Deutsche (barfussige) Touristen, ortodoxe Kirche und kommunistisches Propaganda (Hobby? Barfuß! 2)

Dr. Barfuss, Friday, 10.01.2003, 13:28 (vor 7932 Tagen)

Deutsche (barfüßige) Touristen, rumänische Gastfreundschaft, ortodoxe Kirche und kommunistisches Propaganda

1. In den 87’ er Jahre kam ich von der Schule Heim (damals wohnt ich in einer kleinen Stadt in Siebenbürgen). Vor meinem Tor, auf einer Grasparzelle saßen ein junger Mann und seine Freundin (beide so um die 20 - 22 Jahre alt). Beide trugen kurze Hosen, die Ledersandalen an die Rücksäcke gebunden, schauten auf eine Landkarte, und sahen verwirrt aus. Ermüdet streckten sich aufs Gras. Es waren deutsche Touristen, die sich verlaufen haben. Auf die bank vor dem Tor saßen schon 2 Staatspolizisten (so eine Art STASI). Ich sagte den Offizieren ich könnte den beiden helfen, da ich deutsch sprechen konnte, aber sie sagten ich soll eine halbe Stunde warten, ich soll ins Haus gehen, sie mussten ihren Chef um Erlaubnis fragen (sonst hätte ich eine Strafe von etwa 5 Mittellöhne gezahlt, weil ich unerlaubten Kontkt zu Ausländer hätte). Ins Haus angelangt erzählte ich eifrig den Vorfall. Meine Großmutter schaute durchs Fenster und sagte "Mein Gott, diese im TV [die kommunistische Propaganda - Sendungen wie "Westeuropa 1987", wo homeless usw. Als ein Produkt des Kapitalismus präsentiert waren] haben Recht, im Westen muß es wirklich schlimm sein, die haben nicht einmal Geld für Schuhe!" Inzwischen kam einer der Offiziere und sagte ich dürfte mit den beiden Reden, aber nicht im Haus. Ich sprach die beiden an und es stellte sich heraus daß sie Studenten waren, die im falschen Zug umgestiegen waren. Ich wollte sie zum Bahnhof begleiten, aber meine Großmutter kam aus den Hof mit einer Plastiktüte. "Was willst du alte?" fragte einer der Offiziere. "Ich will den beiden Essen für den Weg geben und ich habe auch einige Paare Schuhe, die ...". "Schuhe ?!" wunderten sich die Offiziere. "Na ja, die haben sich bestimmt die Sandalen kaputt gelaufen und können sich keine neuen leisten, hab im Fernsehen gesehen!". Die Staatssicherheitsoffiziere lachten sich krumm und versuchten (ohne Erfolg) meiner Oma zu erklären daß die beiden aus Vergnügen barfuss liefen ...
2. Da ich schon viel geschrieben habe, werde ich Teil 2 (eine andere Schilderung) am Montag Posten.

Deutsche (barfussige) Touristen, ortodoxe Kirche und kommunistisches Propaganda

Lorenz ⌂, Stammposter, Friday, 10.01.2003, 22:36 (vor 7931 Tagen) @ Dr. Barfuss

Hallo Dr. Barfuß,

Dein Bericht ist so richtig zum Schmunzeln! In den 80er Jahren war der Wohlstand bei uns am höchsten (viel weniger Arbeitslose) und das Lebensgefühl sehr frei. Da sind auch viel mehr jüngere Leute barfuß gelaufen als heute. Auch FKK war ein Renner, im sommerlichen München war der Englische Garten (ein weiträumiger Park, der in die Isarauen übergeht) voll mit Nacktbadern. Sogar in den benachbarten Vierteln sind sie einem Freund von mir über den Weg gelaufen (ich selbst war bei schönem Wetter immer textilfrei an den oberbayerischen Seen). Die damalige Kultur von Barfußlaufen und FKK war ein Zeichen von Wohlbefinden, nicht von Armut, wie es eure Medien aus verständlichen Gründen darstellen wollten.

Seitdem sind wir durch steigende Steuern, durch Fehlspekulationen unserer Manager und durch wachsende Arbeitslosigkeit ein Stückchen ärmer geworden. Jetzt sind tolle Klamotten und modische Schuhe wieder ganz wichtig, damit man nicht für einen "Hungerleider" gehalten wird ;-))

2. Da ich schon viel geschrieben habe, werde ich Teil 2 (eine andere Schilderung) am Montag Posten.

Ich bin schon neugierug!

Schöne Füße, und auch liebe Grüße an Tamara von

"barefoot doctor" Lorenz

[image] Barfußlaufen in der Natur

Damals und heute

Markus U., Stammposter, Friday, 10.01.2003, 23:32 (vor 7931 Tagen) @ Lorenz

Hi Lorenz!

In den 80er Jahren war der Wohlstand bei uns am höchsten (viel weniger Arbeitslose) und das Lebensgefühl sehr frei. Da sind auch viel mehr jüngere Leute barfuß gelaufen als heute. Auch FKK war ein Renner, im sommerlichen München war der Englische Garten (ein weiträumiger Park, der in die Isarauen übergeht) voll mit Nacktbadern. Sogar in den benachbarten Vierteln sind sie einem Freund von mir über den Weg gelaufen (ich selbst war bei schönem Wetter immer textilfrei an den oberbayerischen Seen).

Die Nakkerten im Englischen Garten gehören wohl der Vergangenheit an -ich habe im letzten Sommer selbst an den heißesten Tagen dort keine gesehen - geschweige denn in den benachbarten Vierteln. Auch an der Ostsee, wo aus den Zeiten der DDR Nacktbaden überall üblich war, haben die "Textilen" vornehmlich aus den "alten" Bundesländern die Anhänger des Nacktbadens in abgelegene "FKK- Reservate" verdrängt. Na ja, im Kapitalismus will nicht nur die Schuhindustrie ihre Umsätze steigern, sondern auch die Hersteller für Bademode wollen fette Gewinne einstreichen!

Die allgemeine Lebensqualität geht hierzulande wahrhaftig mehr und mehr zurück!

Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.

Deutsche (barfussige) Touristen, ortodoxe Kirche und kommunistisches Propaganda

UliE, Saturday, 11.01.2003, 15:40 (vor 7931 Tagen) @ Lorenz

Hallo,

>Dein Bericht ist so richtig zum Schmunzeln! In den 80er Jahren war der Wohlstand bei uns am höchsten (viel weniger Arbeitslose) und das Lebensgefühl sehr frei. Da sind auch viel mehr jüngere Leute barfuß gelaufen als heute. Auch FKK war ein Renner, ...

Meiner Meinung nach gibt es eine Entwicklung zum Konservativen Denken grade unter jungen Menschen seit Anfang der 80er Jahre, die nur in den 80er Selbst von den "Nachwehen" der 70er überschattet wurde.
Ich habe eine ganze Zeit lang immer wieder verschiedenen Schülern - unter anderem an einem Nachhilfeinstitut wo immer ganze Gruppen anwesend waren. Es hat mich relativ oft erschreckt, wie angepaßt diese Kinder bereits waren. Diese Generation, die zumindest, was die Oberstufenschüler betrifft, denen ich Nachhilfe gab, ist nur wenige Jahre von meiner Generation entfernt, denkt aber im Durschnitt schon ganz anders. Die "Maximallebensziele", wenn das Gespräch mal darauf kam, was Sie denn nach der Schule machen würden, bestanden zum großen Teil darin, Genug Geld zu verdienen, halbwegs gesund zu bleiben, eventuell noch Familie zu haben und keinen zu Anstrengenden oder Langweiligen Job. Und Anpassung .. IN sein .. nicht aus der Reihe tanzen .. diese ganzen Dinge werden nicht mehr als Zwänge wahrgenommen, sondern Viele finden es von sich aus erstrebenswert möglichst angepaßt, gesellschaftlich annerkannt und unauffällig zu sein.
Während ich ich erinnere, daß die Frage nach dem Lebenszielen nach der Schule, zum großen Teilen mit Lebensentwürfen beantwortet worden wäre, die ein gewisses Risiko in sich trugen, aber auch größere Aspekte der Selbstverwirklichung.
Ich erlebe es hier in der Großstadt auch immer wieder, daß Gruppen von Jugendlichen hauptsächlich über irgendwelche Äußerlichkeiten anderer lästern und dies oft auch sehr lautstark.
Wenn ich z. B. bei Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt barfuß in Flip-Flops oder Sandalen unterwegs bin, ernte ich schon öfters erstaunte Blicke, Kommentare so gut wie nie. Nur von einem bestimmten Typus Jugendlichem, der momentan sehr verbreitet ist (mit der Subkultursprache der 80er wohl am besten als modische Mischung von Edelpopper und Stiefelnazi zu beschreiben), ernte ich teilweise sogar noch bei knapp unter 20° derart erstaunte Reaktionen, als käme ich vom Mars.
barfuß vorm Compi
Grüßt
Uli

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