Zeigt her Eure Füße - dank hobbythek in den barfüßigen Winter (Hobby? Barfuß! 2)

Rainer_DO, Thursday, 02.01.2003, 04:39 (vor 7940 Tagen)

Prolog:
In der Freizeit gehe ich barfuß, "wann immer das möglich ist". Bisher habe ich geglaubt, daß kalte Temperaturen ein ernsthafter Hinderungsgrund seien und deshalb jedes Jahr meine Füße monatelang in Strümpfe und Schuhe gesteckt, sobald es nach draußen ging.

Dank der hobbythek-Sendung "Zeigt her Eure Füße" (vgl. Anlage!) von Jean Pütz weiß ich es nun besser und bin dadurch außerdem auf dieses Forum aufmerksam geworden, in dessen "Best of" ich nützliche Hinweise gefunden habe.

Als Information und Hilfe für andere, die noch zögern, hier eine
Zusammenfassung meiner Barfußentwicklung:

Als Kind bin ich im Sommer in der Nähe der elterlichen Wohnung durchaus schon barfüßig gewesen. Sobald der Weg jedoch weiter weg führte, waren Schuhe bzw. Sandalen obligatorisch und Socken natürlich, den sonst läuft man sich ja Blasen ...

Das prägende Aha-Erlebnis hatte ich als Steppke: Zufuß unterwegs mit meinen Eltern an einem schönen Sommertag, beobachtete ich zwei junge Frauen, die mit Sandalen [ohne Socken - geht also!] vor uns her gingen. Auf einmal blieben sie stehen, griffen sich an die Hacksen, streiften die Sandalen ab und gingen - Sandalen an der Hand - barfuß weiter [!!!]

So direkt hatte dies auf mich zunächst überhaupt keine Wirkung, viel später kam ich dann zu der Einschätzung, daß dieses Erlebnis irgendwie prägend für mich war.

Etliche Jahre später kam ich im Sommer auf die Idee, die [von zuhause aus] obligatorischen Socken an der Schule auszuziehen. [Morgens, wenn ich zur Schule ging, war es ja auch noch recht kühl, d.h. höchstens 20 °C ... [ ;-))]. 'Ne Weile später kam ich dann auch noch auf die Idee, die Sandalen auszuziehen und barfuß zu gehen. [Ah - welche Wohltat!] Aber doch nur außerhalb der Sichtweite der elterlichen Wohnung und außerhalb der Schule. [Damals war das einfach mangelndes Selbstvertrauen in die Richtigkeit der eigenen Entscheidungen - aus heutiger Sicht einfach unbegreiflich ...]

Der entscheidende mentale Sprung kam rund 20 Jahre später. Ich hatte mir angewöhnt, im Sommer zu einem Park zu fahren, um barfuß durch diesen zu laufen. Zuhause war ich - zumindest im Sommer - eh barfuß. Auto fuhr ich von Anfang an grundsätzlich barfuß, sobald es warm wurde. Also zog ich mir Schuhe bzw. Sandalen [ohne Socken!] nur an, um durch's Haus 'runter zur Garage zu gehen. Den Rest der Zeit war ich ja bereits barfuß. Nachdem ich zurückgekehrt war, dann die gleiche alberne Prozedur zurück in die Wohnung.

Bingo! Also 1998 die Idee "Die Schuhe bleiben im Schrank!". Gesagt, getan. Dann das alberne Gefühl "Hoffentlich sieht mich keiner!". Damit hat ich schon zwanzig Jahre vorher gekämpft - barfuß? ja, aber bitte keine Beweisphotos!

Völliger Quatsch!!! Aber jede/r braucht halt mehr oder weniger Zeit, um zu den Dingen, die er/sie gut findet, auch dann zu stehen, wenn man dadurch auffällt, daß sich die Mehrheit der Mitmenschen nicht so verhält.

Der Rest war Training. Ich bin anfangs lieber auf Asphalt und geplasterten Wegen als in der freie Natur gegangen. Das hat einfach damit zu tun, das ich am Stadtrand wohne und die meisten Wege in der Nähe so beschaffen sind. Das hat aber auch damit zu tun, daß die übrigen Wege in der Nähe so uneben und stein(chen)reich sind, daß eine barfußunerfahrene Fußsohle schnell "Aua schreit".

Die Premiere bestand aus 4 km im besagten Park, gefolgt von - ich hatte "Appetit auf mehr" bekommen - 3,25 km plus 3,75 km von zuhause aus. Dazwischen liegt ein Biergarten, der im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel ist.

