Barfuß in Spanien (Hobby? Barfuß! 2)

Rainer_DO, Sunday, 08.06.2003, 22:53 (vor 7783 Tagen)

Hallo,

ich habe Georg im März/April versprochen, über meine Ausflüge nach Spanien zu berichten. Sorry, daß ich das jetzt erst schaffe ...

==================================================================================

Eine Barfußkultur gibt es in Spanien gans besonders nicht. Ich habe zwar --in Andalusien-- schon Spanier gesehen, die sich --nicht etwa weit abseits, sondern in größter Nähe zum Ort-- an anderen Touristen ein Beispiel nahmen und nackt das Strandleben genossen. Außerhalb der Strände hat der spanische Mann in der Regel jedoch mindestens Hemd, lange Hosen, Socken und Schuhe an. Kurze Hosen und bare Füße zeigen allenfalls kleine Kinder in der Nähe der elterlichen Wohnung.

Nach Spanien bin ic in den 80zigern auf der Suche nach Sonne, Strand und Meer gekommen. Später kamen Wanderreisen --in der Gruppe-- hinzu. Mehrfach waren Mitwanderer dabei, die recht gut Spanisch konnten. Inregendwann reichte es mir nicht mehr, ein paar Wörter wie Buenos días, Buenas tardes, ¡Dos cervezas, por favor! etc. zu können und ich beschloß, Spanisch zu lernen.

Aus diesem Grunde war ich bisher zweimal --2002/03-- allein in Spanien (Festland). 2002 reiste ich in Halbschuhen und zog sie so oft wie möglich aus, 2003 reißte ich barfuß und zog die wohlweißlich mitgenommenen Flip-Flops so selten wie möglich an.

----------------------------------------------------------------------------------

Hier nun meine Zusammenfassung:

In Spanien fällt man barfuß --selbst mit langen (!!!) Hosen-- in der Stadt mehr auf, als terxtilfrei an manchen Stränden. An letzteres haben sich manche Spanier (s.o.!) inzwischen gewöhnt, an ersteres bisher nicht so recht.

Sprache/n:
In den ausgesprochenen Touristenregionen können die Servicekräfte häufig die Sprachen Ihrer Gäste. Abseits sollte man nicht einmal erwarten, daß Englisch selbstverständlich ist. Ein paar Spanischkenntnisse --ich bin selbst weit davon entfernt, auch nur daran zu denken, perfekt zu sein ...-- helfen ungemein.

Fliegen:
Mit Lufthansa von z.B. D'dorf nach Madrid sind Schuhe unnötig. Niemand sagt etwas. Am Madrider Flughafen fallen dann schon die vielen irritierten Blicke auf. Aber Probleme gibt es deswegen nicht.

Uniformierte Wachen:
An einigen Stellen --s.u.!-- gibt es uniformierte Wachen. Kennzeichen sind, neben der Uniform, Schlagstock und Handschellen. Und wie in anderen Ländern auch sind diese Leute mal nett und zugänglich, mal ungenießbar und herrisch ...

Madrid versus andere Städte:
Viele Männer in Madrid tragen Business Dress, selbst sonntags beim Spaziergang im Park. Insofern fällt ein Barfüßiger natürlich besonders auf. Andererseits gibt es eine Menge hemdsärmeliger Leute, die es überhaupt nicht kümmert, ob jemand Schuhe trägt oder barfuß ist. Ich habe daher --gerne abseits der Touristenströme-- manche einfache Kneipe gefunden, in denen ich mich wohlfühlte. In anderen Städten Spaniens habe ich diesen Unterschied bisher so nicht gefunden. Ansonsten habe ich in Madrid noch drei Leute barfuß gesehen:
- Eine Gitana mit Gehstock an einer Kreuzung. Eine zweite --in Schuhen-- wartete auf Autos, um gegen Entgeld die Windschutzscheiben zu reinigen.
- Eine Frau, sitzend auf der Gran Vía, bettelnd
- Ein verwirrt wirkender Mann auf der Plaza mayor, Unverständliches brabbelnd
Entsprechend wird man aufgrund seiner Barfüßigkeit vermutlich von manchen Madrid-Bewohnern eingestuft. Ich hoffe, daß ich mit meinem Auftreten dazu beigetragen habe, dieses schiefe Bild zu korrigieren. Zumindest habe ich einige Menschen dort getroffen, die mich offen und herzlich begrüßt haben. Und wenn wirklich "Schuhe" gefordert werden, genügen Flip-Flops um diese Forderung zu erfüllen. Halbschuhe, Socken und was sonst noch zum Business Dress hehört, braucht's auch dann nicht ..

Museen und andere Kulturstätten [museos y monumentos]:
In Spanien gibt es eine Ministeriumsvorschrift, nach der der Besuch von Museen und anderen Kulturstätten ohne Schuhe bzw. ohne Hemd nicht gestattet ist. Erfahren habe ich das erst, nachdem ich versucht habe, den Prado barfuß zu betreten. Besonders abstrus war, daß man mich zuerst hineinließ --es gibt Kontrollen mit Scannern für Personen und Taschen wie am Flughafen--, um mich dann anschließend wegen meiner Barfüßigkeit wieder hinauszuwerfen. Meine spanischen Begleiter konnten --trotz ihrer Sprachkenntnisse-- auch nichts ausrichten. Andere Besucher kamen mit quietschbunten Hemden, kurzen Hosen und offenen Sandaletten ungeschoren hinein. Aber mit dunklem Hemd, dunklen langen Hosen, aber eben barfuß mußte ich wieder gehen. In Sevilla habe ich es 'mal geschafft, in die Gartenanlagen barfuß zu kommen und d'rinbleiben zu dürfen. An der Kasse haben sie nicht aufgepaßt, die uniformierten Wachen im Innern haben es nicht mitbekommen. Auf die Giralda hingegen durfte ich nicht. In Garachico, Teneriffa, habe ich in einem örtlichen Museum dann aufgrund dieser Erfahrungen 'mal gefragt, ob ich auch barfuß hineindürfe. Die Reaktion: 1.) Erstaunen; 2.) Klar, warum nicht!? [Vermutlich dachte der Kassierer: "Diese Touristen stellen aber komische Fragen ..."]

