Salzbergwerk (Hobby? Barfuß! 2)

Kai (VS) @, Tuesday, 03.12.2002, 21:37 (vor 7969 Tagen)

Hallo,
so, das ist nun die letzte Geschichte für heute. Als ich im August in Reichenhall war, habe ich mit meinen beiden Kleinen das Bergwerk in Berchtesgaden besucht. Es war die Woche, in der es die ganze Zeit goss und die mit dem Ostalpen-Hochwasser endete und ins Erzgebirge-Hochwasser überleitete. Kurz, es war nass, trübe und kühl. Was macht die Touri-Familie bei solchem Wetter? Sie geht ins Salzbergwerk. Es waren an diesem Tag schätzungsweise 3000 Touristen in der Gegend. Am Tagesende war nämlich Gruppe 65 dran und jede Gruppe hatte etwa 50 Personen (Wenn jemand von der Südsalz GmbH - www.bad-reichenhaller.de - mitliest, darf er gern korrigieren). Das hieß, eine halbe Stunde anstehen, Ticket kaufen, eine weitere Stunde im Regen stehen, in einem dichten Pulk eingelassen werden, im allgemeinen Chaos Bergmannskleidung aus dunkler dicker Baumwolle (recht apart, eigentlich) anziehen, eine halbe Stunde auf dem Gang stehen und in einem endlichen Schwung auf die Grubenbahn gelassen werden. Da saßen wir dann, dicht an dicht, ein Bein links, das andere rechts auf der Trittleiste. Der Oberbergmann ging den Zug nochmal ab, und dann: "heh, da hat einer keine Schuhe an! Sofort runter! Ich gucke, der Bergmann geht weiter. Dreht sich um, schreit "Sie gehen runter" - ich: "Was ist das Problem?" -- "Mann, begreifen Sie nicht? Das ist ein Bergwerk!" -- "Ja, und?"
Hinter der Absperrung drängeln sich etwa 200 Leute, und der Zug muss abfahren. "Der fährt aber nicht runter!" wird der Führer angewiesen. Der Zug fährt an, fährt durch den engen Stollen, ich denke "bloß die Füße ruhig halten, nicht anstoßen!" und hält schließlich. Wir steigen ab und gehen durch die nun geräumigen Stollen über kleinkörnigen Schotter, dann über weiche Erde. Es gibt einen Film übers "weiße Gold", dann geht's weiter bis zur langen Grubenrutsche: Zwei polierte dicke Holzstangen zwischen Holzbrettern links und rechts. Man setzt sich mittig zwischen die Stangen und rutscht los. Die einzige Gefahr ist, mit den Füßen an den Stangen zu bremsen oder gar die seitlichen Bretter zu berühren. Wer das tut, macht angeblich einen Salto. Sonst ist die Fahrt harmlos. Ich wurde wie befohlen aussortiert und musste nebendran die Treppe nehmen, mein Kleiner fuhr beim Führer mit.

Die ganze Besichtigung war unproblematisch: Meist weicher Boden, nur ein wenig kühl, vielleicht 8 °C. Schließlich kam noch eine zweite Rutsche. Mein Sohn erkennt die Situation und weist den Füher sofort darauf hin, dass sein Vater wieder nicht fahren dürfe. Der ist die Sache aber Leid, sagt nur "auf eigene Gefahr!", und ab geht's.

Insgesamt war's ganz nett. Am Ausgang treffe ich wieder den Oberbergmann, der sieht mich barfuß rauskommen und fragt "haben Sie's überstanden?" und will nicht glauben, dass es keinerlei Problem gab. Aber Berleute sollen ja abergläubisch sein, und ihre Riten sind ihnen heilig.

Nach einigen Tagen kam meine Partnerin, und wir verbrachten noch das Wochenende in Berchtesgaden. Was sie unbedingt erleben wollte, war ein Besuch wo? Im Salzbergwerk, ausgerechnet! Nochmal viel Eintritt bezahlen, stundenlang rumstehen und mich mit einer riesigen Menge durch die Korridore zwängen? Auf der Fahrt nach Salzburg kamen wir mehrmals am Bergwerk Hallein vorbei -- der Parkplatz überfüllt, die Straße kilometerweit zugeparkt, die Menschen drängelten sich hinter Glasscheiben -- oh nein, nicht heute, vielleicht morgen!
Am letzten Tag hatte der Regen in der Nacht sein Maximum erreicht, das Ausflugsschiff auf der Salzach war gesunken, Berchtesgaden teilweise überflutet, die Straße nach Salzburg gesperrt. Wie fahren wir dann? Laut Karte einen riesigen Umweg an Stelle von 200 Metern auf der gesperrten Straße. Also, die Sperrung umfahren, das Wasser steht höchstens 20 cm hoch, ist doch nicht der Rede wert, mit Volldampf durch. An Baggern vorbei, die Gräben ausheben, um Bäume auf der Straße herum, den Berg hoch und trotz erheblichem Gefälle Vorsicht wegen Aquaplaning, dann Österreich. Starker Regen, etwas Nebel, schlechte Sicht -- sind wir noch richtig? Hier müsste es doch sein, aber die Gegend ist wie ausgestorben, kein Mensch, kein Auto weit und breit. Die Straße ist leer, der Parkplatz verwaist, das Kassenhäuschen geschlossen zwischen den Pfützen -- doch, da hängt was: "Kasse im Hauptgebäude geöffnet". Tatsächlich, da scheint offen zu sein. Aber kein Besucher da! "Ja, wo kommen Sie denn her?" werden wir gefragt, "alle Straßen sind doch gesperrt!" Ja, wirklich, wir sind die einzigen, und das Personal will eine Berwerksparty feiern. "Was, Sie haben keine Schuhe? Das geht aber nicht" -- meine Partnerin: "das ist ok so, der läuft immer so rum" Ach so ist das! Ja dann -- und plötzlich finden es alle ganz toll, barfuß zu laufen, und alle haben schon mal von so jemandem gehört ...
Im Bergwerk ist es wie in Berchtesgaden, nur das Gestein etwas lockerer. Tatsächlich scheint der Berg nur ein Erdhaufen zu sein (junge Sedimente!), und ich fürchte etwas, der Regen könnte eindringen und uns im Matsch begraben. Ist aber nicht passiert. Am Ausgang liegen die Fotos von der Rutschpartie aus, von einer automatischen Kamera geschossen, das Stück zu 8 Euro (!). Da werde ich doch zum Schwaben und lasse sie liegen, aber ich hätte doch eins kaufen sollen: So ein Foto habe es nämlich noch nie in der Geschichte des Bergwerks gegeben, dass da einer barfuß auf der Rutsche abgelichtet wird.
Tja, hätt's Euch gern gezeigt, aber jetzt ist es vorbei.

Also Glück auf!
Kai (VS)

Salzbergwerk

KH (VS) @, Tuesday, 03.12.2002, 21:41 (vor 7969 Tagen) @ Kai (VS)

Nachtrag:
Steinbrüche, Schrottplätze und wohl auch Bergwerke zähle ich im Allgemeinen schon zu den nicht barfuß-geeigneten Orten. Aber wenn irgendwo 3000 Touristen am Tag durchgeschleust werden, sieht die Sache anders aus.
Kai (VS)

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