Barfuss mit 16 Jahren (Hobby? Barfuß! 2)

harrixx @, Monday, 09.12.2002, 18:38 (vor 7963 Tagen)

Ich heisse Harry und bin mittlerweile schon 28 Jahre alt. Beruflich als Designer fuer eine Firma in der Schweiz arbeitend und daher zumindest dienstlich sehr von Konventionen hinsichtlich Bekleidung eingeengt.
Zu einem Meeting gehoert schon aus Achtung vor meinem Gegenueber ein ordentlicher Anzug mit Schlips und Kragen, selbstverstaendlich mit Schuhen und Socken. Es waere etwas eigenartig meine Geld- und Auftraggeber aufgrund meiner Bekleidung vor den Kopf zu stossen.

Nichts desto trotz bin ich ein begeisterter Barfusslaeufer seit Jahren.

Angefangen habe ich im Alter von 16 Jahren. Ich war damals in einem Internat am Bodensee. Dort war es nicht unbedingt ueblich barfuss zu laufen. Weder Jungs noch Maedels. Klar hatten wir beim Schwimmen keine Schuhe an, aber sonst.... wurde alles ganz wie allgemein ueblich mit Schuhen gemacht.
Allerdings hatte sich bei uns das Tragen von Schuhen ohne Socken in der waermeren Jahreszeit durchgesetzt. Das war und ist cool auf dieser Schule. Beeinflusst waren wir von den aufkommenden Videos (Skaterstuff and so) aus den Staten. Wir haben meistens ein Schweinegeld fuer die besten (und leider teuersten) Treter ausgegeben. Und es war 'cool' diese ohne Socken zu tragen. Die ersten Skaterschuhe waren ungemein klobig und daher nicht so recht praktisch zum laufen. Eine gepolsterte Zunge und ein dicker Rand rund um den Knoechel waren ueblich. Gerade so wie die Teile heute meistens auch noch aussehen. Lediglich die Farben und das Design hat sich geaendert.
Einen sehr grossen Nachteil hatten die Treter:
Sie saugen sich sehr gut mit Wasser voll. Bedingt durch die Polsterung.

Ich bin damals im Mai zusammen mit drei Freunden von dem Buswartestop zurueck zur Schule gelaufen. Wir waren in der Stadt gewesen und hatten die neuesten Videos gekauft...
Es hat wie aus Kuebeln geschuettet, wir waren innerhalb von Sekunden klatschnass.
Laufen mit den Schuhen wurde immer schwerer, es schwappte das Wasser mit jedem Schritt im Schuh. Kurz entschlossen und zur grossen Verblueffung meiner Kameraden habe ich mir die Schuhe ausgezogen und bin barfuss weitergelaufen. Nach einigen Schritten haben sich die anderen die Schuhe ebenfalls ausgezogen und wir sind dann gemeinsam barfuss die Strecke zur Schule gelaufen. Das waren fast zwei Kilometer.

Die ersten Schritte waren ungewoehnlich, ich war es bis dahin nicht gewohnt groessere Strecken barfuss zu laufen. Und dann noch auf Asphalt. Der Asphalt und der Regen waren warm, es gab Tage zuvor schon wirklich heisse Tage. Uns hat ein fruehes Sommergewitter ueberrascht. Nichts ungewoehnliches in der Bodenseeregion.
Es war interessant wie sich die Regentropfen auf dem Asphalt verhalten haben: Aufgespritzt und da die Strecke leicht bergan verlaeuft in breiten Stroemen abwaerts geschossen. Natuerlich war das ablaufende Wasser mit Dreck, Grashalmen und kleineren Steinchen durchsetzt. Was halt so ueblicherweise auf einem Feldweg herumliegt.
Wie alle haben es als eine neuartige und sehr interessante Erfahrung erlebt wie das Wasser zwischen den Zehen laeuft.
Wahrscheinlich ist das doch immer irgendwie vorhandene Kind im Manne, nun ja, mit 16 fuehlt mann sich wie ein Mann, ist aber noch recht jung, in uns durchgekommen.