Metro in Madrid:
An einigen Metro-Bahnhöfen (p.e.: Aeropuerto, Nuevos Ministerios) gibt es Uniformierte Wachen. Einmal wurde ich mit einem freundlichen Augenzwickern gebeten, vorsichtig zu sein. Ein anderes 'mal scharf darauf hingewiesenm, daß ich Schuhe tragen müsse. Als ich es wagte, erst nach dem Grund zu fragen, hätte mich dieser Mensch beinahet aus dem Metro-Zug gewiesen. Er gab erst Ruhe, als ich die Flip-Flops auspackte und anzog. Ansonsten kann man sorglos barfuß die Metro benutzen. Einmal habe ich auch ein junges Paar gesehen, zwar beschuht und bestrumpft, aber er dafür ohne Hemd ...

Züge/Bahnhöfe:
Mal kümmerte es keinen, mal wurde ich --in Atocha [Bahnhof im Süden von Madrid]-- aufgefordert, Schuhe anzuziehen. Halt jemand, der sich wichtig machen wollte, dachte ich. Ein anderes Mal --in Chamartín [Bahnhof im Norden von Madrid]-- wollte ich nur einen Blick auf den Fahrplan werfen. Gleich kam ein Uniformierter auf mich zu. Ich erklärte ihm meinen Wunsch. Er war sehr freundlich. Sein Tenor "Mir ist das egal, aber die Leute kucken ...". Ich durfte den Fahrplan inspizieren und trollte mich dann wieder. Er hatte sein Gesicht gewahrt, ohne deswegen gleich den "Bullermann" herauszukehren. Will man tatsächlich mit dem Zug reisen, sollte man daher zumindest Flip-Flops dabei haben ...

When in Rome, do as the Romans do:
Selbst meine Begleiter hatten im Prado --s.o.!-- zwar gefaucht, zeigten sich jedoch, als ich sie aufgrund einer Einladung zu Hause --barfuß halt-- besuchte, irritiert, und waren sichtlich erleichtert, als ich bei einem zweiten Besuch Flip-Flops trug.

Einkaufen:
In Spanien gibt es genau eine Kaufhauskette --El Corte Inglés [Der englische Schnitt]: Als ich versuchte, barfuß einzutreten, wurde ich von einer Dame freundlich darauf hingewiesen, daß ich ohne Schuhe nicht eintreten dürfe. Immerhin keine Uniform, aber dafür höfliches Auftreten. Und die männlichen Angestellten tragen ausnahmslos Business Dress. Ich habe auch einige Geschäfte gesehen, die uniformierte Wachen im Eingangsbereich postiert haben. In anderen Geschäften war meine Barfüßigkeit überhaupt kein Thema.

Sauberkeit/Glasscherben:
Da die Spanier grundsätzlich nur beschuht auf die Straße gehen, achten sie auch nicht auf Verschmutzung und Glasscherben. Gleichwohl ist das Thema Umwelt und Sauberkeit aktuell. In Madrid gibt es Werbekampagnen ["Madrid, limpio y verde", "Madrid, sauber und rein"; "Madrid limpio es capital", "Das saubere Madrid ist die Haupsache" bzw. "Madrid ist eine saubere Hauptstadt"]. Ich kann das nur bestätigen. Die Straßen von Madrid sind sehr sauber, es gibt nur wenig Glasscherben. Man sieht häufig Reinigungstrupps. Andere Städte [z.B. Toledo, Sevilla] waren so mit Glasscherben "verseucht", daß ich froh war, Schuhe dabei zu haben. In Salamanca und Córdoba habe ich dafür meine Schuhe mehr an den Händen als an den Füßen getragen ...

Hotels/Restaurants/Bars:
Barfuß im Hotel geht durchaus. Im Zweifel muß man den Angestellten erklären, daß man 'raus auf die Straße will und nicht die Absicht hat, dort Schuhe tragen zu wollen. In Hotel-Restaurants würde nach allen Erfahrungen damit rechnen, daß man ohne Schuhe abgewiesen wird. In einfachen Restaurants und Bars --ich bevorzuge diese ihnehin wegen ihrer auch sonst angenehm zwanglosen Athmosphäre!-- ist Barfüßigkeit kein Thema, ggf. kucken spanische Gäste etwas irritiert. Im allgemeinen würde ich jedoch --bei noch unbekannten Orten-- damit rechnen, entweder mitgebrachtete Flip-Flops um des lieben Friedens willen nach Aufforderung anzuziehen oder auf den Besuch zu verzichten.

Kino:
Keine Probleme. Ich war in Puerto de la Cruz, Teneriffa, und in Madrid mehrfach barfuß im Kino. Manchmal gibt es eine Bemerkung ["¡¡¡Descalzo!!!" - "Barfuß!!!"] von anderen Gästen wie auf der Straße auch.

Theater:
Keine eigene Erfahrung bisher. Vgl. "Hotels/Restaurants/Bars"! Ich würde mich jedoch überhaupt nicht wundern, falls zu einer Aufführung von z.B. Modernem Tanztheater barfüßige Besucher abgewiesen würden, selbst wenn die Tänzer auf der Bühne barfuß agieren.

Barfüßige Grüße aus Dortmund

Ráiner

P.S.: Wär' 'ne spannende Frage, ob z.B. Shakira außerhalb der Bühne auch barfuß ist und dies auch in Hotel-Restaurants und insbesondere bei Auenthalten in Spanien und Lateinamerika auch durchhält. Wenn ja, vielleicht nur dank Star- und Frauenbonus ... :-))

Barfuß in Spanien

Kai (WN), Stammposter, Monday, 09.06.2003, 07:21 (vor 7783 Tagen) @ Rainer_DO

Hallo Rainer,

herzlichen Dank für den sehr ausführlichen Spanien-Bericht. Spannend zu lesen, dass Spanien offenbar eines der wenigen Länder zu sein scheint, wo man als Barfüßer konsequent ein Paar Reserveschuhe dabei haben sollte, um öffentliche Einrichtungen nutzen zu können. Soviel Bemerkungen wie Du in einem einzigen Urlaub geerntet hast, habe ich in vier Jahren noch nicht gehört.

Grüße gen "Norden"

Kai

Barfuß in Spanien

unci @, Monday, 09.06.2003, 14:27 (vor 7783 Tagen) @ Rainer_DO

Eine Barfußkultur gibt es in Spanien gans besonders nicht.

