Das Geheimnis (Hobby? Barfuß! 2)

Otto, Thursday, 13.03.2003, 17:13 (vor 7870 Tagen)

Das Geheimnis seines Erfolges ist in den Füßen.
Auszüge aus einem Artikel in der New York Times (4.August 2002)

Dr. Charley Robbins ist ein Arzt im Ruhestand, von Connecticut, 81 Jahre alt und seit 66 Jahren begeisterter Langstreckenläufer. Und er ist vom Anfang an bis jetzt immer barfuß gelaufen. Er erzählt, dass alles im Sommer 36 anfing. Er hatte eine Freundin, (seine jetzige Frau), deren Vater ihn nicht gerne sah. Deshalb traf er sich mir ihr auf dem Bauernhof ihres Großvaters, von wo er regelmäßig spät in der Nacht barfuß nach Hause rannte, 7 km auf einer ungeteerten alten Landstrasse. Er entdeckte auf diese Art sein Talent für das Langstreckenlaufen. Nach Uni und Schule setzte er seine Karriere fort und wurde mehrmals amerikanischer Meister über 20 und 30 km. Er hat 20 mal am Boston Marathon teilgenommen, bestes Abschneiden 3.Platz 1944. "Barfuß laufen schien das Natürliche zu sein", sagt er. "5 Millionen Jahre Entwicklung fanden ohne Schuhe statt. Ich laufe barfuß genau so schnell oder ein bisschen schneller als mit Schuhen. Manchmal laufe ich das halbe Rennen mit Schuhen und die andere Hälfte barfuß. Der Wechsel fühlt sich gut an.” Seine Tochter, die Schuhe grundsätzlich nicht mag, sagt sie sei ihre besten Rennen barfuß gelaufen. Sein Freund und Rivale Bill Tribon (80) erzählt dass er sich einmal von Doc Robins überreden ließ das Barfußlaufen zu probieren, dass er aber schon nach 10 Metern aufgab und befürchtete daß er seine Füße für immer ruiniert hätte. Er sagte, wohl nicht im Ernst, dass er den Verdacht hegte dass Robbins ihn auf diese Art außer Gefecht setzen wollte. Er sagte Robbins Sohlen seien so dick wie die eines Elephanten.
Trotz seiner langen Erfahrung weigert sich Robbins gute Ratschläge auszugeben. ”Ich gebe keine unerbetenen Ratschläge , weil die meiner Meinung nach nutzlos sind. Ich gebe keine Philosophien von mir und versuche Werturteile zu vermeiden”, sagt er.

Hier ist eine Ermunterung für die älteren Herrschaften und eine Antwort auf die schon manchmal gestellte Frage wie lange man wohl das Hobby im Alter betreiben könnte.
Freundliche Grüße Otto

Das Geheimnis

Kai (WN) ⌂, Stammposter, Thursday, 13.03.2003, 17:58 (vor 7870 Tagen) @ Otto

Hallo Otto,

danke für den schönen Artikel. Es ist doch immer wieder ermutigend, dass Barfußlaufen nicht nur für Twens attraktiv ist. Bei dem Artikel musste ich wieder an einen Eintrag aus Thoreaus Tagebüchern denken. Ich zitiere ihn hier einfach mal, für diejenigen, die ihn noch nicht auf meiner Seite gelesen hatten. Ob Thoreau selbst barfuß lief, weiss ich nicht - in seinem Werk fand ich nichts entsprechendes.