Wir haben trotz einiger picksender Steinchen und (ich zumindest) den Tritt in eine Distel den Weg zur Schule geschafft. Unsere Fuesse waren schrumpelig wie nach zu langem Verweilen im Schwimmbad. Aber sauber wie nie; und sie haben sich RICHTIG gut angefuehlt. Lediglich die Waden waren durch den hochspritzenden Dreck 'leicht' eingesaut. Zum besseren Gehen hatten wir unsere Hosenbeine hochgekrempelt.
Meine Mitschueler haben uns auf der Schule, es war bereits Zeit fuer die abendliche Versammlung und Abendbrot arg eigenartig angeschaut. Es fielen einige haemische Kommentare a la 'Jetzt spinnen die voellig' oder 'Guckt mal, die haben sich in der Stadt bis auf die Schuhe ausrauben lassen...'. Sprueche halt, die so dahingesagt werden.
Unser Hauslehrer hat gemeint, dass es frueher ueblich war barfuss bis weit in den Herbst hinein zu laufen. Und frueher wurde sogar der Schulsport barfuss und ohne Hemd ausgefuehrt. Zumindest in seiner Schule, weiland NAPOLA am Ammersee.
Da wir alle ein Baerenhunger hatten, sind wir barfuss zum gemeinsamen Abendbrot gegangen. Unsere Schuhe waren schliesslich immernoch klatschnass.
Ich habe es zumindest wissentlich gemacht, das Gefuehl barfuss zu laufen hat mir gut gefallen.

Da es weiterhin schoen sonnig und warm war, fast bis Schuljahresende, (im Juni) war es eigentlich keine grosse Dramatik tagsueber barfuss zu laufen. Lediglich zum Essen mussten wir Schuhe anziehen, das wurde mit der erhoehten Unfallgefahr durch Scherben oder Splitter im Parkett (unser Essaal war schon einige hundert Jahre alt) begruendet.
Nachdem wir allgemeines Erstaunen hervorgerufen hatten, wurden wir befragt warum wir noch weiterhin barfuss laufen wuerden.
Die Erklaerung dass es Spass macht wurde von einigen ausprobiert. Und in meinem Jahrgang sowie im Rest der Schule wurde fortan haeufiger barfuss gelaufen.
Speziell beim Sport hatten wir sogar zwei Schulmannschaften, die eine barfuss, die andere mit Schuhen.
Allerdings hat lediglich mein bester Freund Ati zusammen mit mir es durchgehalten den Rest des Schuljahres ganz ohne Schuhe zu verbringen. Mit der Einschraenkung des Essens. Und der Gang zur Kirche, wenn wir uns davor nicht gedrueckt haben.

Der kommende Sommerurlaub war ideal ausgewaehlt: die Fischzucht von Atis Eltern in Oberbayern. Die ganzen Ferien habe ich fast nur barfuss verbracht, es war eine grosse Freiheit fuer die Fuesse. Im September hatte ich aufgrund der Hornhaut grosse Schwierigkeiten passende Schuhe zu finden, ich bin meistens mit den Skaterschuhe und ohne Socken bis fast November gelaufen. Wenn ich denn ueberhaupt Schuhe an hatte.

Bis zum Ende der Ausbildungszeit bin ich fortan sooft es ging barfuss gelaufen. Mit meinem Freund Ati habe ich es immer als besonders befreiend empfunden wenn wir im zeitigen Fruehjahr zum Entsetzen seiner Mutter damit begonnen haben wieder barfuss zu laufen. Meistens so ab Mitte/Ende Maerz, wenn der Schnee weg war.
Es war und ist immer ein Erlebnis wenn die nackten Sohlen mit den unterschiedlichsten Untergruenden und Temperaturen in Beruehrung kommen.
Ich fuehle seitdem wesentlich sensibler und ausdauernder den Wechsel der Jahreszeiten und die Entwicklung der Natur.
Laufen auf einer Wiese im April unterscheidet sich wesentlich vom einer Wiese im Herbst.

Jetzt bin ich seit fast zwei Jahren freiberuflich taetig und habe zumindest bei Meetings keine Moeglichkeit barfuss zu laufen. Obwohl das mal auch ein Gag waere, nicht wahr?

In meiner leider knappen Freizeit bin ich fast nur barfuss unterwegs, vorallem beim Autofahren und laufen in der Natur. Selbst in den Supermarkt gehe ich meistens barfuss. Das zieht schon mal Fragen nach sich, vorallem bei Menschen die mich beruflich kennen. Ich habe es gelernt damit umzugehen und mir eine entsprechend 'dicke' Haut zugelegt.

Mein Freund Ati hat die Fischzucht von seinen Eltern uebernommen und daher nahezu ideale Voraussetzungen fast das ganze Jahr barfuss laufen zu koennen. Sogar seine Freundin macht mittlerweile mit.

Gerne teile ich weitere Erfahrungen mit anderen Barfusslaeufern. Dies nur als kurzer Bericht und Gegenbeweis der Behauptung 'junge Maenner laufen nie barfuss'.

Kindest Regards

harrixx


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion