"Eine recht dumme Frage" / Off-Topic ?????? (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Friday, 07.02.2003, 12:32 (vor 7904 Tagen) @ Bernd - Giessen

Hi Bernd,

ohne Dich persönlich angreifen zu wollen, vertrete ich die gegenteilige Meinung.

Hallo allerseits,
Reformer hatten es wahrlich noch nie leicht; selbst jene, die sich für die Reform der Rechtschreibung einsetzen, kämpfen seit jeher gegen die Argumente verkrusteter Konservativer. Letztere sind tatsächlich der Auffassung, dass die deutsche Rechtschreibung keiner Reform bedarf, weil alles, so wie es ist, "gut" sei.

Die alte Rechtschreibung war gut! Vor allem war sie sachgerecht und zweckmäßig. So ist doch die Schreibweise "Flußsand" viel übersichtlicher und auch ästhetischer als "Flusssand". Auf diese Weise wurden auch viele Wörter unnötig in die Länge gezogen. Geradezu komisch wird es in vielen Fällen bei den Vorschriften zur Getrenntschreibung. Was ist das Geegenteil von "hier zu Lande" (richtig: "hierzulande")? Na klar: "dort auf See"! Und bei manchen der "famosen" Worttrennungen sind Mißverständnisse geradezu vorprogrammiert: "zu Grunde gehen" (auf Tauchstation?), "schwer fallen" (aua!). Doie Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Vor allem gab es aber keine zwingende Notwendigkeit für die "Reform". Es handelte sich um eine "Neuerung um der Neuerung willen", mit welcher selbsternannte "Experten" mit schädlichen Absichten sich selbst ein Denkmal setzen wollten. Warum wurde das Volk nicht gefragt, ob es die Reform wollte? Ist doch klar: weil die überwältigende Mehrheit mit "Nein" gestimmt hätte! Also wurde die "Reform" dem ganzen Volke durch einen handstreichartigen "Coup" in "allerbester Gaunermanier" gleichsam über Nacht übergestülpt. "Stelle das Volk vor vollendete Tatsachen, und es wird sich nach kurzem Gemurre fügen."

Tatsache ist jedoch, dass Sprache der Veränderbarkeit der Menschen unterworfen ist. Moderne Denker sind so zu der Erkenntnis gelangt, dass es Mittel und Wege gibt, unsere deutsche Sprache logischer zu gestalten.

Sprache funktioniert nun mal nicht nach den Regeln der Logik, sonst gäbe es beispielsweise keine unregelmäßigen Verben. Was ich beobachte, ist ein fortschreitender Sprachverfall, der bereits nach dem Ende des Ersten Weltkrieges einsetzte. Heutzutage beherrscht kaum jemand noch die richtige Konjugation einschließlich korrekter Konjunktivbildung, z. B. beim Verb "backen" (hier sehe ich mal von meiner eigenen Reform, nach der es "bakken" heißt, ab): "backen; ich buk; ich habe gebacken (gebakken); ich büke".

Was leistet die Rechtschreibreform? Das Regelwerk beinhaltet in erster Linie eine Vereinfachung und schaltet verwirrende Ausnahmeregeln aus: "ss" nach kurzen, "ß" nach lang gesprochenen Vokalen.
Warum also "radfahren" und "Auto fahren", wenn man beides getrennt schreiben kann, nämlich zu Gunsten der Logik.

Die alten Regeln waren keineswegs verwirrend; ich habe ebenso wie Millionen Menschen vor und nach mir nach ihnen Schreiben gelernt und hatte als Kind in Rechtschreibung stets eine "Eins". (Tippfehler in meinen Beiträgen bitte ich mir nachzusehen.) Entweder man beherrscht die Regeln von selbst, weil man ein Gefühl für die Sprache hat, oder man ist halt zu doof und lernt es nie! Im Falle der "Rechtschreibreform" handelt es sich nicht um eine sachgerechte Vereinfachung, sondern um eine Absenkung auf ein viel niedrigeres Niveau und somit um eine Schlechtschreib- Deform, durch welche unsere herrliche deutsche Muttersprache bis zur Unkenntlichkeit verhunzt und verunstaltet, mithin dem Hohne und Gespött der ganzen Welt preisgegeben worden. Andere Sprachen (z. B. Polnisch) haben ebenfalls sehr viele Tükken, aber niemand dächte daran, sie deshalb gewaltsam auf ein niedrigeres Niveau zu senken.

Wer profitiert von der Vereinfachung der Rechtschreibung? Dies sind in erster Linie solche, die unsere Sprache erlernen, seien es Grundschüler oder Ausländer wie Spätaussiedler etc.

Die Sprache erlernt man hierzulande "auf Mutters Knien", beim Schuleintritt wird die hinreichende Beherrschung der Sprache (Sprachkompetenz) vorausgesetzt. Mit der "neuen Rechtschreibung" tun sich viele schwer, zumal es etliche Alternativschreibweisen gibt (So steht "selbständig" auch nach "Neuschreib" neben "selbstständig, wat stimmt denn nu?), und man sieht häufig teilweise recht eigentümliche Gemischtschreibweisen.

...tja, und wer bei "Stromstoßschalter" den langen Vokal nicht erkennt, sollte sein phonetisches Fine-Tuning korrigieren!
Also, Leute, seid etwas offener und macht's Euren Kindern in der Schule leichter, indem Ihr der Reform offen entgegenblickt!
Bernd
(Anglist und Germanist)

Das kann ich nicht, da ich mich ungern Zwängen beuge, ohne gefragt worden zu sein! Wäre die neue Schreibweise aufgrund einer allmählichen, "organischen" Entwicklung oder einer Volksabstimmung zustande gekommen, so hätte ich mich gefügt. So aber, wie es gelaufen ist, kann es nicht angehen, und so rufe ich aus Liebe zur deutschen Sprache zum Boykott der neuen Schreibweise auf! Boykott ist eine sehr wirksame Form des gewaltlosen Widerstandes! Man braucht sich nicht alles gefallen zu lassen!

Barfuß und mit aller Leidenschaft des Herzens,
Markus U.


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