Deutsche (barfussige) Touristen und rumaenisch orthodoxe Kirche (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Monday, 13.01.2003, 15:05 (vor 7929 Tagen) @ Dr. Barfuss

Bukarest, Juni 2000, Kirche der orthodoxen Patriarchie, am Nachmittag: Viele Besucher (einheimische und ausländische), darunter eine ziemlich bunte Gruppe aus Deutschland: Erwachsene, Kinder, Senioren; die Bekleidung - auch bunt: Männer mit langen oder kurzen Hosen, Halbschuhe oder Ledersandalen, Frauen mit Röcke, Kleider, kurzen oder langen Hosen. Eine Frau (so um die 25 Jahre) im Sommerkleid und zwei Jungen (etwa 14 bzw. 10 Jahre) sind barfuß. Ein Pfarrer kommt und versucht die Gruppe auf englisch, nachher auf französisch anzusprechen: in einer viertel Stunde findet eine Messe statt, der Patriarch würde auch teilnehmen, also sind kurze Hosen und barfuß unerwünscht. Die Ausländer aber verstehen nur deutsch (oder wollen keine andere Sprache verstehen - grins!). Ich entschließe mich einzugreifen und sage den Leuten was der Pfarrer von ihnen will. Die 2 Jungen mit baren Füßen, 3 Männer und eine Frau, alle in kurzen Hosen, gehen draußen, aber die Barfüßlerin rührt sich nicht von der Stelle: "ich trage doch keine kurze Hosen!". Ich frage den Pfarrer warum dürfen Barfüßige bei der Messe nicht teilnehmen; fast alle Heiligen aus der Wandgemälden sind ja barfuß dargestellt. Der Pfarrer wirkt etwas verdutzt, inzwischen betritt der Patriarch die Kirche, geht vorbei an das barfüßige Fräulein ohne es zu bemerken (oder wenigstens tut er so) und die Messe beginnt.
P.S.: Die rumänische klassische Literatur umfaßt zahlreiche Geschichten über Dorfschustern die Pleite wurden weil beim schlechten Wetter die Leute mit den Schuhen in den Händen bis zur Kirchentür gingen.

Hi Dr. Barfuß,

ich bim zwar kein Rumäne, sondern ein zur Orthodoxen Kirche konvertierter Deutscher, und kann daher nachvollziehen, daß die Touristen in kurzen Hosen aus der Kirche gewiesen wurden. Kurze Hosen sind in orthodoxen Gotteshäusern nicht zulässig (ebensowenig wie Minirökke, Muskelshirts, bauchfreie Tops und alle Atrten schulterfreier Bekleidung. Es gilt: Der gesamte Oberkörper einschließlich der Schultern, die Oberarme und die Beine oberhalb der Fußknöchel müssen bedeckt sein. Wer sich nicht an diese Regeln hält, wird aus der Kirche gewiesen oder gar nicht erst hineingelassen oder darf zumimdest nicht an der Liturgie teilnehemen. Ob man barfuß teilnehmen darf, weiß ich nicht genau; m. E. ist es zuläsig, und deshalb dürfte die Frau mit ihrem Hinweise, daß sie schließlich keine kurze Hosen trage, recht gehabt haben (falls ihr Rock lang genug war, da Minirökke ebenfalls unzulässig sind). Der Grund für die Bekleidungsvorschriften ist der, daß die unzulässigen Arten der Bekleidung dazu bestimmt und geeignet sind, die sexuellen Reize der betreffenden Person herauszustellen, und dazu ist die Kirche nicht der geeignete Ort. Die Kirche dient dem Gebete und der Ausrichtung auf Gott; sexuelle Reize sind diesbezüglich eine unwillkommene Ablenkung. In der kirchegilt es noch mehr als anderswo, auf die religiösen Gefühle der Gläubigen Rücksicht zu nehemen, und die allererste Regel (die vor allem, aber nicht nur für andersgläubige Besucher gilt) lautet: Nur kein Ärgernis geben. Barfüßigkeit ist in dieser Hinsicht gewissermaßen ein Präzedenzfall: m. E. ist es zulässig, aber ich habe selbst noch nie jemanden barfüßig in der Göttlichen Liturgie erblickt. ich selbst nehme das ganze Jahr über sokkenlos, aber nicht barfuß an der Göttlichen Liturgie teil, und bin meistenteils der einzige, der sokkenlos teilnimmt. Außerhalb der Pfarrei, zu der ich gehöre, trage ich meist Sandalen; innerhalb der Pfarrei, wo ich während der Göttlichen Liturgie als Altardiener ministriere, trage ich geschlossene Schuhe mit angemessenem Hosensaum, weil der Pfarrer Sandalen bei Mitwirkenden nicht haben will (wobei es bereits ein Zugeständnis ist, daß er die Sokkenlosigkeit toleriert).

Die dargestellten Kleidervorschriften mögen manchem nicht gefallen, aber sie bestehen aus gutem Grund und werden in absehbarer Zeit gewiß nicht geändert werden. Gleichwohl sind die orthodoxen Gotteshäuser zumeist gut besucht.

Barfüßige Grüße,
Markus U.


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