Super! Danach wurde ich übermütig. Der nächste Weg führte mich auf abenteuerlichen Wegen [ich hatte versucht, im Stadtplan eingezeichnete Wege tatsächlich zu gehen und geriet daber auf eine Wiese, die mit jedem Schritt feuchter wurde und auf der ich mit jedem Schritt tiefer einsackte, so daß ich mich entschloß, zur Straße zurückzukehren und den Asphalt entlangzulaufen. Zumindest haben die Schuhe keinen Schaden genommen ;-))] in die Nachbarstadt. Das waren 11 km. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt mit dem Zug zurückgefahren wäre, hätte ich den Ausflug ohne Blessuren überstanden. Aber ich ahnte noch nichts und wollte weiter. Einige Kilometer später ein erster "Aua"-Gefühl. Eine Blase! Und das mitten in der Prairie! Nun mußte ich weiter. Mit der Blase, dann den Blasen über viele kleine Steinchen, die im Weg waren, ging es nun nur humpelnd zurück. Aber wenn man etwas wirklich will, läßt man sich durch solche Widrigkeiten nicht aufhalten. Also nahm ich nicht den direkten Weg, sondern zweigte noch einmal ab, um durch einen Wald [ein Weg mit gaaaaaaanz vielen kleinen Steinchen] und über die Felder [am Feldrand gibt es manchmal etwas Gras, auf dem die inzwischen malträtierte Fußsohle etwas Entspannung findet] zu meinem Lieblingsbiergarten zu gelangen. Nach 19 km genoß ich das kühle Bier in der Kehle und das kühle Gras an den Fußsohlen. Die 3,25 km zurück nach Hause waren danach fast ein Spaziergang.

Resumée:

Ich habe mir danach noch mehrfach Blasen gelaufen und diese versorgt. Teilweise bin ich dann trotzdem am nächsten Tag "wie auf Eiern" durch's Büro gegangen, weil sie erneut gefüllt waren. Später war die Hornhaut so dick, das die Blasen mit den Mitteln, die mir als medizinischer Laie zur Verfügung stehen, gar nicht mehr zu öffnen waren. Ein, zwei Tage später waren sie dann auch so wieder verschwunden. Noch später habe ich mir erst gar keine Blasen mehr erlaufen.

Anfangs hatte ich einfach zu große Erwartungen in meine barfüßige Laufleistung. Ich habe dann gelernt, daß ich in jeder Saison besser erst einmal etliche Male maximal 10 km laufe, bevor ich mich an eine 12 oder 15 km lange Strecke trauen kann, ohne die Fußsohlen damit zu überfordern. Heute gehe ich 20 km am Stück ohne Probleme, das Maximum war bisher 31 km an einem Tag. Auf gutem, angenehmen Grund gehe ich barfuß genauso schnell wie beschuht - 1 km in 10 min, unter guten Bedingungen durchaus auch 30 km in 5 Stunden. Bei sehr stressigem Grund oder exstremer Laufleistung bin ich barfuß allerdings immer noch langsamer - aber dafür macht es mehr Spaß.

Im letzten Urlaub auf Teneriffa bin ich sogar barfuß in den Bergen in einer Wandergruppe [alle anderen hatten Wanderschuhe an, ich ware trotzdem vorne!] gewandert - 4 von 5 Stunden, dann habe ich mir die Wanderschuhe angezogen, weil aufgrund der vielen Steine und Steinchen meine Fußsohlen inzwischen so sensibilisiert waren, daß ich sonst zur Gruppenbremse geworden wäre.

1998 bin ich in der gesamten Saison 100 km barfuß gelaufen, 2001 habe ich die gleiche Distanz aus Spaß in einer - arbeitsfreien - Woche absolviert. Anfänglich habe ich die Distanzen nachgehalten und addiert. Beim Stand von 1200 km insgesamt *echt* [d.h.: ohne Schuhe auch nur dabei zu haben!] barfuß gelaufener Kilometer habe ich aufgehört zu zählen, weil es mir nicht mehr wichtig war.

Die Regelmäßigkeit des Trainings scheiterte bisher daran, daß ich glaubte, Barfußgehen sei ohne Schäden an der Gesundheit nur bei warmem Wetter möglich. Also habe ich nach mehreren Monaten Pause jedes Jahr wieder neu angefangen. Jetzt weiß ich es - dank Jean Pütz, seiner hobbythek-Sendung und dem Hinweis auf dieses Forum - besser!

Regelmäßiges Training bei mäßigen Entfernungen und angenehmer Bodenbeschaffenheit ist auf jeden Fall eine gute Basis, um die Fußsohlen abzuhärten. Erst danach sollte man die Distanz erhöhen und/oder schwierigere Bodenbeschaffenheit (Steinchen, Schotter etc.)
ausprobieren.