Grüße
Kai
.------- .
Henry David Thoreau: Tagebucheintrag 20.10.1857

Ich war erst ein kleines Stück auf der alten Carlisle-Staße gegangen, als ich Brooks Clark sah, der jetzt an die achtzig ist und krumm wie ein Bogen. Er eilte die Straße entlang, barfuß wie gewöhnlich, mit einer Axt in der Hand - vielleicht war er in Eile, weil ihn die Füße in dem kalten Wind froren. Als er zu mir kam, sah ich, daß er außer der Axt in der einen Hand, seine Schuhe in der anderen trug, mit knorrigen Äpfeln und einem toten Rotkehlchen darin. Er blieb stehen, sprach ein Weilchen mit mir und sagte, daß wir einen prachtvollen Herbst hätten und uns jetzt auf kaltes Wetter gefasst machen müssten. Ich fragte ihn, ob er das Rotkehlchen tot gefunden habe. Nein, antwortete er, er habe es mit gebrochenem Flügel gefunden und getötet. Er fügte hinzu, dass er ein paar Äpfel im Wald gefunden habe, und da er nichts besaß, worin er sie hätte heim tragen können, steckte er sie in seine Schuhe. Die waren freilich ein seltsamer Früchtekorb. Wie viele Äpfel er bis vorn in die Zehen hineinbrachte, weiß ich nicht. Ich bemerkte auch, dass seine Taschen vollgestopft waren. Sein alter zerschlissener Gehrock schlotterte wie seine Hose um seine nackten Füße. Er schien an diesem stürmischen Nachmittag ausgerückt zu sein, um wie ein kleiner Junge zu spähen, was er ergattern konnte. Es freute mich, diesen fröhlichen Alten zu sehen, der nur noch mit einem schwachen Fuß im Leben stand, krumm wie ein Schürhaken, und dabei seinen Lebensabend genoss. Ich denke nicht daran, es Hagsucht oder Geiz zu nennen, dieses kindliche Vergnügen, etwas in Wald oder Feld aufzulesen und an einem Oktoberabend nach Hause zu bringen als Trophäe oder als Beitrag zum Wintervorrat. O nein, er war glücklich, dass die Natur ihn immer noch bewirtete und dass er seine Nahrung picken durfte wie ein Vogel.
Besser sein Rotkehlchen als euer Truthahn, besser seine Schuhe voll Äpfel als eure Fässer. Sie werden süßer schmecken und etwas Schöneres zu erzählen haben.( ... ) Er war draußen gewesen gewesen, um nachzusehen, was die Natur ihm beschert, und eilte nun heimwärts zu einem Unterschlupf, der ihm vertraut war, wo er seine alten Füße wärmen konnte.
Wäre er ein junger Mann gewesen, hätte er wahrscheinlich aus Scham seine Äpfel weggeworfen und seine Schuhe angezogen, als er mich kommen sah. Aber das Alter ist souveräner, es hat gelernt zu leben und entschuldigt sich nicht bei jeder Gelegenheit. Es scheint mir ein sehr mannhafter Mann zu sein.

Anmerkung: Henry David Thoreau, amerikanischer Philosoph, Landvermesser, Wanderer (1817-1862). Quelle: Henry David Thoreau "Aus den Tagebüchern" (zusammengestellt und übersetzt von Susanne Schaup), Tewes, 1996.

[image] Mehr über Henry David Thoreau

War Thoreau ein Barfüßler?

Otto, Saturday, 15.03.2003, 05:42 (vor 7868 Tagen) @ Kai (WN)

Hallo Otto,
Bei dem Artikel musste ich wieder an einen Eintrag aus Thoreaus Tagebüchern denken. Ich zitiere ihn hier einfach mal, für diejenigen, die ihn noch nicht auf meiner Seite gelesen hatten. Ob Thoreau selbst barfuß lief, weiss ich nicht - in seinem Werk fand ich nichts entsprechendes.
Grüße
Kai

