Auswirkungen in einer kleinen Stadt (Hobby? Barfuß! 2)

Michael (wat) @, Tuesday, 17.09.2002, 20:17 (vor 8046 Tagen) @ TeWe

Hi TeWe.

Irgendwie finde ich es amüsant, dass jetzt eine Kompanie berittene und uninformierte Khöniglicher Rossboten kurz nach Mittag, da die Fliegen schon kreisen und der unverkaufte Rest Fisch vom Kopf her zu stinken begonnen hat, herangaloppiert kommt, auf dem Marktplatz ins Horn stößt, eine Schriftrolle des Lord-Modebewahreres entrollt und verkündet:

"Liebe Mitbürgerer und Mitbügererinnen, verehrte Kinders! Hiermit wird offiziell euere Lebensart gut geheißen. Bitte macht weiter, aber ab nun guten Gewissens. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, und besucht wieder unseren von der Spinne gefesselten Heimatpagen."

Erst kommt ein zustimmendes und erfreutes Gemurmel unter den Anwesenden auf, dann drängt sich eine kleine Gestalt durch die Menge in die erste Reihe und fragt mit lauter, tiefer Stimme: "Das ist schön und gut, aber wird dann demnächst diese unsere Handlungsweise wieder als aufrührerisch, primitiv und dekadent gegeißelt?". Die Stadtschreiberin, obwohl noch jung, hat die Übersicht über die Ereignisse der letzten Jahre und ist wie üblich ihrer Zeit voraus. "Äh...". Der Khönigliche Prinzipal-Rossbote runzelt die Stirn, kratzt sich am Kopf, während er noch einmal das Schriftstück überfliegt, und rückt dann den Helm wieder zurecht. "Nun, davon steht hier nichts, aber ich nehme an, dass diese Anordnung zumindest noch für diese Monarchieperiode gültig sein wird. Die Gilde der Schuhmacher hat allerdings, wie ich hörte, bereits beim Ganz Hohen Gewicht Einspruch eingelegt." Zum Beweis hält einer der Uninformierten einen ledernen, mit Dornen gespickten Fehde-Schuh hoch.

Unterdessen versuchen ein paar Kinder, mit ausgestreckten Zeigefingern das zwischen den Pferden gespannte schwarz-gelbe Banner des Khönigs zu berühren, um Bannerklicks gutgeschrieben zu bekommen.

"Wie üblich also nichts Verbindliches. Lies doch mal das Kleingedruckte vor!", verlangt die Schreiberin. "Äh... Moment." Es kommt Bewegung in die Reiter, als einer eine Lupe hervorzieht und sie dem Prinzipal-Rossboten weiterreichen lässt. Augenblicke des Schweigens folgen, während derer der Sprecher mit zusammengekniffenen Augen ein paar kleinste Zeichen entziffert. Eine zuvor noch gelangweilt am Boden sitzende Fliege fällt unvermittelt den terroristischen Ambitionen eines Haufens Pferdeäpfel zum Opfer.

"Hier steht: Gepflegte Füße in Schuhen schwitzen zu lassen - das hat jetzt ein Ende. Sogar auf Sandalen darf in diesem Sommer getrost verzichtet werden: Barfuß gehen ist gesellschaftsfähig geworden. In den Einkaufszentren und sogar in Büros von Agenturen sieht man jetzt über fehlendes Schuhwerk nonchalant hinweg. Und auch bei T-Shirts und Tops outet sich als prüder Modemuffel, wer mehr trägt, als das Nötigste abdeckt. Leider hat der sexy Trend zu "Kleinst-Oberteilen" einen Nachteil: Es fühlen sich auch die angesprochen, deren Body dafür ganz offensichtlich nicht geschaffen ist. Also vor dem Kauf des Mini-Tops unbedingt erst einmal selbstkritisch in den Spiegel schauen! Gezeichnet: Max, Lord-Modebewahrer."

"In den was?", fragt der Schlachter in seinem blutbefleckten Kittel verständnislos. Immer mehr Bewohner versammeln sich und fangen nun wieder an zu murmeln und zu brummeln. Wörter schwirren über den Platz, wie die arme Fliege es nun nicht mehr tut: "Büros?" "Body?" "Sexy Trend?".

Auch die Stadtschreiberin ist von der Flut an fremden Begriffen und Ideen für einen Moment wie betäubt, bis ihre Erfahrung obsiegt und sie sich Wort für Wort das Gehörte übersetzt. Sie räuspert sich und versucht, ihren Mitmenschen die fremdartig scheinende Botschaft ansatzweise zu erklären. "Wenn ich das richtig verstanden habe, sollen die Bauern bei der Feldarbeit also gepflegte Füße haben. Sandalen, Hemden und Wamse sind überflüssig, weil man darin schwitzt. Wer vorm Ausziehen von kleinsten Hochteilen nicht in den Spiegel sieht, wird als Nonn-Schaland von Agenturen zur Arbeit auf Märkten beschäftigt. Mufflons und Schört-Tiere decken aber nur das Nötigste ab, denn sie sind prüde. War das so ungefähr richtig?"

Der uninformierte Bote reibt sich die Nase und nickt heftig. "Jaja. Genau so war es bestimmt gedacht. Aber nun entschuldigt uns bitte, wir müssen den Quat..., äh, die Nachricht noch weiter verbreiten." Die Fanfarengruppe der Khöniglichen Rossboten spielt noch einmal ihre Erkennungsmelodie, dann setzen sich die Pferde in Bewegung und lassen eine konsternierte Menge zurück, die keine Ahnung hat, was dieser Besuch aus der Hauptstadt ihnen neues gebracht haben soll.

Der Rest des Tages verlief ohne weitere Störungen.

Mit augenzwinkernden Grüßen,
Michael


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