Ein See, Fluß, Bach, Brunnen etc. zweischendurch ist eine große Hilfe. Nach 10 km kommt eine Erfrischung der Füße in kaltem Wasser sehr gut und unterstützt das weitere Fortkommen wesentlich.

Da ich noch vor wenigen Wochen Barfußlaufen im Winter als schlechten Scherz abgetan hätte, möchte ich hiermit meine diesbezügliche Lernkurve mitteilen, die ich aufgrund der genannten Informationen nun absolviert habe:

bis 2001:
Barfuß ab 24 °C auf jeden Fall; ab 20 °C eventuell ...

2002 im Sommer:
Barfuß unter 20 °C müßte eingentlich möglich sein. Erfolfreich getestet: (a) bei ca. 16-18 °C am Wochenende in die Stammkneipe in der Innenstadt; (b) bei 16 °C zur Sauna, bei 12 °C wieder zurück [jeweils 2,5 km, 25 min]; (c) aus Madrid zurück - in Madrid noch 28 °C, von D bis DO unter 18 °C.

2002-12-03:
hobbythek-Sendung "Zeigt her Eure Füße". Jean Pütz und eine Kollegin moderieren eine Sendung zur Entstehung des aufrechten Ganges, zur Komplexität des Systems Fuß, zur Problematik der Schuhe und zu den Vorteilen des Barfußgehens - barfuß!

2002-12-08:
Ich finde endlich die Zeit, die Informationen zur Sendung im web abzurufen. Erste Aha-Erlebnisse stellen sich ein: Die Geschichten über Menschen, die ganzjährig - also auch im *Winter*! - barfuß gehen, scheinen einen realen Hintergrund zu haben. [Na ja, glaub' ich zwar noch nicht so ganz, aber könnte ich ja 'mal auspropieren - aber nicht jetzt, vielleicht ab Herbst 2003, um "bei langsam kühler werdenden Temperaturen das 'mal ganz vorsichtig auszuprobieren."]

2002-12-23:
Barfuß? Ich? Dieses Jahr? Höchstens in der Wohnung! [Vorsatz gefaßt!]

2002-12-24, ca. 10 °C:
Im Auto. Zieh' ich jetzt die Socken und Schuhe aus? Hmmm? Ja! Ein bischen kühl ist es ja noch ...

2002-12-25, ca. 10 °C:
Im Auto. Zieh' ich jetzt die Socken und Schuhe aus? Aber hallo - klar doch!
Zieh ich mir die Schuhe an, um ins Haus zu gehen? Neeeeee, son Quatsch! Aaaaaah schön!

2002-12-26, ca. 10 °C:
Barfuß. Im Haus. Um's Haus. Um's Haus herum ...

2002-12-27, ca. 10 °C:
Die Schuhe blieben im Schrank [Sicherheitshalber Schuhe - und Socken - in der Tasche]. Barfuß ins Auto, weg von zuhause [Socken und Schuhe ungenutzt!] ...

2002-12-28, ca. 8 °C:
Die Schuhe blieben im Schrank [Sicherheitshalber Schuhe - und Socken - in der Tasche]. Barfuß ins Auto, zurück nach zuhause [Socken und Schuhe ungenutzt!] ...

2002-12-28, ca. 7 bis 8°C:
Die Schuhe blieben im Schrank [Sicherheitshalber Schuhe - und Socken - in der Tasche]. Barfuß am Abend zur Sauna, kurz vor Mitternacht zurück. Wunderschöööööön!

2002-12-29, ca. 7 °C:
Die Schuhe blieben im Schrank [Basta! Vorsatz noch vor Sylvester bewußt und mit Wonne gebrochen!] 1,5 km zum Solarium [Ist Ihnen nicht kalt? Nöö!] Zurück auf lange nicht mehr gegangenen Wegen durch Schlamm und über Baumstämme durch den nahegelegenen Wald, dann an meinem Lieblingsbiergarten *vorbei* zurück im Bogen nach Hause. 10 km. 100 Minuten. Reichlich viel Regen. Aber quer durch die kalten Pfützen - ja - schön!!!

2002-12-30, ca. 9 bis 10 °C:
Von der Arbeit, die ich mir mir für den Urlaub aufgespart habe, weil ich sonst über's Jahr eh' nicht dazu komme, werde ich langsam rappelig. Also: Laufen? Es scheint gerade eine Regenpause zu geben. Also laufen! Der Pfad durch Erde, über gefällte Baumstämme, durchÄs Unterholz, quer durch Wassergräben, zum Schluß durch einen Erdfahrweg, der eher einem Gemisch aus Erde, Schlamm und Seenplatte ähnelt, ist ein Barfußlehrpfad für Fortgeschrittene. Ich genieße!

