Hallo Klaus,

Hallo Jey,
du schriebst:
Trotzdem denke ich, du musst auch akzeptieren, dass andere, aus welchen Gründen auch immer, dich nicht nackt sehen wollen. Ein nackter Körper kann nun mal auf andere aufdringlich wirken. Dieser Wirkung musst du dir im Klaren sein. Durch deine Nacktheit zwingst du anderen praktisch, wenn auch ungewollt, den Anblick deines nackten Körpers auf.
Damit bin ich nicht ganz einverstanden. Es gibt auf dieser Welt so viele Dinge oder Geschehnisse, die ich auch lieber nicht sehen möchte.

Siehst du, und die anderen wollen dich vielleicht nicht nackt sehen.

Mir fällt da spontan eine "Unsitte" (was für ein Wort!) von früher ein. Da gingen die Frauen oft mit Lockenwicklern im Haar auf die Strasse und machten Besuche bei ihren Freundinnen, so auch bei meiner Mutter. Manchmal gingen sie sogar einkaufen. Ich fand das damals echt abstoßend.

Auch dein nackter Körper könnte auf andere abstoßend wirken.

Niemand hat auf meine Gefühle Rücksicht genommen.

Das tust du bei anderen auch nicht, wenn du dich nackt zeigst.

Heutzutage finde ich das Statussymbol des Spießertums, die Krawatte, echt unmöglich. Besonders schlimm finde ich es, wenn sich irgend so ein fetter Helmut-Kohl-Verschnitt so zugeschnürt hat, das der Halsspeck über den Kragen quillt. Ich werde bei jeder Gelegenheit genötigt, mir dieses Spießersymbol anschauen zu müssen.

So, wie andere genötigt werden, sich deinen nackten Körper anzusehen.

Es gibt noch zahlreiche andere Dinge, die ich lieber nicht sehen möchte, mir aber immer wieder anschauen muss. Ich kann zwar, wie du sagst, wegschauen, aber da hab ich es ja schon gesehen.

Ganz genau.

Du meinst, das sei etwas anderes, weil die ja nicht nackt sind? Ich sage, ein nackter Körper ist nicht weniger zumutbar wie eine Frau mit Lockenwicklern im Haar.

Es kommt nicht auf die Wertung an, was mehr oder weniger zumutbar ist, aber ein nackter Körper ist es nunmal für viele.

Wenn ich nackt bin stelle ich meinen Körper nicht provozierend zur Schau. Ein Punker, der sich bewusst provozierend zurecht macht und kleidet, der tut das um zu provozieren (und vielleicht auch um zu protestieren). Eine Frau, die ein durchsichtiges Kleid trägt tut dies auch um zu provozieren. Mit Kleidung kann man viel besser provozieren als ohne Kleidung.

Ob du es als Provokation tust oder nicht, ist nicht entscheidend, es kann aber so wirken. Es kommt immer drauf an, wie es bei deinem Gegenüber ankommt, nicht, wie du es meinst.

Nur wer Nacktheit mit Sexualität verwechselt oder wer in einem Penis eine Bedrohung sieht kann einen nackten Mann als Provokation empfinden. Und wer sich einfach nur vor nackten Körpern ekelt oder sie abstoßend findet, der sollte vielleicht mal zum Psychiater gehen.

Mag sein, das hilft aber im Moment nicht.

Nach diesen harten Worten sei noch vermerkt, dass ich natürlich nicht nackt in die Stadt gehe. Ich würde das wohl auch nicht tun, wenn es offiziell erlaubt wäre, denn das würde an der Einstellung der Gesellschaft zunächst mal nichts ändern.

Aha, doch Einsicht? Was ich nur sagen will ist, du regst dich über Anblicke auf, die du nicht sehen möchtest, mutest es aber anderen auch zu. Wo ist der Unterschied? Man tut doch nicht etwas, was man bei anderen kritisiert.

Ich könnte es gar nicht geniesen, wenn jeder blöd glotzt und dumme Sprüche macht. Ist schon schlimm genug, dass man (Mann) oben ohne schon doof angeglotzt wird.
Klaus
PS: Das hat jetzt mit barfuss wohl nicht mehr viel zu tun, obwohl die Problematik ja doch ähnlich ist.

Ich gehe auch nur deshalb so intensiv darauf ein, weil ich sehr starke Parallelen zum Barfußlaufen sehe. Wir müssen uns einfach darüber im Klaren sein, dass es wirklich manchmal unangebracht sein kann, barfuß aufzutreten.
Fuß
jey