Das war offenbar nicht immer so. In "Asterix in Spanien" laufen alle Spanier barfuß. Ist dies in historischer Recherche oder in künstlerischer Freiheit begründet?

Barfuß in Spanien

Robert @, Monday, 09.06.2003, 18:20 (vor 7782 Tagen) @ Rainer_DO

Interessanterweise haben die Menschen in den südlichen Ländern vielfach ein ganz anderes Verständnis für Kleidungssitten in der Öffentlichkeit.Erwartet man bei eher warmen Temperatuen viel T-Shirt und Shorts-Träger in Sandalen oder sogar barfuß,wird man fast rundweg eines anderen belehrt.Gerade in den touristisch eher unterpräsentierten Gebieten findet man für unseren Geschmack oft "overdressede" Einheimische. Hier fallen Touristen (vor allem Deutsche und Engländer) häufig mit sehr legerer Kleidung aufund werden von Einheimischen sicher mit einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis betrachtet. Wenngleich ich selbst leidenschaftlicher Barfußläufer bin,halte ich mich in solchen Ländern imStadtbild eher zurück. Sicherlich kann man hier auch anderer Meinung sein und einfach seinen eigenen Gewohnheiten treu bleiben. Aber ich denke,man sollte durrchaus Ländersitten respektieren.Es steht uns als Besucher m.E. schlecht zu,uns über die Gebräuche anderer einfach hinwegzusetzen.Nun kann man natürlich gegenargumentieren,daß es andere ja eigentlich s.egal sein kann,wie man sich kleidet aber so einfach ist es wohl doch nicht.Die Bemerkungen und Hinweise,die man erhält zeigen,daß sich Einheimische durchaus "unwohl" fühlen,sind wir eher sorglos gekleidet.Ich denke,wir sollten unsere europäischen Nachbarn ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, vielleicht sieht es ja in einigen Jahr(zehnten) anders aus. Dafür kann mich aber ein Italiener oder Spanier in Deutschland bei halbwegs warmen Temperaturen barfuß kennenlernen. Denn: "Hier bin ich Mensch,hier darf ich sein!" (Goethe)

südliche Länder

Markus U., Stammposter, Tuesday, 10.06.2003, 10:26 (vor 7782 Tagen) @ Robert

Hi Robert!

Interessanterweise haben die Menschen in den südlichen Ländern vielfach ein ganz anderes Verständnis für Kleidungssitten in der Öffentlichkeit.Erwartet man bei eher warmen Temperatuen viel T-Shirt und Shorts-Träger in Sandalen oder sogar barfuß,wird man fast rundweg eines anderen belehrt.

In den südlichen Ländern der Alten Welt (Mittelmeerländer, Vorderer Orient) sind Shorts und allzu spärliche Bekleidung traditionell unüblich. Zum einen liegt es an der starken Sonneneinstrahlung und der darauf gründenden Notwendigkeit, sich vor Hautverbrennungen (Sonnenbrand) oder Sonnenstich zu schützen, weshalb in diesen Ländern traditionell auch Kopfbedekkungen früher obligatorisch waren und auch heute noch weitverbreitet sind. Zum anderen ist es das in vielen dieser Länder noch intakte und zumeist religiös begründete Verständnis für Anstand und Sitte, das die Bewohner jener Länder dazu bringt, den Körper hinreichend zu bedekken. Vor allem in den islamisch geprägten Ländern des Vorderen Orients werden Männer in Shorts bei den Eingeborenen bestenfalls Heiterkeit, meistens aber dren Zorn erregen, während allzu leicht bekleidete Frauen mit sexueller Belästigung rechnen müssen, weil allzu spärliche oder figurbetonte Bekleidung signalisiert, daß die Trägerin auf sexuelle Abenteuer aus sei (auch wenn sie das selbst nicht so verstanden wissen will).
Daß in Spanien Schuhe und Sokken zur korrekten Bekleidung gehören und nach dem Bericht von Rainer DO mancherorts sogar rüde verlangt werden, ist sehr ärgerlich und wird mich mit ziemlicher Sicherheit dauerhaft davon abhalten, jemals nach Spanien zu fahren. In den Ländern des Vorderen Orients würde es zwar einige Verwunderung erregen, wenn ein Europäer dort barfuß liefe (weil man von Europäern Derartiges nicht erwartet), aber prinzipiell ist es dort unproblematisch, überall barfuß zu sein (sofern man sich ansonsten hinreichend bedeckt), zumal auch die Eingeborenen zumeist nur irgendwelche Schlappen tragen oder barfuß gehen.

Gerade in den touristisch eher unterpräsentierten Gebieten findet man für unseren Geschmack oft "overdressede" Einheimische. Hier fallen Touristen (vor allem Deutsche und Engländer) häufig mit sehr legerer Kleidung aufund werden von Einheimischen sicher mit einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis betrachtet. Wenngleich ich selbst leidenschaftlicher Barfußläufer bin,halte ich mich in solchen Ländern imStadtbild eher zurück. Sicherlich kann man hier auch anderer Meinung sein und einfach seinen eigenen Gewohnheiten treu bleiben. Aber ich denke,man sollte durrchaus Ländersitten respektieren.Es steht uns als Besucher m.E. schlecht zu,uns über die Gebräuche anderer einfach hinwegzusetzen.

Ich bin der Meinung, daß man sich den bekleidungssitten anderer Länder grundsätzlich anpassen sollte, hinsichtlich barfuß aber oinsofern ein Kompromiß gefunden werden sollte, daß man zwar barfuß geht, ansonsten aber anständig und sauber gekleidet sein sollte. Wo ein solcher Kompromiß allerdings nicht möglich oder tunlich sein sollte, bleibt nur noch eine Möglichkeit: die betreffenden Länder radikal meiden und ihre Produkte boykottieren!

Nun kann man natürlich gegenargumentieren,daß es andere ja eigentlich s.egal sein kann,wie man sich kleidet aber so einfach ist es wohl doch nicht.Die Bemerkungen und Hinweise,die man erhält zeigen,daß sich Einheimische durchaus "unwohl" fühlen,sind wir eher sorglos gekleidet.Ich denke,wir sollten unsere europäischen Nachbarn ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, vielleicht sieht es ja in einigen Jahr(zehnten) anders aus. Dafür kann mich aber ein Italiener oder Spanier in Deutschland bei halbwegs warmen Temperaturen barfuß kennenlernen. Denn: "Hier bin ich Mensch,hier darf ich sein!" (Goethe)

Die Begegnung mit anderen Kleidungssitten und den damit zumeist verbundenen Moralvorstellungen in anderen Weltengegenden sollte uns einladen, unsere eigene Art der Bekleidung, die leider bei sehr vielen Zeitgenossen zahlreiche Abirrungen vom guten Geschmakke aufweist, kritisch zu hinterfragen. Bei uns sind durch Säkularisierung, Hedonismus und Permissivität sämtliche Werte zerstört worden, und wenn diesbezüglich nicht bald energische Aufbauarbeit geleistet wird, wird die europäische Kultur bzw. was davon noch übrig geblieben ist, für immer untergehen!

Mahnende Barfußgrüße,
Markus U.

südliche Länder ...ITALIEN ausgeschlossen bitte...

Federico, Tuesday, 10.06.2003, 14:10 (vor 7782 Tagen) @ Markus U.

Hi Robert!

Interessanterweise haben die Menschen in den südlichen Ländern vielfach ein ganz anderes Verständnis für Kleidungssitten in der Öffentlichkeit.Erwartet man bei eher warmen Temperatuen viel T-Shirt und Shorts-Träger in Sandalen oder sogar barfuß,wird man fast rundweg eines anderen belehrt.

In den südlichen Ländern der Alten Welt (Mittelmeerländer, Vorderer Orient) sind Shorts und allzu spärliche Bekleidung traditionell unüblich. Zum einen liegt es an der starken Sonneneinstrahlung und der darauf gründenden Notwendigkeit, sich vor Hautverbrennungen (Sonnenbrand) oder Sonnenstich zu schützen, weshalb in diesen Ländern traditionell auch Kopfbedekkungen früher obligatorisch waren und auch heute noch weitverbreitet sind. Zum anderen ist es das in vielen dieser Länder noch intakte und zumeist religiös begründete Verständnis für Anstand und Sitte, das die Bewohner jener Länder dazu bringt, den Körper hinreichend zu bedekken. Vor allem in den islamisch geprägten Ländern des Vorderen Orients werden Männer in Shorts bei den Eingeborenen bestenfalls Heiterkeit, meistens aber dren Zorn erregen, während allzu leicht bekleidete Frauen mit sexueller Belästigung rechnen müssen, weil allzu spärliche oder figurbetonte Bekleidung signalisiert, daß die Trägerin auf sexuelle Abenteuer aus sei (auch wenn sie das selbst nicht so verstanden wissen will).
Daß in Spanien Schuhe und Sokken zur korrekten Bekleidung gehören und nach dem Bericht von Rainer DO mancherorts sogar rüde verlangt werden, ist sehr ärgerlich und wird mich mit ziemlicher Sicherheit dauerhaft davon abhalten, jemals nach Spanien zu fahren. In den Ländern des Vorderen Orients würde es zwar einige Verwunderung erregen, wenn ein Europäer dort barfuß liefe (weil man von Europäern Derartiges nicht erwartet), aber prinzipiell ist es dort unproblematisch, überall barfuß zu sein (sofern man sich ansonsten hinreichend bedeckt), zumal auch die Eingeborenen zumeist nur irgendwelche Schlappen tragen oder barfuß gehen.

Nun kann man natürlich gegenargumentieren,daß es andere ja eigentlich s.egal sein kann,wie man sich kleidet aber so einfach ist es wohl doch nicht.Die Bemerkungen und Hinweise,die man erhält zeigen,daß sich Einheimische durchaus "unwohl" fühlen,sind wir eher sorglos gekleidet.Ich denke,wir sollten unsere europäischen Nachbarn ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, vielleicht sieht es ja in einigen Jahr(zehnten) anders aus. Dafür kann mich aber ein Italiener oder Spanier in Deutschland bei halbwegs warmen Temperaturen barfuß kennenlernen. Denn: "Hier bin ich Mensch,hier darf ich sein!" (Goethe)

Hallo Markus,
ich war dabei, deinen Beitrag zu lesen - ohnehin eine feine Überlegung kultureller Phänomene, die man auch für andere Aspekte von Verschiedenheit in Erwägung ziehen sollte, um sich andere Kulturen anzunähren - doch ich wusste es: Früher oder später hättest du auch Italien miteinbezogen...
Abgesehen davon, dass du, auch ungewollt, Spanien und den Mittleren Osten in einen Topf wirfst, obwohl die geographisch und kulturell weit auseinander sind (auch die Russen sind "blond" und bewohnen ein kaltes Land aber nicht dafür haben sie so viele Ähnlichkeiten mit den Deutschen); wenn Spanien barfußfeindlich zu sein scheint, lade ich dich herzlich nach Italien ein und ersuche, dich umzusehen und zu betrachten, dass zwar das Barfußlaufen außer den am Meer liegenden Orten vielleicht nicht gerade das Üblichste ist, aber dass ein barfüßiger Mensch hierzulande so gut wie keine Reaktionen auslöst und von überhaupt keinem Bereich ausgeschlossen ist, von niemandem rausgeschmissen oder schlecht behandelt wird, und nicht einmal schlecht angesehen oder dafür kritisiert. Italien ist ein sehr offenes Land (so offen, dass gestern die Italiener bei den Kommunalwahlen gegen Berlusconi gewählt haben... hihi... dass beweißt, wie die Italiener ihre Intelligenz auch bei solcher Hitze benutzen können... :-))) ) das war nur eine witzige Bemerkung... Was weniger witzig ist, ist die Schönheit unserer Frauen, derer Bekleidung, ga-ran-tiert... in dieser Jahreszeit gaaar nicht mit deiner Beschreibung des traditionellen Süden zu tun hat... meine häufigen Schwindgefühle beim mich auf der Straße Umschauen bezeigen das! :-) Knappe Sandalen, streng ohne Socken, sind zur Zeit bei beiden Geschlechten das Nationalschuhwerk, und barfüßige Menschen sind auf allen italienischen Inseln und Küsten das Normalste der Welt -eingeschlossen beim Einkaufen, Bummeln usw.

Ich fahre heute ans Meer..... juhu!!! Hoffentlich bleibt das Wetter so schön wie jetzt.
eine schöne Urlaubswoche, für die, die auch Pfingstferien haben! und schöne Grüße an alle anderen,

Federico

südliche Länder

Kai (WN) ⌂, Stammposter, Tuesday, 10.06.2003, 17:35 (vor 7782 Tagen) @ Markus U.

Hallo Markus,

Ich bin der Meinung, daß man sich den bekleidungssitten anderer
Länder grundsätzlich anpassen sollte, hinsichtlich barfuß aber
oinsofern ein Kompromiß gefunden werden sollte, daß man zwar barfuß
geht, ansonsten aber anständig und sauber gekleidet sein sollte. Wo
ein solcher Kompromiß allerdings nicht möglich oder tunlich sein
sollte, bleibt nur noch eine Möglichkeit: die betreffenden Länder
radikal meiden und ihre Produkte boykottieren!

mir ist das Kennenlernen fremder Kulturen wichtiger, als partout überall barfuß laufen zu dürfen. Was ein Boykott von Produkten damit zu tun hat, ist mir unklar. Mit welchem Recht willst Du Deine Werte und persönlichen Wünsche einem anderen Land aufzwängen?

Die Begegnung mit anderen Kleidungssitten und den damit zumeist
verbundenen Moralvorstellungen in anderen Weltengegenden sollte uns
einladen, unsere eigene Art der Bekleidung, die leider bei sehr
vielen Zeitgenossen zahlreiche Abirrungen vom guten Geschmakke
aufweist, kritisch zu hinterfragen.

Was nun? Barfuß forever, oder höre ich jetzt ein Plädoyer für die Übernahme der Schuhsitten anderer Länder bei uns heraus. So ganz schlau machst Du mich nicht.

Der "Gute Geschmack" ist etwas sehr zeitgebundenes, wie der Blick in diverse Manierenbücher (Knigge, "Der gute Ton", etc. - ich habe davon eine ganze Sammlung im Schrank stehen) überdeutlich zeigt. Läufst Du heute noch mit Hut in der Öffentlichkeit herum (wie in den 50er Jahren für Herren üblich)? Trägst Du am Strand einen langen Badeanzug?

Alle Sprüche vom "Guten Geschmack" fallen letztendlich auf Dich als Barfußläufer zurück, da Du genau damit eben nicht dem sogenannten "Guten Geschmack" der Mehrheit hierzulande entsprichst. Wenn Dir persönlich Shorts nicht gefallen ist das Deine persönliche Meinung, die ich gerne respektiere - aber nicht teile.

Bei uns sind durch
Säkularisierung, Hedonismus und Permissivität sämtliche Werte
zerstört worden, und wenn diesbezüglich nicht bald energische
Aufbauarbeit geleistet wird, wird die europäische Kultur bzw. was
davon noch übrig geblieben ist, für immer untergehen!

So ein Schmarrn!!! Sämtliche Werte zerstört... Diese kulturpessimistischen Sprüche kenne ich sonst nur von alten Rechten. Welche Kultur wurde denn zerstört? Die der Leibeigenschaft? Die des Absolutismus? Die des Obrigkeitsstaates? Die der Massenarmut, die auch (später) berühmte Künster verhungern ließ? Die des 12 Stundentages an 6 Tagen die Woche, die auch für 14jährige galt? Die des wilhelminischen Kaiserreichs? Die des Nationalsozialismus? Die der restaurativen 50er Jahre?

Wenn es diese Kulturen waren, dann bin ich heilfroh für deren Zerstörung. Kultur ist nicht nur Hochkultur, sondern besonders auch die Lebensverhältnisse aller Einwohner eines Landes.

Grüße
Kai
(der mit Deinen absoluten Vorstellungen nun einmal nicht zurecht kommt)

[image] Kais Journal: Barfußlaufen, H.D. Thoreau, & more

Der gute Geschmack

unci @, Tuesday, 10.06.2003, 21:13 (vor 7781 Tagen) @ Kai (WN)

Der "Gute Geschmack" ist etwas sehr zeitgebundenes, wie der Blick in diverse Manierenbücher (Knigge, "Der gute Ton", etc. - ich habe davon eine ganze Sammlung im Schrank stehen) überdeutlich zeigt.

Richtig, der gute geschmack entwickelt sich glücklicherweise weiter. Und ich kann es nur gutheißen, wenn die bekleidungsregeln (ob nun in form harter vorschriften oder der schwammiger definierten "guten Sitten") dahingehend gelockert werden, dass es etwa bei sommerlichen temperaturen erlaubt ist, sich so zu kleiden, dass man nicht an hitzekollaps eingeht (das bedeutet für mich: ein lockeres offenes kurzärmliges hemd, shorts und barfuß, in "gefahrenzonen" sandalen oder entsprechend mehr schutzausrüstung). Erst wenn daran niemand mehr anstoß nimmt, haben wir gewonnen. Wenn bundestagsabgeordnete barfuß ihren amtseid leisten und das keinen skandal im blätterwald auslöst. Wenn jeder wirklich frei von überlegungen über die rezeption auf seiten der anderen entscheiden kann, ob er oder sie heute schuhe tragen will oder nicht, ganz nach lust und laune und wetter.

Alle Sprüche vom "Guten Geschmack" fallen letztendlich auf Dich als Barfußläufer zurück, da Du genau damit eben nicht dem sogenannten "Guten Geschmack" der Mehrheit hierzulande entsprichst.

Wie beeinflussen wir den "geschmack der mehrheit" zu unseren gunsten? Indem wir sympathisch auftreten. Außenseitertum hat immer zwei seiten - einzigartigkeit kann auch positiv gesehen werden.

Auch ich teile den manchmal geäußerten kulturpessimismus nicht - viele können sich vortrefflich beklagen über den verfall der werte oder die macht des kapitals oder den uns alle aushorchenden staat oder was auch immer .... Sicher, auch ich verfalle manchmal in depressive phasen angesichts des ungehemmten wachstums der menschheit und des fortschreitenden artensterbens. Aber zu leiden und zu klagen, bringt überhaupt nichts.

Ich glaube, die allgemeine diskussion über kultur und ihre zerstörung bzw. weiterentwicklung sollten wir mal ins stammtischforum verlegen :)

Der gute Geschmack

Peter (BS), Tuesday, 10.06.2003, 22:46 (vor 7781 Tagen) @ unci

Erst wenn daran niemand mehr anstoß nimmt, haben wir gewonnen. Wenn bundestagsabgeordnete barfuß ihren amtseid leisten und das keinen skandal im blätterwald auslöst.

