Oktoberpresse, die erste (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Stammposter, Thursday, 17.10.2002, 18:03 (vor 8016 Tagen)

Hallo zusammen,
hier der erste Teil der Oktoberpresse (und der Anschluss an das aktuelle Geschehen)

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Unrhythmischer Gang am Tag danach
Marathonsieger Kipkoech lief mit neuen Schuhen [...]
Der Tag danach ist für die Marathonläufer zumeist der Tag der Schmerzen. Selbst die Sieger nehmen sich da nicht aus. Auch wenn Naoko Takahashi und Raymond Kipkoech dies am Montag bestritten [...] Doch schon wenige Schritte offenbarten, dass Raymond Kipkoech den Lauf durch die Berliner City nicht völlig ohne Nachwirkungen überstanden hatte. Eine Blase am Ballen des rechten Fußes sorgte für einen unrhythmischen Gang des Mannes, der am Sonntag beim 29. Berlin-Marathon seine Landsleute Simon Biwott und Vincent Kipsos auf die Plätze verwiesen hatte.
Aber was sollte er darüber klagen. Seine Gefühlswelt wurde bestimmt vom unerwarteten Erfolg [...]
Kipkoechs Erlebnisbericht vom Berlin-Marathon erinnerte unwillkürlich an einen Laufhelden vergangener Zeiten. 1968 in Mexiko rannte Amos Biwott zum Olympiasieg über 3 000 Meter Hindernis. Die Sportwissenschaftler glaubten eine revolutionäre Neuerung erkannt zu haben: Denn während alle anderen beim Überqueren des Wasengrabens vom Balken ins Nass sprangen, stockte Biwott oben auf dem Balken und setzte mit neuem Schwung zum Sprung aufs Trockene an. Die simple Erklärung: Biwott, der zuvor nur barfuß gelaufen war, wollte nicht, dass die ersten Schuhe, die er besaß, nass werden.
Bevor Raymond Kipkoech sich nun auf Europa-Reise begab, wurde er von seiner Ausrüsterfirma ausgestattet. Er muss dies wohl als Auftrag verstanden haben, das neue Schuhwerk in Berlin zu präsentieren. Was ihm die Blase einbrachte.
Renndirektor Milde kommentierte es mit Schmunzeln: "Ein Anfängerfehler, nicht zur Nachahmung empfohlen." [...]
[Berliner Zeitung, 01. 10. 2002]
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Den ganzen Winter am Strand
Berlin -Sonne, Palmen, herrlicher Strand - auch im kommenden Winter müssen Berlins Sandsport-Fans nicht auf ihr Beach-Feeling verzichten. Am Wochenende eröffnete in Wittenau Deutschlands größtes "Indoor-Beachsport-Center."
Nur das Meeresrauschen kommt vom Band, ansonsten muss in der 2000 Quadratmeter großen Beach-Halle (Kosten 1,5 Mio EUR., BZ berichtete) auf nichts verzichtet werden. "Neben den 6 Beach-Volleyballfeldern gibt es einen Wellnessbereich mit Sauna und Solarium, eine kleine Bambus-Cocktailbar und ein großes Strandrestaurant. Und man kann unsere Halle auch als Event-Location mieten" [...]
Der Hit der Anlage ist allerdings eine Fußbodenheizung. So kann jeder wie im Sommer barfuß echtes Strandfeeling genießen [...]
[B.Z. (Berlin), 01. 10. 2002]
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Zeitlebens barfuß gegangen
Auguste Hoffmann feierte ihre 95. Geburtstag [...]
Verden . Wenn sie aus dem Fenster ihres Hauses in der Bremer Straße schaut, hat sie den schönsten Blick auf den Bürgerpark. Aber mit dem Spazierengehen klappe es nicht mehr so ganz, erzählt Auguste Hoffmann. Die gebürtige Verdenerin feierte gestern ihren 95. Geburtstag [...]
1937 heiratete sie. Mit ihrem Mann, einem Elektroingenieur aus Eschwege bei Kassel, zog sie dann in die Bremer Straße, wo sie heute noch wohnt. "Damals', erinnert sich die Seniorin, "vor 35 Jahren, gab es im Bürgerpark noch keine Bäume und Büsche.' Sie habe die ganze Entwicklung verfolgen können.
Und das Geheimnis ihres Alters? Auguste Hoffmann lacht: "Ich bin immer barfuß gelaufen ? egal, bei welchem Wetter.'
[Weser Kurier, 02. 10. 2002]
Ich bin mir zwar nicht sicher, dass ich 95 Jahre alt werden möchte, aber das Rezept von Frau Hoffmann ist auch meines !
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Arbeitswut, Neid und Missgunst im Urlaub
Deutsche Burgen
Es war ein Freitag - am Nordseestrand. Wolken wie von Nolde bis zum Horizont, darunter bewegtes Meer. Am Himmel eine Möwe - kreischend, wie meine vierjährige Nichte. Jedenfalls bis wir die Burgen sehen.
Rechts und links stehen sie, den ganzen Strand herunter, dessen Sand so fein ist wie nirgends sonst - sagt man jedenfalls. Wir suchen uns ein Plätzchen mitten im Burgenbauer-Getümmel, stehen still und staunen. Während die Mütter in Strandkörben bei der Böschung lesen, graben und türmen, klopfen und formen die Väter gefährlich nahe der Brandung riesige Sandburgen. Ihre Kinder stehen drumherum, einige halten beklommen ein Plastikförmchen in der Hand. Auch uns beachten die Väter nicht. Betriebsamkeit.
Minuten vergehen [...] Minuten sind es, die der Eindruck von kitzelndem Sand unter ihren nackten Füßen braucht, um meiner Nichte das starre Staunen aus dem Kopf zu vertreiben. Sand! Wir formen - erst zögerlich, dann mutwillig - mit den Füßen kleine Hügel. Schließlich noch einmal ein Blick auf die Burgen links, auf die Burgen rechts - jetzt bauen wir auch eine.
Etwas unbedarft entscheide ich mich für das klassische Prinzip: Um die Häufchen unserer Fußarbeit ziehen wir großzügig einen Graben und türmen den Sand in der Mitte auf. "Festklopfen, immer schön festklopfen", sage ich, aber meine Nichte verliert bald die Lust. "Frisch, Gesellen, seid zur Hand, heut noch muss die Burg werden", sage ich - und Geselle sein gefällt ihr. Mit der Gipfelhöhe unseres Sandkegels wächst spürbar blickreich die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft [...]
Am nächsten Morgen kommen wir wieder an den Strand. Er ist fast menschenleer. Die Wellen gehen heute hoch und es sieht nach Regen aus. Eine Möwe segelt über uns, dann heult plötzlich meine Nichte auf: Unsere Burg ist zertrampelt, von ihr ist kaum noch etwas zu erkennen. Nur ein Fußabdruck, ein großer - von einem Vater!
[Saarbrücker Zeitung, 02. 10. 2002]
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Safari in ein Vogelparadies
Die Vogelschutzinsel Langenwerder ist Brutplatz und Beringungsstation für Seevögel. Manchmal dürfen Gäste das Stück Land vor Poel betreten ? wenn sie nicht wasserscheu sind [...]
Horst Thiessen ist bereit. Den Fotoapparat hat er sich um den Hals gehängt, die lilafarbene Turnhose angezogen. Er lächelt, schaut in die Sonne und sagt zu sich: "So Alter, jetzt aber los." Dann stapft er ins Wasser der Wismarer Bucht.
Die Insel Langenwerder liegt vor der Nordküste der Insel Poel. Das rund 21 Hektar kleine Eiland ist das älteste Vogelschutzgebiet Mecklenburgs. Betreten verboten. Seit 1924. Die Insel gilt als einer der wichtigsten Brut- und Rastplätze für Seevögel der westlichen Ostsee. Nur manchmal dürfen Gruppen den "heiligen" Boden vorsichtig erobern. "Naturkundlich-touristische Veranstaltung" nennt sich das dann. Wasserscheu darf der Naturbeobachter allerdings nicht sein. Denn zur Insel muss gewatet werden.
Kniehoch steht die 13 Grad kühle See. Gummistiefel nützen nichts, auch wenn sie schwarz, gelb oder rot sind. Alle Teilnehmer der Expedition nehmen die Schuhe unter die Arme [...] "Auch der Vogelwart ist ein Störenfried", gibt sich Heinze nüchtern. Seit 1981 kommt er für drei Wochen pro Jahr in das Naturschutzgebiet. Ehrenamtlich und in seiner Urlaubszeit. Alle Wärter auf Langenwerder arbeiten ehrenamtlich. Die Hauptaufgaben sind der Schutz der Insel vor ungebeten Besuchern. Und die Beringung der Vögel [...]
Möwen, Seeschwalben, Gänse, Limikolen. Über 250 Vogelarten sind auf Langenwerder registriert. [...]
Im Gänsemarsch geht es zurück. Hier und dort steht eine seltene Pflanze wie die Stranddistel. Am "ungepflegten" naturbelassenen Strand sind alle wieder barfuß. Es geht ins Wasser. Thiessen strahlt immer noch. "Was für ein Tag." [...]
[Ostsee Zeitung, 05. 10. 2002]
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Barfuss durch eine karge Zeit
«Die Barfüssler» nennt Paul Hugger die Jugenderinnerungen, die er gesammelt und zu einem bewegenden Rückblick vereint hat: «Eine Jugend in St. Gallen 1939-1945». [...]
Sie lebten in kleinen Wohnungen, schliefen zu dritt in der gleichen Kammer, hatten kaum Schuhe, gingen das halbe Jahr barfuss, hungerten - die Mehrzahl der St. Galler Kinder erlebte die Weltkriegsjahre als entbehrungsreiche Zeit. Dennoch hatten die wenigsten das Gefühl, sie lebten in Not. Höchstens dass man unter den Frostbeulen litt, die sich in der Kälte gebildet hatten; oder dass sich der Bub schämt, wenn er beim Einkauf in der Bäckerei schon wieder anschreiben lassen muss.
Wie war es damals?
Wie war es damals in St. Gallen, als Europa vom Krieg überzogen war? Paul Hugger hat die Frage aufgegriffen, in einem ganz besondern Sinne. Er selber gehörte einer Bubenklasse an, die in jener Zeit beim Lehrer Emil Traugott Fischli (1880-1966) in die Schule gegangen war. Hugger fühlte sich zwar immer etwas am Rand, hing seinen Träumen nach. Doch als sich die Klasse Jahrzehnte später zu Zusammenkünften traf, da berührte es ihn, dass sich Kameradschaft über ein halbes Jahrhundert hinweg bewähren kann. Als dann zudem - von aussen und innen - immer dringlicher die Frage nach der schweizerischen Vergangenheit gestellt wurde, reifte bei Hugger der Plan, die Buben von damals zu interviewen, um die 18 Erinnerungen mit seinen eigenen zu einer Gesamtschau zu verweben.
Blick des Volkskundlers
Paul Hugger war als Volkskundler Professor an der Universität Zürich, kannte also die Gefahr, dass beim Blick zurück Geschichten nicht nur erzählt, sondern auch interpretiert oder vergoldet werden. Indem er nun aber die Interviews nicht nebeneinander stellt, sondern die vielen Gedächtnisse miteinander vergleicht, zusammenführt, verweben sich die Einzelerinnerungen zu einem gültigen Bild. Kommt hinzu, das das Buch mit vielen Anmerkungen versehen ist [...]
Das Buch ist aus einem wissenschaftlichen Ansatz heraus entstanden; geschrieben wurde es aber ohne theoretischen Ballast. Es erzählt direkt, spannend - und bewegt.
Paul Hugger: «Die Barfüssler. Eine Jugend in St. Gallen 1939-1945», Limmat-Verlag
[Appenzeller Zeitung, 05. 10.2002]
In der gleichen Ausgabe erschien auch dieser kurze Beitrag, vielleicht ein Zitat aus dem Buch ?
Barfüssler berichten
«Das Barfussgehen gehörte zum alltäglichen Erscheinungsbild der damaligen Stadt. Bis in die Sekundarschule gingen Jungen und Mädchen sommers so zur Schule. Die mit Leinöl getränkten Holzböden der Schulzimmer färbten die Fusssohlen braun - den Rest besorgten die Teerflecken -, und vor allem jüngere Schüler schlugen sich an den Randsteinen die grossen Zehen wund ...
Nicht alle unter uns liebten das Barfussgehen ... Aber die meisten von uns schätzten es, und wenn der Asphalt im Sommer glühte, dann beschleunigten wir unsere Schritte oder wählten schattige Stellen aus. Nie wieder haben wir einen solch sinnlichen Bezug zum Boden, zur Strasse gehabt oder zu den kühlen Steinplatten des zentralen Stiegenhauses im Leonhardschulhaus ... Bruno Isenring verneint die Frage, ob man sonntags auch barfuss in die Kirche gegangen sei, sie hätten dafür Schuhe anziehn müssen. Die hätten einen gedrückt, man habe sie nicht gerne getragen und sei froh gewesen, wenn man sie nachher gleich wieder ausziehen konnte ...»
[Appenzeller Zeitung, 05. 10.2002]
Das Buch war bereits in einem älteren Pressespiegel angekündigt und ist bestimmt interessant zu lesen - zumal es offenbar weder die "gute alte Barfußzeit" verherrlicht, noch das "Ach was waren wir barfuß und arm dran" - Klischee bedient.
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[KOMM_ÜS]
Aus meiner Kindheit
Aus meiner Kindheit frühen Tagen
lebt brunnentief ein Bild in mir.
Da kam ein apfelgrüner Wagen,
der fuhr vorbei an uns'rer Tür.
Ein Mann, zigeunerbraun, schwarzbärtig,
ging trommelwirbelnd nebenher
und führt an blanker Schellenkette
ein zottig Ungetüm von Bär.
Barfüßig folgte ihm und müde
ein Mädchen mit dem Tamburin.
In ihren Ohrgehängen glühte
in dunklem Glas ein Traumrubin.
Und aus den faltergoldenen Augen
- dass ich es nie vergessen kann!-
da sah zum ersten Mal die Sehnsucht,
das heiße Fernenweh mich an.
Und über eine alte Brücke
fuhr in den letzten Abendschein
in eine zauberrote Sonne
der sagenbunte Zug hinein...
Ich hör' noch oft die Trommeln gehen,
des Tamburins verwehtes Lied,
wenn brennend meine Augen sehen
den Glanz, in dem die Sonne schied...
Gedicht von R. Gahlbeck
[Nordkurier, 08. 10. 2002]
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Hans-Peter Kopp, Leiter des Forstamts Weil im Schönbuch wechselt zum Monatsende nach Tübingen
Ein letzter Waldbegang, die letzte Führung mit dem Kulturkreis, der letzte Auftritt im Gemeinderat - bei Hans-Peter Kopp jagt ein letzter Termin den nächsten. Und immer gibt es eine Verabschiedung und viel Lob für den Leiter des Weiler Forstamts, der ab Dezember seinen Posten im Forsthaus gegen einen bei der Landesforstverwaltung eintauscht.
Eigentlich mag es der 44-Jährige nicht, wenn viel Wirbel um seine Person gemacht wird. Schließlich ging und geht es ihm um die Sache - um den Wald und um alles, was damit zusammenhängt [...] Dem fällt es selbst nicht leicht, das Forstamt zu verlassen. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagt er und lacht.
Gefallen hat es ihm in Weil sehr gut [...] Wegen der Mitarbeiter, wegen des Klimas im Forstamt, weil sich die Familie in Weil wohl fühlte (und wohl fühlt) - und weil die Arbeit Spaß macht.
Schön abwechslungsreich, erklärt Kopp [...]
An den Anruf einer Dame aus Freiburg kann sich Kopp ebenfalls noch erinnern. Die rief an und wollte wissen, wo wir im Wald moosige Böden haben, auf denen sie barfuß gehen könnte. Sonntag morgens um halb neun! Doch sogar diese Begebenheit ist im Kapitel positive Erinnerungen aufgelistet [...]
[Böblinger Bote, 08. 10. 2002]
Den exquisiten Geschmack der Dame vermag ich zu teilen - aber den Anruf Sonntag morgens um halb neun hätte ich doch wohl eher in schlechter Erinnerung.
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Heimatkalender wirbt mit schönen Frauen
Schäferlaufszene auf Titelbild
MARKGRÖNINGEN. Das Titelbild des neuen schwäbischen Heimatkalenders ist etwas sehr Besonderes - wie die Beteiligten finden. Es zeigt junge Frauen, die beim Markgröninger Schäferlauf um die Wette rennen. Dieser spielt im Heft eine besondere Rolle [...]
Ein dermaßen attraktives Titelbild, wie es den Schwäbischen Heimatkalender des kommenden Jahres ziert, hat es noch nie gegeben [...]
Bei den solchermaßen gepriesenen Damen handelt es sich um die barfußwetzenden Kronenanwärterinnen des just vergangenen Markgröninger Schäferlaufes. Dieser spielt im Heimatkalender 2003 eine besondere Rolle, weil es darin um Brauchtum geht und der Markgröninger Schäferlauf mit seiner rund 500 Jahre währenden Tradition zu einem der ältesten schwäbischen Heimatfeste gehört [...]
Insgesamt fünf Seiten und vier Bilder - das Titelbild nicht mitgezählt - sind dem Markgröninger Schäferlauf in dem 128 Seiten dicken Bändchen gewidmet [...] Wann der nächste Schäferlauf in Markgröningen stattfindet, ist konsequenterweise auch vermerkt: vom 22. bis 25. August 2003 [...]
[Stuttgarter Zeitung, 10. 10. 2002]
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Belesene Füße
Georg


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