(
Hi Kay,
danke fuer die Geschichte aus Thoreaus Tagebuch. Habe die gerne wieder gelesen
Ich bin zwar sicher kein Thoreau Experte, aber ich habe ”Walden” gelesen. Mein Lieblingskapitel, öfters mal wiedergelesen, ist "Das Bohnenfeld”. Der Grund dafür ist dass ich auch einen großen Garten auf einer Waldlichtung habe und dort seit ein paar Jahren Rettiche(Münchner Bier und Daikon) anbaue, mit wechselndem Erfolg. Ich bin ein Amateur, wie er es war, und finde in seinem Bericht Amüsantes, Trost und Anregung. Er berichtet dass er zweieinhalb Morgen Bohnen angepflanzt hatte und und fast täglich den Vormittag ( von 5 bis 12) auf dem Bohnenfeld mit mit Jäten und Hacken zubrachte, barfuß. "Early in the morning I worked barefooted, dabbling like a plastic artist in the dewy and crumbling sand”-(Früh am Morgen arbeitete ich barfuss, wie ein Töpfer den taunassen, krümeligen Sandboden knetend)-..... An dieser Stelle würde ein voreingenommener Barfussenthusiast als nächstes einen meisterlichen Lobgesang auf die Tugenden und Freuden des Barfußlaufens erwarten ( hätte ein Klassiker sein können), aber das Thema wird mit einem einschränkenden Nebensatz zum Ende gebracht. -", but later in the day the sun blistered my feet.”- (aber später am Tag verbrannte die Sonne meine Füße.) Schwer zu glauben dass er seine Füße nicht hätte abhärten können, sieben Stunden pro Tag auf dem Bohnenacker. Die Sonne brennt ja nicht dauernd herunter und noch weniger auf einer Lichtung im Wald, am Vormittag. Er war eben wohl doch mehr ein intellektueller Städter und als solcher zu zimperlich für ein barfüßiges Landleben. So viel ich weiß ging auf dem Land zu seiner Zeit die Mehrzahl der Leute barfuß. Er gab ja auch den Bohnenanbau nach einer Saison wieder auf. Wäre interessant herauszufinden ob er barfußlaufen auch im Wald probierte, und wie er mit dem Poison Ivy zurecht kam
.
Freundliche Grüße Otto

PS Kai, ich würde mich freuen wenn du mich wissen lassen könntest wie das Zitat von den Pros übersetzt wurde. In meiner Ausgabe ist es im vierter Absatz im Bohnenfeld Kapitel.

War Thoreau ein Barfüßler?

Kai (WN) ⌂ @, Stammposter, Saturday, 15.03.2003, 07:53 (vor 7868 Tagen) @ Otto

Hi Otto,

PS Kai, ich würde mich freuen wenn du mich wissen lassen könntest
wie das Zitat von den Pros übersetzt wurde. In meiner Ausgabe ist
es im vierter Absatz im Bohnenfeld Kapitel.

vielen Dank für die Rückmeldung. Das Zitat war mir noch nicht aufgefallen gewesen. In der deutschen Übersetzung heißt es hier:
Früh am Morgen arbeitete ich barfuß, wobei ich wie ein plastischer Künstler in dem tauigen, krümeligen Sand herumplanschte, später am Tage aber brannte mir die Hitze Blasen an die Füße.
Das klingt wirklich nicht sehr trainiert im Barfußlaufen. Ich glaube auch nicht, dass er wirklich barfuß in größerem Umfang lief, da er es sonst sicher geschrieben hätte. Er wollte ja täglich mindestens vier Stunden draußen unterwegs sein, damit es kein verlorener Tag ist, und legte auch größere Strecken zu Fuß zurück. Thoreau lässt sich zwar als Inspirator für Gandhi, die Ökologiebewegung und noch manches mehr ansehen, aber wohl nicht als Barfußläufer. Schade eigentlich, aber nicht zu ändern.
Aber vielleicht finde ich irgendwann noch etwas in den "Journals" - seinen Tagebüchern, die ich mir vor einigen Monaten in New York geleistet habe - auch wenn mein Englisch für seinen Sprachschatz recht schlecht ist.

Grüße in die USA
Kai

[image] Henry David Thoreau: Philosoph, Landvermesser, Lehrer - aber kein Barfußläufer

RSS-Feed dieser Diskussion