Hi,

das mit den Bundestagsabgeordneten bzw. Bundesministern wird hoffentlich bald kommen.
Joschka Fischer hat's ja damals mit den Turnschuhen vorgemacht. Ein Problem gibt's aber dann: die Füße lassen sich später so schlecht in's Museum für Deutsche Geschichte stellen. :-)))

Nette Grüße an alle Füße

Peter

Sangria? Nein, danke: Barfuß! ....??

Federico, Wednesday, 11.06.2003, 03:21 (vor 7781 Tagen) @ Kai (WN)

Ich bin der Meinung, daß man sich den bekleidungssitten anderer
Länder grundsätzlich anpassen sollte, hinsichtlich barfuß aber
oinsofern ein Kompromiß gefunden werden sollte, daß man zwar barfuß
geht, ansonsten aber anständig und sauber gekleidet sein sollte. Wo
ein solcher Kompromiß allerdings nicht möglich oder tunlich sein
sollte, bleibt nur noch eine Möglichkeit: die betreffenden Länder
radikal meiden und ihre Produkte boykottieren!

Nach reiflicherer Lektüre des Beitrags von Markus und derer Kritiken, muss ich feststellen, dass ich mit allem, was Kai schreibt, übereinstimme. Insbesondere finde ich keinen Zusammenhang zwischen der kulturellen Angewohnheit an der Bekleidung in einem Lande und dem Boykott seiner Produkte. Das muss wirklich nur ein sommerlicher Witz sein... Ich würde eventuell wegen Kriegen, Ausbeuterei, Kinderarbeit, Babystrich, allerhöchstens gegen den Schleier an Frauen in den Ländern des muslimischen Extremismus solche Aktionen unternehmen. Aber dass die Spanier das Barfußsein nicht gut ansehen, ist mir völlig gleichgültig! Ich musste totlachen, als ich mir vorstellte, einmal ein Glas Sangria abzulehnen: >>Nein, danke, die Spanier müssen lernen, mein Barfußsein zu akzeptieren. Man kann nicht so fortfahren, das ist ein kultureller Kampf für einen besseren Geschmack auf der Welt!<<
Aber dann, wenn das Ziel ist, den "guten Geschmack" zu verbreiten, warum nicht von den Deutschen anfangen? Ich finde Sandalen mit Socken unästhetisch, anti-erotisch, hässlich... Und eben in meinem Land, wo Sandalen äußerst üblich sind aber nach der "Regel" nie mit Socken zu tragen sind, herrscht eine "kulturelle" Abneigung gegen diese Angewohnheit, die oft (tut mir leid...) als typisch deutsch kennzeichnet wird - mit folgender Verarschung. Doch hat es sich in Italien bislang keinen Rückgang des deutschen Imports gegeben! Ihr bringt außerdem solche Leckerbissen hierher, dass ihr erst wirklich ganz böse werden sollt, bevor ich verzichte, sie zu kaufen!

schöne Grüße aus der Nordadriaküste,
wo ich aus Bozen mit Freunden in Urlaub gefahren bin!
das Meer hat mir gefehlt!
Federico

Erwiderung

Markus U., Stammposter, Wednesday, 11.06.2003, 17:36 (vor 7781 Tagen) @ Kai (WN)

Hi Kai!

Ich bin der Meinung, daß man sich den Bekleidungssitten anderer
Länder grundsätzlich anpassen sollte, hinsichtlich barfuß aber
insofern ein Kompromiß gefunden werden sollte, daß man zwar barfuß
geht, ansonsten aber anständig und sauber gekleidet sein sollte. Wo
ein solcher Kompromiß allerdings nicht möglich oder tunlich sein
sollte, bleibt nur noch eine Möglichkeit: die betreffenden Länder
radikal meiden und ihre Produkte boykottieren!

mir ist das Kennenlernen fremder Kulturen wichtiger, als partout überall barfuß laufen zu dürfen. Was ein Boykott von Produkten damit zu tun hat, ist mir unklar. Mit welchem Recht willst Du Deine Werte und persönlichen Wünsche einem anderen Land aufzwängen?

Ich zwinge niemandem etwas auf, bin aber auch nicht verpflichtet, alles zu billigen und stillschweigend gutzuheißen. Ein Boykott ist im übrigen ein gewaltloses, aber probates Mittel, um Mißbilligung auszudrükken. Man kann auch sagen: Boykott ist zielgerichtetes Nichthandeln oder auch Kampf gegen Unrecht durch absichtsvolles Unterlassen. Im übrigen zeigt das Unterlassen des Besuches von Ländern, in denen Barfußlaufen in der Öffentlichkeit verpönt ist, durchaus Respekt vor deren Sitten. Indem ich nicht hinfahre, vermeide ich den Konflikt und laufe statt dessen hierzulande barfuß, wo ich es darf und auch allermeist konfliktfrei prakztiziere.

Die Begegnung mit anderen Kleidungssitten und den damit zumeist
verbundenen Moralvorstellungen in anderen Weltengegenden sollte uns
einladen, unsere eigene Art der Bekleidung, die leider bei sehr
vielen Zeitgenossen zahlreiche Abirrungen vom guten Geschmakke
aufweist, kritisch zu hinterfragen.

Was nun? Barfuß forever, oder höre ich jetzt ein Plädoyer für die Übernahme der Schuhsitten anderer Länder bei uns heraus. So ganz schlau machst Du mich nicht.

Es ist natürlich ein Plädoyer für Barfüßigkeit und nicht etwa für die Übernahme der Schuhsitten anderer Länder, schon gar nicht solcher, in denen Barfüßigkeit als verpönt gilt (etwa Korea, Japan oder auch Spanien). Da es aber Kleidung für die meisten Körperteile gibt, bezog sich das Zitat vor allem auf die Bedekkung des Oberkörpers und der Beine. Hier kann man durchaus von anderen Kulturen lernen, was keine unkritische Übernahme des Fremden um der Exotik willen bedeutet.

Der "Gute Geschmack" ist etwas sehr zeitgebundenes, wie der Blick in diverse Manierenbücher (Knigge, "Der gute Ton", etc. - ich habe davon eine ganze Sammlung im Schrank stehen) überdeutlich zeigt. Läufst Du heute noch mit Hut in der Öffentlichkeit herum (wie in den 50er Jahren für Herren üblich)? Trägst Du am Strand einen langen Badeanzug?
Alle Sprüche vom "Guten Geschmack" fallen letztendlich auf Dich als Barfußläufer zurück, da Du genau damit eben nicht dem sogenannten "Guten Geschmack" der Mehrheit hierzulande entsprichst.