2002-12-30, ca. ...[?]:
In der Nacht soll es deutlich frostig werden. Halt ich das aus? Ist der Gefahr von Erfrierungen zu begegnen? [Ich bin sicherheitshalber mit Schuhen unterwegs, die ich in den Kneipen sogleich ausziehe. Prompte Frage in der zweiten Kneipe: "Isses noch so warm?" ...] Ja, ich hätte es locker ausgehalten, die Temperatur blieb bis zum Niaachmittag des nächsten Tages konstant.

2002-12-31, ca. -1 °C:
Die Temperatur ist in den letzten Stunden deutlich gefallen und soll noch weiter fallen [Die Russen haben wieder ihren Kühlschrank offen gelassen ...]. Zuhause habe ich auch noch Winterdienst [Grummmel!].
Zum Glück ist es trocken geworden. Also? Also sicherheitsheitshalber Schuhe einpacken [*ohne* Socken!], aber doch nicht anziehen! Wozu auch? Also bei -1 °C barfuß ins Auto zur Sylvesterfeier!

2003-01-01:
Bei ca. 2..3 °C [barfuß natürlich!] nach der Sylvesterfeier dort um's Haus herum. Angenehm! Bei ca. 7 °C am Nachmittag zurück nach Hause.
Bei ca. 7 bis 8 °C am Abend zum Bus. Dann in die U-Bahn. Dann ins Kino. Um 22:10 zurück - zu(bar)fuß. Ich genieße den kalten Boden, die noch kälter erscheinenden Pfützen. Nach 6 km und 60 Minuten bin ich wieder zu Hause.

Ich genieße nun meine von innen warme Füße und setze mich vor meinen PC, weil ich das Gefühl habe, dem Forum, dem ich soviel verdanke, nun wenigstens diesen Text zu schulden. Nun ist es 4:38 am Morgen. Meine Füße sind immer noch ganz warm.

Epilog:
Ich habe für den Rest der Woche noch mehr als genug zu tun. Danach beginnt wieder der Arbeitsstreß. Ich bitte daher jetzt bereits um Entschuldigung, falls ich nicht kurzfristig auf Kommentare und Fragen bzgl. meines Beitrags reagieren sollte.
Über weitere Erlebnisse und Erfahrungen zum Baerfußgehen werde ich bei Gelegenheit berichten.

Barfüßige Grüße

Rainer aus Dortmund

Anlage - eMail an die Redaktion der Hobbythek:
==================================================================

Hallo,

ich möchte mich auf diesem Weg ganz herzlich für die toll gemachte, informative Sendung bedanken. Herzlichen Dank auch für Ihre Informationen und die interessanten URLs auf Ihrer web site http://www.hobbythek.de/dyn/7527.phtml!

Mit der Aufforderung "Gehen Sie häufiger 'mal barfuß!" haben Sie bei mir prinzipiell offene Türen eingerannt. Allerdings war ich bisher der irrigen Annahme, daß Barfußlaufen auf kaltem Boden gesundheitsschädlich sei. Deshalb habe ich es bisher auf die warme Jahreszeit beschränkt und sonst nur zuhause oder im Saunagarten verwirklicht.

Jetzt weiß ich es dank Ihrer Sendung und den nützlichen Informationen, die Sie im Internet zum Thema bereitgestellt bzw. referenziert [besonders umfassend: htp://www.hobby-barfuss.de] haben, besser. Seit Weihnachten haben meine Füße nur zweimal kurz Schuhe angehabt - ansonsten bin ich die ganze Zeit barfuß und genieße die neu gewonnene, schöne Freiheit nun auch im Winter. Gerade komme ich z.B. aus dem Kino zurück - die warme, regenfeste Jacke mußte wetterbedingt mit, die Strümpfe und Schuhe blieben zuhause. Nach einem Fußweg zurück von 6 km bei ca. 7 bis 8 °C und Regen sitze ich nun mit gut durchbluteten, angenehm warmen Füßen vor dem PC und tippe diese eMail. Besonders viel Laune macht es, quer durch die Pfützen zu laufen. Das gibt einen angenehm extra kühlen "Kick", die Luft ist danach subjektiv deutlich wärmer.

Nur im Berufsleben werde ich wohl weiter auf dass barfüßige Lebensgefühl verzichten müssen. Eigentlich schade. Um so mehr habe ich mich gefreut, daß es im Forum htp://www.hobby-barfuss.de u.a. auch Berichte von Glückspilzen gibt, die selbst das für sich verwirklichen konnten. Jean Pütz sollte m.E., wenn er von den in der Sendung vorgestellten Ideen wirklich überzeugt ist, sozusagen als Botschafter der Barfüßigkeit ab sofort nur noch barfuß vor die Kamera treten. Das könnte helfen, andere auch auf den Geschmack zu bringen.

MfG


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion