es ihr zeigen. Und als ein Missionar aus dem "freien Land" ihr erzählte, das er sie an einen Ort bringen könnte, wo Träume wahr werden können, sogar solche Träume wie ihre... Da ging sie. Aber sie konnte niemals so tanzen wie die "Schimmernden". Ihr innerstes war zu angespannt. (...) Puppen können nicht tanzen. Sie können nur so tun."

Das ganze erschien bereits 1998 in der Edition Comic Speedline vom Verlag Thomas Tilsner.

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