Ausgesprochen negative Kommentare habe ich als Barfu0läufer selten erlebt, zumal ich eben darauf achte, immer sauber und geschmackvoll gekleidet aus dem Hause zu gehen, und da ich mich auch ansonsten nicht auffällig verhalte, werden etliche Mitmenschen vielleicht nicht einmal bemerken, daß ich barfuß bin. Es ist jedenfalls schon längere Zeit her, seit ich den letzten diesbezüglichen Kommentar gehört habe.

Wenn Dir persönlich Shorts nicht gefallen ist das Deine persönliche Meinung, die ich gerne respektiere - aber nicht teile.

Du hast es erkannt! Shorts gefallen mir tatsächlich nicht, zumal sie mit allem möglichen Schhwerk und ziemlich oft sogar mit Sokken kombiniert werden. barfüßige träger von Shorts sehe ich auch in München so gut wie nie, obgleich ich in den letzten Tagen einigen Barfüßern begegnet bin. Diese trugen freilich ebenso wie ich lange Hosen, zwei Frauen auch lange, weite Rökke.

Bei uns sind durch
Säkularisierung, Hedonismus und Permissivität sämtliche Werte
zerstört worden, und wenn diesbezüglich nicht bald energische
Aufbauarbeit geleistet wird, wird die europäische Kultur bzw. was
davon noch übrig geblieben ist, für immer untergehen!

So ein Schmarrn!!! Sämtliche Werte zerstört... Diese kulturpessimistischen Sprüche kenne ich sonst nur von alten Rechten.

Sich für die Bewahrung von Kultur und die Wiederherstellung von Werten einzusetzen hat nichts mit einer bestimmten pölitischen Einstellung zu tun. Es ist aber nun mal so, daß um 1968 hierzulande eine Art Kulturrevolution stattgefunden hat, infolge derer viele Werte zerstört und gewissermaßen in den Gulli getreten worden sind. Heute herrscht die Generation, die dieses Zerstörungswerk zu verantworten hat (die heute 50 - 60jährigen), und unser Land geht endgültig den Bach runter.

Welche Kultur wurde denn zerstört? Die der Leibeigenschaft? Die des Absolutismus? Die des Obrigkeitsstaates? Die der Massenarmut, die auch (später) berühmte Künster verhungern ließ? Die des 12 Stundentages an 6 Tagen die Woche, die auch für 14jährige galt? Die des wilhelminischen Kaiserreichs? Die des Nationalsozialismus? Die der restaurativen 50er Jahre?

Frühere Epochen waren nicht durchweg schlecht. So wurden etwa in der wilhelminischen Zeit die Anfänge der sozialstaatlichen Ordnung (welche derzeit besonders munter zerstört wird) gelegt, und es war eine Blütezeit Deutschlands und der deutschen Sprache. Deutschland war auf fast allen Gebieten, besonders was Kunst und Wissenschaft betrifft, führend (das gerade Gegenteil ist heute der Fall). Die 1950er Jahre wurden von einer großartigen Aufbauleistung geprägt; aus Trümmern und Ruinen wurde binnen weniger Jahre ein wirtschaftlich blühendes Land aufgebaut. Jahrzehnte später war man nicht in der Lage, aus der früheren DDR, welche anders als Deutschland unmittelbar nach dem Zweiten Weltkriege nicht in Trümmern lag, die von Helmut Kohl versprochenen "blühenden Landschaften" zu machen.


Wenn es diese Kulturen waren, dann bin ich heilfroh für deren Zerstörung. Kultur ist nicht nur Hochkultur, sondern besonders auch die Lebensverhältnisse aller Einwohner eines Landes.

Da hast Du in gewisser Weise recht, aber gerade diese Lebensverhältnisse werden in unserem Lande von Tag zu Tag schlechter, und vor diesem Hintergrunde - zusammen mit der infolge Zerstörung kultureller Werte eingetretenen Orientierungslosigkeit gerade der Jugend - nimmt die Kriminalität einschließlich rechtsradikaler Gewalttaten zu.

Barfüßige Grüße,
Markus U.

Die Fortsetzung dieser Diskussion ...

Georg, Stammposter, Wednesday, 11.06.2003, 17:57 (vor 7781 Tagen) @ Markus U.

ist, da massivst off topic, hier unerwünscht.
Dafür steht das Stammtischforum bei Bedarf zur Verfügung.
Georg

Die Fortsetzung dieser Diskussion ...

Matthias Fink, Wednesday, 11.06.2003, 18:11 (vor 7781 Tagen) @ Georg

ist, da massivst off topic, hier unerwünscht.
Dafür steht das Stammtischforum bei Bedarf zur Verfügung.
Georg

es gibt neben offtopic noch einen anderen Grund: bei Markus U. ist anscheinend sowieso Hopfen und Malz verloren, was soll man da diskutieren ? ende der durchsage

Frage

Dominik R., Friday, 13.06.2003, 23:00 (vor 7778 Tagen) @ Matthias Fink

es gibt neben offtopic noch einen anderen Grund: bei Markus U. ist anscheinend sowieso Hopfen und Malz verloren, was soll man da diskutieren ? ende der durchsage

Hi Matthias,
kennst Du Markus U. eigentlich überhaupt?

Mit nachdenklichen Füssen
Dominik R.

Barfuß in Portugal

Harald (2), Thursday, 12.06.2003, 21:43 (vor 7779 Tagen) @ Rainer_DO

Hi!
Nachdem gerade so ausführlich vom Barfußlaufen in Spanien die Rede war, möchte ich mich nur kurz zu Wort melden und von meinem persönlichen Lieblingsland im Süden berichten - aus Portugal, für viele Spanier der unbekannte Nachbar im Westen, ein wenig fast Rücken an Rücken gelegen mit diesem großen Land;-)

Barfuß und Armut
Dieser Zusammenhang ist für die Portugiesen alles andere als graue Theorie. Nach in den 70-er Jahren gab es in den besonders armen Gegenden des Landes (z.B. Alentejo oder Madeira) Leute, die ihre wertvollen Schuhe einfach nur an Festtagen tragen konnten. Ich staune immer wieder über Fotos barfüßiger Männer vor der "Bar" (=Dorftaverne). Auch wenn sich jetzt, v.a. seit dem EU-Beitritt unglaublich viel verändert in diesem Land (zum ersten Mal entwickelt sich ein breiter Mittelstand), ist diese Erinnerung noch um einiges lebendiger als in Mitteleuropa, wo echte Armut doch oft schon 20 Jahre länger zurückliegt. Und barfuß geht, wer sparsam leben muss. z.B. Kleinbauern bei der Feldarbeit.

Barfuß und Kommunikationskultur
Möglichst ungestört sein Leben leben, sich von niemanden etwas dreinreden lassen, für sich selbst sein... Vielleicht das Lebensideal vieler Mitteleuropäer, der Deutschen wahrscheinlich noch ein Stück mehr als der Österreicher, in Portugal ist es etwas anderes, das zählt. Die Familie ist wichtiger, das Dorf, die Nachbarn. Und keiner sitzt irgendwo allein rum. Man redet mit jedem, mit dem Sitznachbarn im Bus, mit der Gruppe am Nachbartisch im Restaurant. Natürlich bleiben da nackte Füsse nicht unkommentiert. Aber keine Angst, keiner hat nur auf diese "Abweichung von der Norm" gewartet. Wenn wir Schuhe getragen hätten, könnten man von etwas anderem reden: von der zu hellen Haut, dem schweren Rucksack, dem schweren Leben oder einfach vom Wetter.
Ich persönlich genieße diese Kommunikationskultur jedes Mal, wenn ich dort bin (durchschnittlich alle 2-3 Jahre einmal). Aber ich weiß, manche nervt es einfach nur.

Barfuß und Sauberkeit
Nein, Sauberkeit ist keine Stärke der Portugiesen. Ich will hier gar nicht ins Detail gehen. Wenn auch mich persönlich Straßenschmutz nicht vom Barfußlaufen abhalten kann, ist es vielleicht doch ein Grund, warum es dort nicht allzu viele tun. Und trotzdem: Für mich ist Lissabon gerade durch seine Schmuddeligkeit einfach echter und lebendiger als das, was am Mittelmeer für die Touris gestylt wird.

Barfuß und Dresscode
Die Portugiesen legen mehr Wert auf schöne Kleidung als Österreicher oder Deutsche. Es ist so ähnlich wie bei Italienern oder Franzosen. Und die Kleidung ist heute nicht mehr konservativ, wenn man von alten Frauen mit schwarzen Kopftüchern absieht. Trotzdem: Der Druck, sich anzupassen, ist nicht wirklich so groß, wie man zunächst meint. Man akzeptiert die Launen der Fremden ("estrangeiros"), kritisiert sie vielleicht eher bei einem Verwandten, aber man kann auch einfach herzlich darüber lachen, ohne es wirklich bös zu meinen

Zusammengefasst
Ich denke, wenn man will, kann man durchaus barfuß durch Portugal reisen. Abgewiesen oder unfreundlich behandelt wird man deswegen noch weniger als z.B. in Österreich. Ich hab's früher auch gemacht. Barfuß am Land kann man sogar Anerkennung bekommen, z.B. ein nettes Lächeln von einer Frau, die gerade barfuß im Kartoffelacker arbeitet. Barfuß in der Stadt bleibt man ein Exot. Wenn einen das nicht stört, wird einem niemand etwas Böses tun. Wenn man aber selbst das Bedürfnis hat, sich an das Land ein wenig anpassen zu wollen, wird man um Schuhe und ein wenig gepflegtere Kleidung als zuhause nicht herumkommen (lange Hosen sind dann Pflicht!).
Ich selbst bin da mittlerweile ein begeisterter Grenzgänger geworden.

Liebe Barfußgrüße aus Österreich
Harald

Nach einem langen Mail noch ein PS: Ich hab nicht auf's 2. BF-Treffen in Wien vergessen. Hab nur gerade wenig Zeit. Ich melde mich wahrscheinlich Anfang Juli, das Treffen könnte dann im August sein. Ok? Oder organisiert jemand früher etwas?

Barfuss-Treffen in Wien Anfang August

Rupert (Wien) @, Stammposter, Saturday, 14.06.2003, 13:08 (vor 7778 Tagen) @ Harald (2)

Lieber Harald,

Nach einem langen Mail noch ein PS: Ich hab nicht auf's 2. BF-Treffen in Wien vergessen. Hab nur gerade wenig Zeit. Ich melde mich wahrscheinlich Anfang Juli, das Treffen könnte dann im August sein. Ok? Oder organisiert jemand früher etwas?

Gut, dass Du wieder die Initiative ergreifst, vielen Dank ! Für mich wird es diesmal sicher klappen sofern wir uns für Anfang August auf einen Sonntag (z.B. 3. oder 10.) einigen könnten.
Barfüssige Grüße
Rupert

Barfuss-Treffen in Wien Anfang August

Clemens (Wien), Stammposter, Saturday, 14.06.2003, 14:25 (vor 7778 Tagen) @ Rupert (Wien)

Gut, dass Du wieder die Initiative ergreifst, vielen Dank !

Ja danke auch von mir. :-)

Für mich wird es diesmal sicher klappen sofern wir uns für Anfang
August auf einen Sonntag (z.B. 3. oder 10.) einigen könnten.

Aehnlich schaut es bei mir aus, mir fallen ad hoc keine Geburtstage in der Verwandtschaft ein, die diesmal in die Quere kommen koennten... ;-) , auch wenn mir Samstag lieber waere.

Ciao and bye,
(:Clemens:)

Barfuß in Portugal

Jörg (Hanna), Sunday, 15.06.2003, 19:10 (vor 7776 Tagen) @ Harald (2)

Hallo Harald,

danke für die Infos. Wir reisen Ende September nach Portugal (Urlaub) und nach Deinem Bericht werde ich es genauso handhaben wie hierzulande: Die großen Städte wie Lissabon und Porto beschuht (und mit langer Hose), die kleinen Städtchen und Dörfer barfuß.

Serfuß,
Jörg (dieses Jahr schon mit knapp 6500 Kilometern auf dem Fahrrad unterwegs und daher mit wenig Zeit für's Forum)

RSS-Feed dieser Diskussion